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Interview
05.05.2008
Vom Labor in die Zeitschrift „Nature“-Chefredakteur Philip Campbell über gründlichen Journalismus Das Magazin in der Forschergemeinde zu den angesehensten. Seine Ergebnisse hier zu publizieren ist ein internationaler Ritterschlag. Campbells Redakteure entscheiden dabei über Forscherkarrieren. Was für Aufgaben und Verantwortungen haben Sie als Chefredakteur von Nature? Zuallererst muss ich dafür sorgen, dass „Nature“ eine hohe Qualität und Genauigkeit besitzt, da unsere Leserschaft die kritischste auf der Welt ist. Ich lege auch Wert auf einen starken Effekt. Es gibt Leute, die den Effekt einer wissenschaftlichen Arbeit anhand der Zitierhäufigkeit messen. Damit meine ich, dass das Verständnis der Menschen darüber, wie diese Welt funktioniert, signifikant vertieft wurde.
Die Redaktion besteht aus 85 Leuten, davon etwa 60 in London. Der Rest verteilt sich auf die USA, das restliche Europa und einige Leuten in Tokyo. Ich bin Teil einer viel größeren Firma, der “Nature publishing group”. Einige haben die Hauptaufgabe, wissenschaftliche Arbeiten auszusuchen, die veröffentlicht werden. Die besitzen Forschungserfahrung, und sind zum Beispiel Postdocs. Sie haben die Fähigkeit, wissenschaftliche Arbeiten aus benachbarten Themengebieten sehr schnell aufzunehmen. Außerdem sitzen sie nicht nur vor dem Schreibtisch. Sie reisen, besuchen Labore, nehmen an Konferenzen teil und haben dadurch einen guten Überblick. Die anderen beiden Berufsfelder sind Journalisten und Redakteure. Wer bei uns im journalistischen Bereich arbeitet, hat einen wissenschaftlichen Hintergrund, ebenso wie die Redakteure, die Artikel schreiben. Deren Fähigkeit ist es, komplizierte schwer verständlich Tatsachen, in etwas Lesbares zu verwandeln. Sie müssen vor allem wissenschaftlich korrekt sein. Unsere Journalisten sind Leute, die sich absolut darüber im Klaren sind, was sie nicht wissen. Wenn sie etwas nicht wissen, dann recherchieren sie es nach. Sie werden also nicht einfach raten oder so tun, als ob sie Bescheid wüssten und dann irgendwas schreiben. Darauf bestehen wir sehr nachdrücklich, denn wenn man Fakten in Nature falsch darstellt, egal in welchem Bereich, dann bekommen wir einen Brief - wahrscheinlich eher fünfzig. Eine weitere Anforderung, ist für mich sogar noch wichtiger: Originalität. Wir versuchen immer, die von uns veröffentlichten Papers, den Journalismus sowie unsere Kommentare originell zu gestalten. Das ist eine schwierige Aufgabe und es gibt Wochen, an denen man nicht viel davon sieht. Das kommt drauf an. Jedes Paper kann auch einem Bereich kommen, mit dem wir noch nicht konfrontiert wurden, so dass wir auf uns allein gestellt neue Gutachter finden müssen. In anderen Bereichen wissen wir sehr gut, an wen wir uns wenden können. Oft ist das der Leiter einer Forschungsgruppe. Den bitten wir dann um einige Namen seiner Postdocs. Dabei bevorzugen wir junge Leute, die näher an der richtigen Forschungsarbeit stehen. Letztes Jahr haben wir viel Arbeit darin investiert, den “Zustand des Planeten” in seiner Ganzheit darzustellen und daraus eine Serie über neue Energieressourcen gemacht. Macht uns das zu etwas Besonderem? Ich weiß es nicht, aber ich persönlich fand sie gut und es gab sehr gute Kommentare dazu. Eine andere gute veröffentlichte Geschichte war ein Artikel über kognitive Leistungssteigerung und Substanzen, die dafür benutzt werden. Der war komplett unsere eigene Initiative und sorgte für sehr viel Diskussion im Internet und in den Medien. Das war ungewöhnlich und ich versuche immer, Leute einzustellen, die Kreativität besitzen. Wir versuchen immer die Zeitspanne möglichst kurz zu halten, weil unter den Wissenschaftlern starke Konkurrenz herrscht und verschiedene Forscher zeitgleich ähnliche Themen bearbeiten. Im Durchschnitt dauert es etwa drei bis vier Monate, bis die Arbeit gedruckt wird. Wir versuchen aber die Zeitspanne zwischen Annahme und Online-Publikation weiter zu verkürzen. Wenn es dann online ist, dann ist das die Veröffentlichung. Das kann eine Woche dauern, meistens aber sind es drei bis vier Wochen. Sobald eine Arbeit kommt, schauen wir sie uns an und entscheiden anschließend, ob wir sie zu einem Gutachter schicken. An diesem Punkt schicken wir mehr als die Hälfte der Arbeiten bereits zurück, weshalb wir jede Woche eine Menge Leute enttäuschen. Die Gutachter verfassen eine Analyse der Arbeit und dürfen auch die Wichtigkeit kommentieren, aber letztendlich treffen wir die Entscheidung, ob es wichtig ist oder nicht. Wie gesagt ist es unser erklärtes Ziel, originelle Ideen zu entdecken. Das ist allerdings sehr schwierig. Was dabei wichtig ist, ist eine sehr subjektive Frage. Sowohl Gutachter als auch Redakteure können da sehr konservativ sein. Wir diskutieren oft darüber und ich versuche, da die entsprechenden Redakteuren zu überzeugen. Im Großen und Ganzen bin ich mir über die Qualität der Dinge, die wir veröffentlichen, sehr sicher. Weniger sicher bin ich mir bei den Dingen, die wir ablehnen. Mir ist klar, dass wir einige sehr gute und wichtige Paper abgelehnt haben. Es gibt sogar ein sehr berühmtes Beispiel, nämlich eine Veröffentlichung von Enrico Fermi. Dabei ging es um die theoretische Analyse einer bestimmten Art des radioaktiven Zerfalls. Viele Gutachter würden diese Arbeit nicht machen, wenn man sie identifizieren könnten. Wenn ein Gutachter den Autor und die Herkunft des Papers nicht kennt, es strittig ist, ob er wirklich die bestmöglichen Fragen über die Arbeit stellt, dann ist es unsere Aufgabe die Fairness zu wahren. Es ist besser, so viel wie möglich zu wissen, wenn man ein Gutachten schreibt. Eine kürzlich erschienene Studie hat ergeben, dass viele in der wissenschaftlichen Gemeinschaft eine anonyme Autorenschaft für besser hält. Andere Journale haben die Autorenanonymität ausprobiert. Sie haben es aber aufgegeben, weil es viele Autoren selbst nicht wollten und viele Gutachter bereits dem Lesen des Papers den Autor herausfinden konnten. Warum sich also die Mühe machen? Nein, obwohl sich das natürlich langfristig ändern könnte: Wenn die nächste Forscher-Generation nachrückt, ist es möglich, dass Leute teilnehmen, die mit offeneren Formen der Kommunikation vertraut sind. Ich halte PLOS [Public Library Of Science] für ein sehr interessantes Experiment: Nicht die Abonnenten, sondern die Autoren zahlen für die Veröffentlichung. Und weil der Autor zahlt, kann man die Arbeit sofort frei zugänglich machen. Um das in Journals mit hoher Qualität umzusetzen, muss man aber viele Leute einstellen: Gute, hochqualifizierte Redakteure, Veröffentlichungs- und Produktions-Software-Spezialisten und so weiter. Das ist ein teures Geschäft. Um die Kosten zu decken, muss man also viele Autoren haben und jedem davon viel bezahlen. Ich glaube, dass dieser freie Zugang finanziell nicht tragbar wäre und bislang deuten die Zeichen tatsächlich darauf hin. Es ist ein Modell mit Potenzial, aber es wird wohl nicht funktionieren, weil es nicht genügend Wissenschaftler gibt, denen es wichtig genug ist. Die Leserschaft unserer gedruckten Magazine beträgt 65.000. Online hingegen lesen uns jeden Monat drei Millionen Menschen. Die Mehrheit davon sind Forscher. Es gibt aber eine sehr signifikante Minderheit, die keine Forscher sind. Ich gehe aber davon aus, dass diese irgendeine Art von wissenschaftlicher Ausbildung haben. Das können Leute von der Regierung, der Industrie oder anderen Berufsfeldern sein, die bestimmte Zusammenhänge verstehen müssen oder einfach generell an Wissenschaft interessiert sind. Wenn man sich die wirklich brisanten Diskussionen über eine bestimmte Wissenschaft oder Technologie anschaut, Diskussionen die gesellschaftswirksam sind, sei es über Umweltfragen oder Ethik: Die Öffentlichkeit, die sich wirklich damit beschäftigt, lernt die Sprache der Forscher und liest die Veröffentlichungen. Die Öffentlichkeit hat die Pflicht die Wissenschaft zu verstehen oder es wenigstens zu versuchen. Und es gibt tatsächlich viele, die das tun. Es gab eine Ausgabe, die zu der Zeit herauskam, als Spanien sein universitäres System begutachtete. Darin kritisierten wir das spanische System und warfen ihm Nepotismus vor. Das löste eine Diskussion genau zum richtigen Zeitpunkt aus. Warten wir ab. Wir sprechen zwar generell nicht darüber, aber ich kann so viel sagen, dass auch für nature die Online-Veröffentlichungen immer wichtiger werden. Aber meine Verleger und ich werden definitiv auch die Printausgabe behalten. |