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Heidelberg
29.04.2011
Stein gewordene Geschichtsfälschung Dritter Teil der Thingstätten-Historie Erstmals erschienen am 15. Juli 2003, in der ruprecht-Ausgabe 85 Den Kelten, Römern und Christen folgten im vergangenen Jahrhundert die Nationalsozialisten auf den Heiligenberg. Die Regierung unter Adolf Hitler startete ein Jahr nach der MachtÂerlangung ein groĂźes Bauprogramm: Im ganzen Reich sollten Freilufttheater entstehen, Massenversammlungsorte, um das Volk auf die „Blut und Boden“-Ideologie einzuschwören. Das Publikum sollte als Chor in die martialischen Schauspiele und Aufmärsche eingebunden werden. Zunächst wollte das Regime 66 dieser Thingstätten errichten, später bis zu 400. In der Rhein-Neckar-Region fiel die Wahl schnell auf den Heiligenberg, der auf Grund seiner Vergangenheit prädestiniert schien – angeblich: Die Heidelberger Neuesten Nachrichten erklärten die Bergkuppe zur Stätte eines altgermanischen Thing-Platzes. Die Zeitung „Der FĂĽhrer“ stimmte mit ein und deutete die vorhandenen Ăśberreste eines Merkurtempels als ein Heiligtum zu Ehren Wotans, „dem also auch die später ins Land gekommenen Römer opferten“. Die ganze antike Welt – so die Botschaft – erlag der Anziehungskraft des obersten Germanengottes. Nach der Grundsteinlegung am 30. Mai 1934 hätte die Thingstätte in sechs Wochen vollendet werden sollen. Es wurde ĂĽber ein Jahr daraus. Allen Gutachten zum Trotz hatten die Erbauer nicht eingeplant, dass zahlreiche Sprengungen nötig sein wĂĽrden. Zuletzt schufteten ĂĽber 1000 Arbeiter in drei Schichten Tag und Nacht auf dem Berg. Erst am 22. Juni 1935 weihte Propagandaminister Goebbels persönlich vor 20000 Zuschauern den Bau ein, den er als „Stein gewordenen Nationalsozialismus“ pries. Die Heidelberger Thingstätte galt als schönste im Reich, als größtes Theater Europas, das die modernste Tonanlage der Welt beherbergte. Die Thingbewegung erlebte ein jähes Ende. Noch 1935 distanzierte sich das Regime von „toten Begriffen aus grauer Vorzeit“: Der Name „Thing“ wurde verboten, die 15 fertiggestellten Bauten in „Feierstätten“ umbenannt. Die Ideale der „Kampfzeit“ vor 1933 darzustellen war bald nicht mehr nötig. Modernere Instrumente der Propaganda wie der Volksempfänger machten die wetteranfälligen Freiluftspiele ĂĽberflĂĽssig. Ausländische Beobachter hatten sich von den Inszenierungen des „Neuen Germanentums“ selten beeindrucken lassen. Auf dem Heiligenberg wurde nie ein Beweis fĂĽr eine altgermanische Versammlungs- oder Kultstätte gefunden.
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