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16.07.2012

„Auf Gedeih und Verderb“

Über die finanzielle Abhängigkeit der Uni von der Exzellenzinitiative

Bernhard Eitel / Foto: Universität Heidelberg

Heidelberg bleibt Exzellenzuniversität und erhält bis 2017 wohl zwischen 150 und 200 Millionen Euro von Bund und Ländern. Doch nützt das Geld sowohl Forschung als auch Lehre? Wir sprachen mit Rektor Bernhard Eitel über den Millionensegen. Fazit: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Das Gespräch führten Ziad-Emanuel Farag und Xiaolei Mu 

ruprecht: Herr Eitel, das Programm der Universität Heidelberg zur Exzellenzinitiative heißt „Realising the Potential of a Comprehensive University“. Was bedeutet das konkret?

Bernhard Eitel: Im 20. Jahrhundert haben sich die Disziplinen immer weiter ausdifferenziert. Das war verbunden mit einem enormen Fortschritt in den Wissenschaften, einhergehend mit der Ausbildung disziplinärer Expertise. Inzwischen stehen wir in der globalisierten Welt vor der zunehmenden Erkenntnis, dass die aktuellen Problemfelder zu komplex sind und nicht mehr von einer Disziplin allein angegangen werden können. Deshalb sehen wir das besondere Potential unserer Volluniversität darin, dass wir mit unserem breiten Fächerspektrum besonders gut in der Lage sind, disziplinäre Expertise über die Fächergrenzen hinweg auf die großen, globalen Fragen der Menschheit hin auszurichten und zu bündeln.

Meint Volluniversität auch einen Zusammenhang zwischen Lehre und Forschung?

Wir vertreten die Auffassung, dass Lehre und Forschung in der Universität Heidelberg zwei Seiten der gleichen Medaille sind. Lehre und Forschung oder forschungsorientierte Lehre gehören untrennbar zusammen. 

Warum ist die Exzellenzinitiative in der heutigen Zeit der Hochschulfinanzierung notwendig? Es gibt ja das alte Lied, die Hochschulen seien unterfinanziert?

Das hat zwei Aspekte: Zum einen bietet die Exzellenzinitiative für bestimmte Projekte die Möglichkeiten, neben der reinen Forschung auch gezielt Strukturen zu fördern, wie zum Beispiel die Internationalisierung der Universität. Auf der anderen Seite muss man sagen: Die Grundausstattung der Universitäten geht ständig zurück. Die Landesmittel werden nur im Zuge der Tariferhöhungen für die Landesstellen angehoben. Im Grunde heißt dies jedoch, dass die Mittel, die übrig bleiben und die man für Forschung und Lehre einsetzen kann, ständig allein schon durch die Inflationsrate sinken. Wir brauchen daher die Mittel aus der Exzellenzinitiative, um die Grundausstattung für Forschungsprojekte und den laufenden Betrieb überhaupt gewährleisten zu können. Ohne Drittmittel wäre es praktisch unmöglich, die Universität auf ihrem heutigen Leistungsstand zu halten. Insofern sind wir auf Gedeih und Verderb von der Forschungsaktivität abhängig.

Kann eine solche Abhängigkeit von Mitteln aus der Exzellenzinitiative nicht zu einer Einengung führen?

So sehe ich das nicht. Wir sind abhängig vom Geld, aber wir sind nicht abhängig vom Geldgeber. Das muss man völlig trennen. Das sind ja überwiegend öffentliche Mittel und wir beantragen sie für die von unseren Wissenschaftlern entwickelten Projekte. Diese legen wir selber fest. Das müssen natürlich gute, konkrete und inhaltlich begründete Projekte sein.

Heike Schmoll von der FAZ hat kritisiert, dass gerade die Spitzenforscher in letzter Zeit ihre Energie für das Verfassen von Anträgen verwenden mussten. Sie mussten auch Projekte konzipieren, die am Reißbrett mit absehbarem Erfolg planbar seien. Eine freie Grundlagenforschung sei so nicht mehr möglich, da deren Ergebnisse eigentlich nicht vorhersehbar sind. Was sagen sie dazu?

Wahr ist: Gerade die besten und aktivsten Wissenschaftler sind natürlich durch die Exzellenzinitiative, durch das Anträge schreiben und die Begutachtungen besonders stark eingespannt und gefordert gewesen. Hier berührt Frau Schmoll einen wichtigen Punkt. Daher sagen auch jetzt die meisten Universitäten: Wir wollen uns nicht schon wieder auf den nächsten Wettbewerb vorbereiten müssen. Es muss der Universität auch die Zeit gegeben werden, die Projekte umzusetzen, die sie plant. Wo Frau Schmoll aus meiner Sicht nicht Recht hat, das ist das, was sie als „Reißbrett“ formuliert; schablonenartige Projekte als Paradigma heutigen Forschens. Das stimmt so nicht, weil wir niemanden zwingen, Anträge zu stellen. Die Wissenschaftler sehen stattdessen eine Chance, Geld für die Umsetzung ihrer eigenen Ideen einzuwerben. 

Für die Projekte in der ExIni gibt es jetzt in den nächsten fünf Jahren eine Förderung. Danach muss aber im Zweifelsfall die Nachhaltigkeit von der Universität getragen werden. Wie wollen Sie damit umgehen, bei der defizitären Grundfinanzierung?

Das ist natürlich ein offenes Problem, das wir nach 2017 haben. In den kommenden Jahren wird es sicherlich eine Aufgabe sein, die Weiterführung zu verhandeln. Das wird mit Sicherheit sehr schwierig, weil das Finanzministerium jetzt bereits signalisiert, dass es praktisch kein Geld hat. Ich bin aber insofern optimistisch, weil eine Absichtserklärung des Landes als Kabinettsbeschluss bereits vorliegt. In dieser erklärt die Landesregierung, die jetzt erfolgreichen Projekte auch über 2017 hinaus fördern zu wollen.
 
In ihrem Antrag spielen die vier Fields of Focus (FoF) eine grundlegende Rolle. Grundlegend für diese sind die sogenannten Brückenprofessuren. Was genau kann man sich darunter vorstellen?

Unter einer Brückenprofessur verstehen wir eine Professur an der Universität Heidelberg, die aus dem Budget mehrerer Einheiten, wie zum Beispiel zweier Fächer in der Universität gemeinsam finanziert wird. Haben die Partner an einer Professur in einem bestimmten Querschnittsbereich ein gemeinsames Interesse, können sie gemeinsam eine Brückenprofessur einrichten.

Was bei den Brückenprofessuren auffällt: Es gibt für FoF 1 der Lebenswissenschaften über 50 Brückenprofessuren. Im FoF 3 der Geisteswissenschaften gibt es aber lediglich drei Brückenprofessuren. Wie erklären Sie sich das?

Das liegt daran, dass das FoF 1 gerade durch die Kooperation mit den außeruniversitären Einrichtungen das am weitesten etablierte Forschungsfeld ist. Ein weiterer Grund ist, dass sich die Lebenswissenschaften in der Verknüpfung in Form von Brückenprofessuren leichter tun. Allein die Fakultät Medizin in Heidelberg umfasst über 100 Professuren. Da gelingt es eher als in kleineren Fächer mit zwei oder drei Professuren, eine Professur aus dem Fach heraus auf ein Querschnittsfeld auszurichten.

Ein Kernstück ihres Antragkonzepts zur forschungsorientierten Lehre ist das Marsiliuskolleg. Professoren mit einem geregelten Einkommen, die dort mitwirken, werden von der regulären Lehre freigestellt. Der Ersatz wird über Lehraufträge gewährleistet, die in der Regel mit lediglich 800 Euro für das gesamte Semester vergütet werden. Wie sehen sie das?

Das Marsiliuskolleg ist nur ein kleiner Teil eines übergeordneten Problems. Schließlich loben Überseeuniversitäten Fellowships aus, durch die Wissenschaftler ein halbes oder ganzes Jahr im Ausland sind. Bezüglich des Marsiliuskollegs sehe ich aber die Problemlage auch. Was kann man dagegen tun? Zum einen haben wir die Aktivität der Dozenten beim Marsiliuskolleg in der Regel auf ein Semester begrenzt. Zum anderen wollen wir in Zukunft als Alternative zu den Lehraufträgen ähnliche fellowships ausloben, um die Lücken durch Lehre herausragender Gastprofessoren auf hohem Niveau zu schließen.

Wieso haben sie aber einem Projekt wie dem Marsiliuskolleg zugestimmt, wenn ihnen bereits vorab die Probleme bekannt waren?

Weil der Mehrwert höher ist. Die positiven Effekte des Marsiliuskollegs überwiegen die negativen, kollateralen Begleitumstände in den Instituten. Wir bekommen über das Marsiliuskolleg eine Vernetzung innerhalb der Universität und davon profitieren dann in den Marsiliusstudien auch die Studierenden. Die Studierenden können sich diese ergänzend zum Studium Generale als studienbegleitende Prüfungsleistungen anrechnen lassen.

Das Marsiliuskolleg ist aber keine flächendeckende Lösung für alle 29.000 Studierenden. Nach einem Lehr- und Lernkonzept der Universität, das umgesetzt werden soll, wird es in Lehrveranstaltungen und Prüfungen nicht mehr um Unmengen von Details gehen. Stattdessen sollen Studierende ihre Kompetenz in der Bearbeitung komplexer Forschungsfragen unter Beweis stellen. Wieso ist davon in diesem Antrag nicht die Rede?

Da muss man unterscheiden. Wir halten daran fest und begrüßen es, wenn die Fächer das Lehr-Lernkonzept umsetzen, aber das hat nichts mit dem Exzellenzantrag für Forschungsprojekte zu tun. Für Maßnahmen ausschließlich für Lehre gibt es kein Geld in der Exzellenzinitiative.

Dann noch eine Schlussfrage zur gesellschaftlichen Komponente des Exzellenz-Antrags: Im Bereich Schulforschung wurde eine Professur in zwei Lehrdozenturen umgewandelt. Diese können in der Folge nicht mehr forschen. Wieso wurde nun gerade in diesem gesellschaftlich so wichtigen Bereich der Bezug zwischen Forschung und Lehre geschwächt?

Vor vier Jahren bestand das Problem, dass sehr viele Lehramtskandidaten wie durch einen Flaschenhals durch die Bildungswissenschaften mussten. Die Frage war: Wie erhöhen wir das nicht ausreichende Lehrdeputat in den Bildungswissenschaften in einer Situation, in der wir nicht mehr Personal haben? Deshalb haben wir im Konsens den Weg eingeschlagen, eine Professur in zwei Hochschuldozenturen umzuwandeln, die in erster Linie lehren und nicht forschen.

Wieso konnte die Universität keine Mittel zur Verbindung zwischen Forschung und Lehre in diesem Bereich bereitstellen?

Dann hätten wir zusätzliche Professuren gebraucht und die haben wir nicht, das ist schlichter Mangel. 

Also auch ein schlichter Mangel an Leuten, die von der Universität berufen werden können?

Nein, schlichter Mangel an Stellen. Zur Zeit gilt: Wenn man an einer bestimmten Stelle eine Professur schafft, muss man sie woanders abbauen.

Herr Eitel, vielen Dank für das Gespräch.

 


Wofür gibt es Geld in der Exellenzinitiative?

Die Exzellenzinitiative besteht eigentlich aus drei Wettbewerben: Cluster, Graduiertenschulen und dem „Zukunftskonzept“. In diesem soll die Universität darstellen, wie und auf welche Themen sie ihre Forschung in den kommenden fünf Jahren ausrichten will. 

Um „Eliteuni“ zu heißen, muss eine Universität in allen drei Bereichen gewinnen. Cluster sind Einrichtungen, in denen circa 25 Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen an einem Komplex arbeiten wie „Asien und Europa im globalen Kontext“ in Heidelberg. In Graduiertenschulen werden die Doktoranden unter „hervorragender“ wissenschaftlicher Betreuung ausgebildet. 

Heidel­bergs Zukunftskonzept ist es, die fachliche Breite einer „Volluniversität“ für transdisziplinäre Forschung zu nutzen. Die verschiedenen Disziplinen sollen daher zur Erforschung weitreichender Fragen vernetzt werden. Hierfür werden die Fächer in vier Felder, Fields of Focus (FoF), gebündelt. Es gibt je ein FoF für die Natur-, Geistes, Verhaltens- und Lebenswissenschaften. Dies schlägt sich nieder in den „Brückenprofessuren“, die beispiels­­weise nicht einem, sondern mehreren Fächern angehören. 
Die Entscheidung über die 2,7 Mrd. Euro Fördermittel trifft der Bewilligungsausschuss. Dieser besteht aus 26 Wissenschaftlern­ und den 17 Wissenschaftsministern von Bund und Ländern.

   

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