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 Interview
14.12.2011

„Theater ist einfach geil!“

Der neue Heidelberger Theaterintendant Holger Schultze im Interview

Foto: Theater Heidelberg

Noch immer befindet sich das Heidelberger Theater im Umbau. Der neue Intendant Holger Schultze empfing den ruprecht deshalb in seinem derzeitigen Büro am Opernzelt. Isabella Freilinger und Kai Gräf sprachen mit ihm über Zuschauerzahlen, Pläne und eine Singlebörse.

ruprecht: Herr Schultze, warum Theater?

Holger Schulze: Das Theater ist einer der letzten Orte des Diskurses in unserer Gesellschaft, ein Ort, an dem es eine Reflexion über die Gesellschaft und gesellschaftliche Prozesse gibt. Es ist ein Ort, an dem das, was wir erleben, was wir an Hoffnung, Träumen, Wünschen haben, in eine Form gepackt und erlebbar gemacht wird. Natürlich ist Theater auch wichtig, weil es die Bedeutung eines kollektiven Gedächtnisses hat - es ist immerhin eine Kultur von über 2000 Jahren, mit der man sich auch beschäftigen sollte. Außerdem: was kann man denn Schöneres tun, als am Abend ins Theater zu gehen? Am besten jeden Abend! Theater ist einfach geil!

Warum Heidelberg?

Heidelberg interessiert mich, weil hier ein neues Theater gebaut wird und weil die Lage einzigartig ist in Deutschland - man hat hier ein Ballungszentrum an Theatern, und letztendlich hat Heidelberg einen ganz großen Ruf. Des Weiteren interessiert mich die Internationalität der Stadt, mich interessiert, dass es eine Studentenstadt ist, dass man hier junge Leute hat, die natürlich auch für eine andere inhaltliche Aufarbeitung stehen.

Warum Sie?

Das müssen Sie eher die Stadt fragen als mich. Wahrscheinlich, weil ich jemand bin, der sich viel mit zeitgenössischem Theater und neuen Theaterformen beschäftigt, jemand dem alle Sparten wichtig sind. Aber letzten Endes kann man ja selbst nie beantworten - ich würde die Frage an diejenigen weitergeben, die mich gewählt haben!

Ihr Vorgänger Peter Spuhler galt als beliebt und erfolgreich. Was wollen Sie da anders machen?

Wir machen schon viel anders. Ich finde zum Beispiel, dass das Theater noch nicht an den Grenzen der Zuschauerzahlen ist. Wir haben in den ersten zwei Monaten über 3000 Zuschauer dazu gewonnen, das ist beachtlich. Mein Vorgänger hat mit großem Einsatz für ein neues Haus gekämpft. Meine Luxussituation ist, dass ich mich jetzt um die Inhalte kümmern kann.

Welche wären das?

Das heißt: neue Autoren, den Heidelberger Stückemarkt neu strukturieren und auch die Frage, wie wir gezielter mit der Universität zusammenarbeiten können. Im Augenblick arbeiten wir daran, Kooperationen mit Schulen aufzubauen. Wir versuchen uns an neuen Marketing-Strategien, im Zentrum steht aber natürlich die Produktion auf der Bühne. Ich wünsche mir ein Konzept von Alt und Jung, wir haben ja sowohl junge als auch sehr erfahrene Schauspieler. Im Augenblick haben wir im Schauspiel Leute aus den ersten Häusern Deutschlands.

Wie genau stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit der Universität vor?

Ab Januar wollen wir uns ganz konkret mit den einzelnen Fachbereichen zusammensetzen und Projekte entwickeln. Außerdem möchte ich ab dem nächsten Jahr eine gemeinsame Woche einführen, um Studenten besondere Möglichkeiten zu geben, das Theater kennenzulernen. Was wir jetzt schon haben, ist ein fester Ort in der Universität, an dem wir auf das Theater aufmerksam machen. Ich kann mir auch eine Singlebörse vorstellen, nach dem Motto: Ich gehe heute Abend ins Theater - wer kommt mit? Der Versuch ist, das, was eine Universität inhaltlich zu bieten hat, mit der Kultur zu verknüpfen. Es geht vor allem um eine inhaltliche Verbindung.

Wie lange wird der Umbau eigentlich noch dauern?

Ende nächsten Jahres werden wir in das neue Theater einziehen können.

Was passiert dann mit den anderen Spielstätten?

Zwinger 1 und 3 wird es weiterhin geben, das Theaterkino werden wir aus Personalgründen aufgeben müssen. Das Opernzelt wird weiterziehen, weil es ja immer bei Umbauten genutzt wird. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, auch andere Räume zu bespielen - ich habe ein Theaterfestival eröffnet, bei dem wir Straßenbahnen, Busse und Schiffe bespielt haben. Das ist eine Theaterform, die ich sehr mag und auch weiterhin betreiben möchte.

Sie haben vom Theater als Ort des Diskurses und der Reflexion gesprochen. Betrachten wir die Zuschauerzahlen: Erleben wir nicht eigentlich eine Abstimmung gegen das Theater, wenn immer weniger junge Leute hingehen?

Woher nehmen Sie diese Zahlen? Die Behauptung stimmt doch hinten und vorne nicht. Wenn wir die Zahlen von Theatern und Fußballstadien deutschlandweit vergleichen, ist es bis heute so, dass es jährlich mehr Theaterzuschauer als Zuschauer bei Fußballspielen gibt. So schlecht steht es also nicht um das Theater. Es ist wichtig, dass wir mit Schulen und Universitäten zusammenarbeiten, denn es gibt das Problem, dass viele junge Leute mit dem Theater nicht mehr in Kontakt kommen. In dem Moment, in dem man damit in Berührung kommt, infiziert Theater sofort.

   

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