05.06.2010
Südafrika – ein Fußballmärchen?
Warum die Weltmeisterschaft 2010 nicht für alle ein Segen ist
Am 11. Juni ist Anstoß zur Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Viel wurde im Vorfeld über die Eignung Südafrikas als Austragungsort diskutiert. Es gab Klagen über die zu teure Anreise, die zu schlechte Infrastruktur und zu wenig Stadien.
Am 11. Juni ist Anstoß zur Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Viel wurde im Vorfeld über die Eignung Südafrikas als Austragungsort diskutiert. Es gab Klagen über die zu teure Anreise, die zu schlechte Infrastruktur und zu wenig Stadien.
Von Manuela Peitz aus Kapstadt, Südafrika
Vor allem Deutschland und andere europäische Länder sind skeptisch, ob die erste WM auf afrikanischem Boden ein Erfolg wird. Dabei ist Südafrika im afrikanischen Vergleich eines der stabilsten Länder. Bereits im März konnte man in Kapstadt einen Eindruck davon bekommen, wie sich Südafrika auf das Turnier vorbereitet.
Geht man durch die Straßen, sind an jeder Ecke die Vorbereitungen auf die Fußballweltmeisterschaft erkennbar. Überall hingen bereits drei Monate vor dem Anstoß Fahnen und Werbeanzeigen der Sponsoren. Gleich am Flughafen begrüßt einen das WM-Maskottchen „Zakumi“, das stark an den deutschen „Goleo“ erinnert. Man soll gleich bei der Ankunft auf das größte Event aufmerksam gemacht werden, das Kapstadt bisher erlebt haben soll. Das sagen zumindest die Veranstalter.
Neben den Werbebannern erinnern die zahlreichen Baustellen in der Stadt täglich an das bevorstehende Ereignis. Der Flughafen ist zwar größtenteils fertiggestellt, allerdings herrscht nun aufgrund des neuen Straßenverlaufs vor dem neuen Terminal regelmäßig Verkehrschaos. „In Kapstadt scheinen alle Projekte pünktlich fertig zu werden, auch wenn es mancherorts noch chaotisch ausschaut“, meint Warda Salvester, Journalistin aus Kapstadt. „So ist Südafrika nun einmal. Viele Südafrikaner sind allerdings beleidigt, dass die Europäer so wenig Vertrauen in unser Zeitmanagement setzen“, fügt sie hinzu.
Die allgemeine Vorfreude hält sich bei den Bewohnern Kapstadts allerdings sehr in Grenzen. Zum einen findet das Turnier mitten im südafrikanischen Winter statt. Zu einer Jahreszeit, in der die Menschen aufgrund der „furchtbaren Kälte“ bei Temperaturen um die 15 Grad ohnehin schlecht gelaunt sind. Was wir immer noch als frühlingshaft warm bezeichnen würden, lässt die Bewohner Südafrikas bibbern und ihre Mützen und Schals herauskramen.
Zum zweiten wissen die meisten Südafrikaner um die schlechte Form ihrer „Bafana Bafana“, was in der Landessprache Xhosa soviel wie „die Jungs“ heißt. Die meisten setzen keine großen Hoffnungen in das Team von Trainer Carlos Alberto Parreira. Bisher hat auch der südafrikanische Präsident Jacob Zuma daran nichts geändert. Dieser hatte Anfang März noch ankündigt, dass die südafrikanische Nationalmannschaft Weltmeister werden würde. Allein wegen dieser Aussage ihres Präsidenten wollen viele nicht an einen Sieg ihres Teams glauben. Das liegt auch daran, dass man Zumas Partei „African National Congress“ in Kapstadt eher kritisch gegenüber steht. Ganz im Gegensatz zum Rest des Landes, das Zumas Partei größtenteils unterstützt.
Außerdem empfinden viele die Investitionen für die WM als zu teuer. Sie würden das Geld lieber anderweitig verwenden. Trotz allem freuen sich die Bewohner Kapstadts auf das Fußballfest. Sie sind stolz, dass ihr Land den Zuschlag erhalten hat. Doch für den ganzen Rummel haben sie nicht viel übrig. Viele Kapstädter fürchten zudem die Touristenströme und das bevorstehende Verkehrschaos. „Ein Problem vieler WM-Touristen wird die schlechte öffentliche Anbindung zum Flughafen sein“, meint Salvester.
Das imposante Stadion in Green Point, direkt am atlantischen Ozean gebaut, kostete umgerechnet 280 Millionen Euro. Lediglich acht WM-Spiele werden dort stattfinden, keines davon wird ein Topspiel sein. Nach der WM ist geplant, einen Teil des Stadions wieder abzureißen, da es für normale Veranstaltungen in Kapstadt viel zu groß ist.
Die Ticketpreise sind oft auch so hoch, dass sie sich ein durchschnittlicher afrikanischer Arbeiter nicht leisten kann. Die Mehrheit der Bewohner Kapstadts lebt in den Townships. Sie werden die WM kaum wahrnehmen, geschweige denn von ihr profitieren. Ebenso werden die meisten WM-Touristen wohl keinen Blick auf die andere Seite Kapstadts werfen – auch wenn die Strecke vom Flughafen in die Stadt entlang der Cape Flats einen fast dazu zwingt.
Dabei sind die Südafrikaner durchaus fußballbegeistert: In Khayelitsha, dem größten Township der Stadt, sieht man viele Kinder Fußball spielen und in den Trikots ihrer Idole herumlaufen. Meist sind diese allerdings keine afrikanischen Fußballer. Hier verfolgt man offensichtlich eher die europäische Champions League.
Will man ein sportbegeistertes Kapstadt erleben, dann sollte man ein Rugby-Spiel besuchen. Ich wurde zu einem der Topspiele mitgenommen und konnte erleben, wie ausgelassen die Südafrikaner ihre Stars feiern und wie man von der Euphorie im Stadion mitgerissen wird, auch wenn man weder Spieler noch Regeln kennt. Dagegen sehen deutsche Fans meist blass aus.
Natürlich erhofft sich Südafrika Einnahmen aus dem WM-Tourismus. Es besteht die Hoffnung, dass neue Arbeitsplätze entstehen und bestehen bleiben. Allein Kapstadt hat viel Geld in den Ausbau des Flughafens, des Bahnnetzes, der Straßen und in das neue Stadion am Green Point investiert. Bei einer Arbeitslosenquote von rund 25 Prozent – die niedrigste aller afrikanischen Länder – ist die Hoffnung auf solche WM-Gewinne verständlicherweise groß.
Die Hoffnungen könnten berechtigt sein: So hat die britsche TV-Gesellschaft BBC Kapstadt als Hauptquartier ihrer Übertragungen auserkoren. Die Gründe liegen neben der vergleichsweise geringen Kriminalitätsrate auch in der schönen Landschaft, der Küste zweier Ozeane und dem beeindruckenden Tafelberg. Kapstadt liefert ein ambivalentes Bild der Erwartungen der Menschen an die Fußball-Weltmeisterschaft in ihrem Land.
Regierung und Bevölkerung wollen, dass die Weltmeisterschaft ein Erfolg wird und Südafrika sich von seiner besten Seite zeigt. Doch das Interesse der meisten Südafrikaner an der Veranstaltung selbst hält sich sehr in Grenzen.