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 Klecks und Klang
12.03.2013

Tocotronic rocken 500 Leute

Die Vorband floppt.

Tocotronic bei einem Live-Auftritt. / Foto: Mike Kaden. Lizenz: CC BY-SA 2.0 DE

Freitag, 8. März: Eine 500 Meter lange Schlange vom Eingang der "Halle 02" bis zur Straße. Das passiert, wenn Tocotronic nach Heidelberg kommen. Die Halle war trotz des happigen Preises von 30 Euro fast ausverkauft.

Die Band rockte die Zuhörer zu Lasten von melancholisch-balladigen Titeln wie "Mein Ruin". Mit der Songauswahl heizten sie dem Publikum kräftig ein: Es lechzte nach Zugaben, bis die Band sich mit einem erschöpften "Ciao" verabschiedete. Bevor jedoch Tocotronic brillierten, mussten die Zuschauer die skurrile Vorband "It's a musical" über sich ergehen lassen.

Hypnose statt Musical

Das Gebotene entpuppte sich als wenig musicaltauglich, war doch keine Spur von mitreißender Stimmgewalt zu hören. Dafür erklang eine einschläfernde Mischung aus wimmernden Kinderstimmen und dudelnden Synthesizer-Melodien. Die Frage "Are you getting warm?" wurde geflissentlich ignoriert. Die Aufforderung der Band, nun zu tanzen, auch.

Fehlende Abstimmung

Nach einer halben Stunde Dudelhypnose wurde das Publikum endlich durch Tocotronic erlöst. Die Band aus Hamburg und Berlin machte dabei keine halben Sachen: Mit ihrem durchweg rockigen Programm hätte sie alle problemlos wieder aufgeweckt. Lautstarker Jubel riss aber schon vorher jeden aus dem Tiefschlaf. Indietypisch sind nicht nur Lautstärke, Tempo und Melodie maßgeblich, sondern auch die Texte.

Es geht um das Verhältnis eines Individuums zu seiner sozialen Umgebung, gegossen in fetzige, elektrische Töne. Gerade da wäre es wichtig gewesen, die Texte auch verstehen zu können. Dies erschwerte jedoch besonders zu Beginn eine mangelhafte Abstimmung zwischen Mikrofon und Instrumenten.

Auf dem Pfad der Dämmerung

Die Musik hingegen überzeugte und Tocotronic spulten ihr rockigeres Programm souverän ab. Im Vordergrund stand zunächst die Live-Performance ihrer neuen Single "Auf dem Pfad der Dämmerung". In diesem langsameren, fröhlichen Lied geht es um die pure Freude, überkommene Konventionen zu brechen. Gepaart mit einer gestenreichen, ausdrucksstarken Darbietung vibrierte die Halle von der krachenden guten Laune. 

 

Dem gegenüber stand der Klassiker "Freiburg". Die Abkehr von der Gesellschaft wird hier auf ruhigere, aber latent aggressive Weise transportiert, wenn es heißt: "Ich weiß nicht, wieso ich Euch so hasse." Bei den dunklen, rauen Tönen bietet sich die perfekte Gelegenheit, den Alltagsfrust rauszulassen, die das Publikum singend, grölend und tanzend beim Schopfe packte.

Mit "Hi Freaks" verbreitete sich wieder andere Stimmung: Der flapsige deutsch-englische Text "Hi Freaks, look at me Autogramme vis à vis" ist einfach eine heitere ironische Solidaritätserklärung mit allen Außenseitern, getragen von hellen Tönen, und lockert wieder auf.

"Aber hier leben? Nein, danke!"  

Die Abkehr von der lockeren Heiterkeit stellte dann "Aber hier leben? Nein, danke!" dar. Der Song ist provokativ, stellt zur Schau, dass alle Annehmlichkeiten dieser Gesellschaft doch nicht zufrieden stellen. Er steht für Schnelllebigkeit und Exzess und wurde auch in der Halle entsprechend temporeich gespielt.

Diese Songauswahl stellt nur einen Ausschnitt dar, den Zuschauern wurde noch einige Lieder mehr geboten.Unter frenetischem Schreien gab die Band gleich fünf Zugaben. Die Zuschauer wollten sie dennoch nicht gehen lassen, sondern forderten weiter "Zugabe!". Vergeblich: Tocotronic sagten entkräftet "Ciao" und ließen sich kein weiteres Mal erweichen.

Unzufrieden war deshalb aber keiner, vielleicht auch in dem Wissen, dass Tocotronic wahrscheinlich nach Heidelberg zurückkehren werden. Nur dann sollte aber auch bei 30 Euro Eintritt die Darbietung der Vorband den Namen Musik verdienen.

von Ziad-Emanuel Farag
   

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