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 Wissenschaft
09.06.2010

Problem gelöst

Heidelberger Wissenschaftler entwickeln neues Testverfahren für PISA

Dass bislang bei PISA nur Schulfächer, aber nicht Problemlösen getestet wurden, lag einzig am Fehlen geeigneter Testverfahren. Heidelberger Psychologen haben einen entwickelt, den sie bei der PISA-Erhebung 2012 einsetzen werden.

Dass bislang bei PISA nur Schulfächer, aber nicht Problemlösen getestet wurden, lag einzig am Fehlen geeigneter Testverfahren. Heidelberger Psychologen haben einen entwickelt, den sie bei der PISA-Erhebung 2012 einsetzen werden.

Wie gut sind 15-Jährige einzelner Länder darin, ihr Schulwissen auf alltagsrelevante Probleme anzuwenden? Das ist die Kernfrage, der sich das „Programme for International Student Assessment“ (PISA) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) seit zehn Jahren widmet.

Um diese auf den Namen „literacy“ getaufte Fähigkeit zu testen, wurden den Schülern bislang Textaufgaben aus den Bereichen Muttersprache, Mathematik und Naturwissenschaften vorgelegt. Seit einigen Jahren laufen zusätzlich erste Erhebungen der Schlüsselkompetenz Problemlösen. Zwei verschiedene Ansätze, das analytische und das dynamische Problemlösen konkurrieren hierbei.

Bislang dominierend ist analytisches Problemlösen. Ähnlich wie die drei Kernkompetenzen wird es anhand von Textaufgaben getestet. „Wir würden sagen, das ist gar nicht wirklich Problemlösen“, meint Diplom-Psychologe Samuel Greiff, Testentwickler am Psychologischen Institut in Heidelberg.

Schließlich sind Probleme eigentlich dadurch gekennzeichnet, dass man nicht alles für die Lösung Relevante zur Hand hat. Beim dynamischen Problemlösen, dem sich auch das Heidelberger Testverfahren widmet, wird diese Eigenschaft berücksichtigt.

„So wie wir es messen, hat es viel damit zu tun, wie man sich mit neuen Umgebungen auseinandersetzt, herausfindet was gewollt ist und wie etwas funktioniert“, erklärt Samuel Greiff.

„Wir“, das bezeichnet das Team um Joachim Funke, Professor für Allgemeine und Theoretische Psychologie und Mitglied der internationalen OECD-Expertengruppe für Problemlösen. Er forscht seit rund 30 Jahren zum Thema Problemlösen und arbeitet schon seit den 90er Jahren an der Entwicklung eines entsprechenden Testverfahrens. „Test“, das muss man in diesem Zusammenhang wissen, ist in der Psychologie ein magischer Begriff.

Bis eine Sammlung von Aufgaben als Test anerkannt wird, ist es ein langer Weg: Für jede einzelne Aufgabe muss gezeigt werden, dass sie zuverlässig das abbildet, was der Test ermitteln soll. Für jede einzelne Aufgabe muss über große, repräsentative Stichproben ein Normwert ermittelt werden. Der Test muss in der Lage sein, jeden Testteilnehmer auf einer Skala einzuordnen, die klar Aufschluss darüber gibt, was er kann und was nicht. Dabei darf sich niemand fähiger darstellen können, als er ist.

Der Ansatz Joachim Funkes war dabei vor allem in einer Hinsicht bahnbrechend: Erstmals wurde ein Test nicht als Papier-und-Bleistift-Inventar, sondern als interaktiv gestaltetes Computerprogramm konzipiert. Der Bearbeiter wird dabei mit kleinen dynamischen Systemen konfrontiert, in denen verschiedene Variablen irgendwie aufeinander einwirken. Einige davon kann der Problemlöser selbst beeinflussen und so Wissen über Kausalzusammenhänge innerhalb des Systems erwerben. Gemessen wird, wie das Erkundungsverhalten des Bearbeiters aussieht, wie viel er am Ende über das System weiß und wie gut er es bedienen kann.

So simpel das Konzept klingen mag, es in einen einfach anwendbaren, statistisch anerkannten Test zu verwandeln war mit erheblichem Aufwand verbunden. Neben den Diplom-Psychologen Samuel Greiff und Sascha Wüstenberg haben knapp 20 studentische Hilfskräfte drei Jahre lang daran gearbeitet.

Als sich die Organisatoren der PISA-Erhebung 2012 im vergangenen Jahr erstmals trafen, waren die Heidelberger Testentwickler aber schon auf der Zielgeraden. Die Nachricht, dass man einen Teil des zweistündigen PISA-Tests ihrem Messinstrument widmen wolle, kam für Samuel Greiff daher nicht überraschend: â€žWir waren für die OECD die erste Adresse, einfach weil wir einen Entwicklungsvorsprung von zwei Jahren hatten“, erklärt er.

Andere Entwickler beschäftigten sich erst seit Kurzem mit Problemlösen. Überzeugungsarbeit mussten die Heidelberger aber in Bezug auf die Testdauer leisten. Ursprünglich wollte ihnen die OECD gerade einmal eine halbe Stunde zugestehen. Entsprechend groß war die Freude, als das Zeitkontingent im Februar verdreifacht wurde. Kaum etwas befriedigt einen empirisch arbeitenden Wissenschaftler mehr als eine riesige repräsentative Stichprobe. An PISA 2012 werden weltweit über 60 Länder mit je 5?000 bis 10?000 Schülern teilnehmen.

Wie alle PISA-Entwickler warnt aber auch Samuel Greiff vor schnellen Konsequenzen aus den Ergebnissen: „PISA versucht, deskriptiv zu erfassen, was der Output unterschiedlicher Bildungssysteme ist. Dabei geht es zunächst darum, wie es zu einem bestimmten Output kommt, sondern erst einmal nur darum, den jeweiligen Status zu erfassen.“ Diskussionen über Reformen des Bildungswesens auf PISA-Punktwerte oder geringfügige Veränderungen in den erreichten Punkten zu stützen, sei wenig sinnvoll.

von Simone Mölbert
   

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