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 Wissenschaft
17.07.2007

„Arbeit muss keinen Spaß machen“

Der Psychologe Rainer Holm-Hadulla über Motivationsstörungen bei Studenten, ihre Ursachen und über Lösungsansätze

Fünf Fragen an den Leiter der Psycho-therapeutischen Beratungsstelle der Universität Heidelberg, Professor Rainer Holm-Hadulla.

Fragen zum Thema Prokrastination an den Leiter der Psychotherapeutischen Beratungsstelle der Universität Heidelberg, Prof. Rainer Holm-Hadulla.

Herr Holm-Hadulla, warum schiebt man wichtige Aufgaben auf?

Häufig sind mangelhafte Arbeitstechniken der Grund. Der Arbeitsalltag zwischen Arbeitszeit, Freizeit und Zwischenzeit ist schlecht strukturiert. Es fehlen Arbeitsrituale. Oftmals liegen falsche Werte zugrunde. Wer sagt: „Arbeit muss Spaß machen“, schränkt sich selbst ein, da Arbeit eben auch Anstrengung bedeutet. Jede produktive und kreative Leistung macht am Anfang keinen Spaß. Dieser kommt – wenn überhaupt – beim Tun. Kein Musiker, kein Schriftsteller vollbringt seine Arbeit nur mit einem Lächeln: Es ist immer Anstrengung dabei.

Ein dritter Grund für das Aufschiebeverhalten sind innere und äußere Konflikte. Protestverhalten fällt darunter – gegen die Eltern, die Professoren oder die Sache selbst. Bei inneren Konflikten kommt es zur Selbstblockade, etwa aus Angst vor Erfolg. Jede produktive oder kreative Leistung ist auch ein Stück Einsamkeit.

 

Welche tieferen Ursachen hat das Aufschieben?

Sie liegen häufig schon in der Schulzeit und oft auch in der frühen Kindheit. Die Arbeit der Erwachsenen ist eine Fortsetzung des kindlichen Spiels. Es kann sehr schön sein, sich in etwas zu vertiefen und in seiner Arbeit verloren zu gehen. Diesen Punkt erreicht man aber nur, wenn man gelernt hat, innere Widerstände zu überwinden. Bei Kindern sorgen die Eltern für die Einhaltung bestimmter Regeln. Erwachsene müssen das selbst übernehmen.

Auch die Medienverwahrlosung spielt eine Rolle – vor allem bei Jungen, die durch übermäßiges Computerspielen oder wahl- und sinnlosen Fernsehkonsum keine Arbeitsstrukturen erlernt haben.

 

Wie fühlen sich Menschen beim Aufschieben?

Vielen geht es sehr schlecht bis hin zur Suizidalität. Es ist ein graduelles Phänomen. Leichte Prokrastination hat jeder; schwere kann zum Scheitern des Lebens führen.

In Deutschland verlassen 25 Prozent der Studierenden die Universität ohne Abschluss. Darunter sind leider viele Aufschieber, die auf eine existentielle Weise scheitern.

 

Gibt es unterschiedliche Typen von Aufschiebern?

Prinzipiell handelt es sich um vier Typen: Die Perfektionisten, denen ihre Leistung nicht gut genug erscheint; die Instabilen, häufig kreative Typen, die einfach nicht stillsitzen können. Dann die große Gruppe der Verwöhnten, die Anstrengung nicht akzeptieren wollen und schließlich die schlichtweg Überforderten.

           

Muss man die Ursachen des Aufschiebens kennen, um etwas zu ändern?

Das komplexe Ursachenbündel muss nicht entschlüsselt werden. Im Gegenteil: Das Aufschlüsseln ist oft eine Methode, um weiter aufzuschieben. Wichtiger ist es, pragmatische Rituale zu bilden. Natürlich kann das Aufschieben auch durch komplexe psychische Störungen bedingt sein, die einer Behandlung bedürfen.

 

Welche Rolle spielt das Umfeld dabei?

Für intellektuelle Arbeit wird man häufig nicht direkt belohnt. Daher braucht man Menschen, die für Unterstützung sorgen und signalisieren, dass sich die Arbeit doch lohnt.

 

Wie können Betroffene das Problem der Prokrastination überwinden?

Zentral ist die Entwicklung klarer Arbeitsstrukturen. Außerdem sind realistische Zielvorstellungen hilfreich. Betroffene sollten sich von hinderlichen Werten verabschieden und akzeptieren, dass nicht alle Arbeit zu einer unmittelbaren Befriedigung führt. Um das zu ertragen helfen Rituale und Belohnungsmechanismen. Die Freizeitgestaltung ist genauso wichtig wie die Arbeit.

Außerdem halte ich deadlines für sehr wichtig. Sie motivieren dazu, gleich mit der Arbeit zu beginnen. Ebenso bedeutsam sind kreative Pausen, in denen man nichts tut. Das gibt dem Gehirn Gelegenheit zur Erholung sowie zum Speichern und Neu-Kombinieren erlernter Informationen.

von Sebastian Bühner
   

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