15.12.2009
Die Anwälte – Eine deutsche Geschichte
3 von 4 Rupis - spannende und faszinierende Dokumentation
Regisseurin Birgit Schulz zeigt in ihrer Dokumentation „Die Anwälte“ die Lebenswege von Otto Schily, Hans-Christian Ströbele und Horst Mahler. Eine spannende und faszinierende Dokumentation über die politische Entwicklung Deutschlands.
Otto Schily, Hans-Christian Ströbele und Horst Mahler sind drei Figuren von denkbar unterschiedlicher Façon. Ströbele sitzt als das „linke Gewissen der Grünen“ im Bundestag, Schily hat als ehemaliger Innenminister mit den „Otto-Katalogen“ die ersten restriktiven Anti-Terror-Gesetze seit dem 11. September eingeführt und Mahler ist Rechtsextremist und ehemaliges Führungsmitglied der NPD.
Vor rund 40 Jahren sah das noch ganz anders aus. Ein Bild aus den 1970er Jahren zeigt die Drei noch in Eintracht. Mahler, vollbärtig, sitzt auf der Anklagebank in Stuttgart-Stammheim als einer der angeklagten Gründungsmitglieder der Roten Armee Fraktion (RAF). An seiner Seite seine beiden Strafverteidiger Schily und Ströbele.
„Das ist nicht unser Staat,“ sagt Hans-Christian Ströbele und benennt damit das den drei Anwälten gemeinsame Element. Mit Enthusiasmus und Mut treiben Ströbele und Schily die ihnen gemeinsamen Ideen und Ziele in etlichen Prozessen mit Worten und Argumenten voran. Rechtsstaatlichkeit ist ihr gemeinsames Bekenntnis, mithilfe derer sie ihre Vorstellung von Gerechtigkeit und Gleichheit im deutschen Staat durchsetzen möchten. „Verständnis soll der Öffentlichkeit untersagt werden, Denkverbote werden errichtet“, wettert Schily unerschrocken vor der Presse über Umstände des Stammheim-Prozesses.
Diese Konstellation dient der Regisseurin Birgit Schulz in ihrer Dokumentation „Die Anwälte“ als Ausgangspunkt für eine Reise durch die jüngere deutsche Geschichte, auf der sie nicht nur die Biographien ihrer drei Protagonisten in den Kontext ihrer Zeit setzt. Sie zeichnet gleichzeitig eindrucksvoll nach, wie die in ihrer Idee einst Geeinten sich in ihrer Auffassung von Rechtsstaatlichkeit von ihrem gemeinsamen Ursprung aus in derart unterschiedliche Richtungen entwickelt haben, dass ihre Einstellungen heute im krassen Gegensatz zueinander stehen. Einen Bruch mit der eigenen Linie von damals sieht in seiner heutigen Position gleichwohl keiner der Drei. „Das ist eine Entwicklung“, sagt Mahler trocken über seinen Wandel.
In geschickt verwobenen Elementen aus historischem Archivmaterial und persönlichen Interviews eröffnet Schulz einen Zugang zu den Persönlichkeiten, der durch ein beeindruckendes Maß an Intimität und Authentizität einen tiefen Eindruck ihrer Entwicklung erlaubt. Eine spannende, faszinierende Dokumentation, die einiges über die politische Entwicklung in Deutschland erzählt.
von Max Mayer