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 Wissenschaft
09.12.2008

Neues Prinzip: Tumorstammzellen

Auf schnellstem Wege von der Grundlagenforschung zum Patienten

In Rahmen des Biotechnologie-Clusters Rhein-Neckar wurde das Heidelberger Zentrum für Stammzellforschung HI-STEM gegründet. Wir trafen den Wissenschaftlichen Geschäftsführer Andreas Trumpp in seinem Büro und noch leeren Laboren.

Der Biotechnologie-Cluster Rhein-Neckar ist Sieger im Exzellenzcluster-Wettbewerb. In dessen Rahmen wurde das Heidelberger Zentrum für Stammzellforschung HI-STEM gegründet. Wir besuchten den Wissenschaftlichen Geschäftsführer Andreas Trumpp in seinem neuen Büro und noch leeren Laboren.

Noch dieses Jahr soll die Forschung in Professor Andreas Trumpps neuen Laboren am DKFZ losgehen. Alles scheint für die weitere Erforschung adulter Stammzellen bereit zu stehen, um die spannenden Fragen des neuen Konzepts der Tumorstammzellen zu klären.

Trumpps Forschergruppe untersucht vor allem Blutstammzellen. Eines ihrer jüngsten Ergebnisse ist die Entdeckung eines Zytokins, mit dessen Hilfe man die schlafenden Tumorstammzellen „wecken“ kann, um sie dann für Krebstherapien empfindlicher zu machen (siehe Infokasten).

Revolutionärer Wirkstoff hemmt Tumorzellen

Zuerst hat man das Tumorstammzell-Konzept Mitte der 90er Jahre an Leukämie-Patienten zeigen können. Das Medikament Gleevec, das von Novartis 2002 zur Behandlung von Chronischer Myeloischer Leukämie (CML) entwickelt wurde, revolutionierte die Behandlung von CML–Patienten. Der Wirkstoff hemmt nur Tumorzellen, nicht aber normale Zellen. Bei allen CML­­-Patienten, die das Medikament nehmen, bildet sich der Tumor zurück. Wenn man dieses allerdings absetzt, wächst der Tumor schnell wieder nach.

Die Erklärung des Konzepts ist einfach: Die wenigen ruhenden Krebsstammzellen im Tumor sind resistent gegenüber dem Wirkstoff und sobald keine Hemmung der Krebszellen mehr erfolgt, kann der Tumor wieder nachwachsen. Die Patienten sind also auf die lebenslange Einnahme des Medikamentes angewiesen. Um die Patienten dauerhaft heilen zu können, müsste man die Krebsstammzellen aus ihrem Ruhezustand wecken. Trumpp hofft, dass endgültige Heilung mit dem neu entdeckten Zytokin möglich sein wird.

Metastasen sind gefährlicher als Tumore

Das Konzept wird zwar immer noch heftig diskutiert, dennoch hat sich das Prinzip inzwischen weitgehend durchgesetzt. Diskutiert wurde das neue Konzept auch Ende Oktober am 5. Internationalen Heinrich-Behr-Symposium in Heidelberg.

Ein wichtiges Thema waren Pankreaskarzinome. Es zeigt sich nun, dass es von speziellen Krebsstammzellen getrieben wird, die sich gegenüber herkömmlichen Krebsmedikamenten resistent zeigen. Ein weiterer wichtiger Punkt war die Metastasierung. Es wurde schon lange vermutet, dass diese durch die Blutzirkulation erfolgen kann. Jetzt konnte an Brustkrebspatientinnen nachgewiesen werden, dass funktionelle Tumorstammzellen in der menschlichen Blutbahn zirkulieren.

Meistens ist nicht der Primärtumor das Gefährliche sondern die Metastasen. Gegen Primärtumore gibt es inzwischen recht wirksame Therapien. Diese stoßen jedoch schnell an ihre Grenzen, wenn bereits eine Metastasierung eingetreten ist. Daher ist auch die Früherkennung so wichtig.

Ein Ziel: die Insulin produzierende Zelle

Dass auch die Gesundheitsindustrie seit mehreren Jahren vehement dieses Thema aufgreift, zeigt, wie gut sich das neue Konzept mittlerweile durchsetzt. Die Stammzellforschung war, ist und wird weiterhin ein großer Schub für die gesamte Biomedizin sein. Biologische Grundlagenforschung und transnationale klinische Forschung lassen sich in diesem Feld hervorragend mit der Biotechnologie und großen Pharmakonzernen zusammenführen.

Aber es ist nicht nur der Krebs: Auch degenerative Krankheiten, wie zum Beispiel Diabetes mellitus, stehen im Mittelpunkt des Interesses der Stammzellforscher weltweit. Sie hoffen, dass es eines Tages möglich sein wird, dauerhaft Insulin produzierende Zellen in Diabetes-Patienten einsetzen zu können.

Welchen Beitrag wird HI-STEM dabei in Zukunft erbringen? Das Zentrum will die Ergebnisse aus Grundlagen- und klinischer Forschung bündeln und in Patenten sichern, um dieses Wissen in Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie rasch in neue Medikamente zu verwandeln.



Das Tumorstammzell-Konzept:

Früher dachte man, ein Tumor bestehe aus sich schnell und unkontrollierbar teilenden Krebszellen. Therapien wie die Chemotherapie zielten genau hierauf ab. Jüngste Forschungen haben aber gezeigt, dass Krebszelle nicht gleich Krebszelle ist, sondern Tumore heterogene Gebilde sind.

Ganz oben in der Hierarchie befinden sich die Krebsstammzellen, die über das Wachstum des Tumors entscheiden und sich nur selten teilen. Die Hauptmasse des Tumors bilden die sich schnell teilenden differenzierteren Krebszellen. Tötet man mit einer speziellen Therapie diese sich schnell vermehrenden Zellen, so schrumpft der Tumor, was das eigentliche Problem allerdings nicht löst: Die wenigen Krebsstammzellen sind resistent und können den Tumor neu bilden.

Eine auf Dauer heilende Therapie muss sich daher gegen die Krebsstammzellen richten (siehe Grafik). Die zukünftige Herausforderung besteht nun darin, einen Weg zu finden, die ruhenden, sich selten teilenden Krebsstammzellen gezielt zu töten.



Interview mit HI-STEM-Leiter Professor Andreas Trumpp

von Anikó Udvarhelyi
   

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