09.11.2010
Geringere Arbeitslast
Doch weniger Zeitaufwand beim Bachelor
Eine Studie der Uni Hamburg hat die Studierbarkeit von Bachelor-Studiengängen untersucht. Anders Demnach beträgt die wöchentliche Arbeitslast nur 26 Stunden. Dass viele Studenten ihr Studium dennoch als stressig empfinden, liege an der Struktur der Studiengänge.
Eine Studie der Uni Hamburg hat die Studierbarkeit von Bachelor-Studiengängen untersucht. Anders Demnach beträgt die wöchentliche Arbeitslast nur 26 Stunden. Dass viele Studenten ihr Studium dennoch als stressig empfinden, liege an der Struktur der Studiengänge.
Im Mai dieses Jahres erschien die Zeitlast-Studie unter der Leitung von Professor Rolf Schulmeister der Uni Hamburg. Ziel der Studie war, die „Studierbarkeit“ des Bachelors zu untersuchen. Studierbarkeit beinhaltet demnach neben der Arbeitsbelastung auch die Studienstruktur und die Organisation der Lehre. Dazu wurden 121 Probanden in sechs Studiengängen – darunter ein Diplomstudiengang – beauftragt, ein Semester lang täglich ihren Tagesablauf und Zeitaufwand für Studium und Job in einem detaillierten Online-Tagebuch festzuhalten. Die befragten Studiengänge waren Kultur-, Erziehungs- und Kommunikationswissenschaften sowie Mechatronik.
Schulmeister hält die Studie für repräsentativ, da die Studierenden nicht ihren ungefähren Zeitaufwand eingeschätzt, sondern minutiös jede Tätigkeit aufgeschrieben haben. Dadurch entsteht ein genaues Bild davon, wie viel Zeit die Probanden tatsächlich investiert haben: Der Zeitaufwand für das Studium beträgt pro Woche durchschnittlich 26 Stunden, inklusive Selbststudium und Jobben.
Der Studie zufolge seien sich die meisten Studenten gar nicht darüber im Klaren, wie wenig Zeit sie für ihr Studium aufwenden. Trotzdem halten viele ihren Alltag für stressig. Der Grund für das Auseinanderklaffen von subjektivem Empfinden und tatsächlicher Arbeitszeit ist nach Schulmeister in der bisherigen Struktur des Bachelor-Systems zu finden, die ein effizientes und kontinuierliches Lernen behindere.
Der Umfang der einzelnen Module sei oftmals so knapp bemessen, dass diese nicht genügend Veranstaltungen zu thematischen Einheiten zusammenfassten. Weil die Studierenden deshalb viele verschiedene Module belegten, um die nötigen Leistungspunkte zu erreichen, seien sie jede Woche häufigen Themenwechseln ausgesetzt.
Außerdem entstünden kleine Pausen zwischen Veranstaltungen, die nicht genutzt werden könnten. Im Gegensatz zur Zeitlast-Studie, die von einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 22 Stunden ausgeht, legt die 19. Sozialerhebung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung andere Zahlen vor.
Die Erhebung kam zu dem Ergebnis, dass der wöchentliche Arbeitsaufwand im Jahr 2009 bei 34 Stunden lag. Das sind wöchentlich 12 Stunden mehr Studienbelastung als in der Zeitlast-Studie. Für die Erhebung wurden rückwirkend 16.000 Studenten befragt, wie viel Zeit sie wöchentlich für Präsenz, Selbststudium und Job aufwenden.
Wie lässt sich der Unterschied zwischen der Zeitlast-Studie und der Sozialerhebung bezüglich der Arbeitsbelastung der Studenten erklären? Wenden Studenten tatsächlich so wenig Zeit für ihr Studium auf? Zwar erfasst die Sozialerhebung ungleich mehr Studenten als die Zeitlast-Studie, wodurch der Eindruck entsteht, dass sie aussagekräftiger ist. Allerdings geht sie in ihrer Datenerhebung gröber vor und befragt die Studenten, wie sie selbst ihre Arbeitsbelastung einschätzen.
Die detaillierten Instrumente zur Datenerhebung, wie das Online-Tagebuch der Zeitlast-Studie, messen die nominelle Arbeitsleistung. Die Sozialerhebung hält vor allem die subjektiv empfundene Arbeitsbelastung fest. Die Zeitlast-Studie stößt deshalb auf ein Auseinanderklaffen von subjektivem Empfinden und tatsächlicher Arbeitszeit.
Den Hauptgrund für die verzerrte Wahrnehmung der Arbeitsbelastung sieht Schulmeister in der unzureichenden Umsetzung der Bologna- Vorgaben. Denen zufolge sollen Module zusammenhängende Lerneinheiten darstellen. Besonders in den Geisteswissenschaften seien die Module inhaltlich so eng konzipiert, dass viele Module belegt werden müssen, um genügend Leistungspunkte zu erhalten. So hätten die Studenten es jede Woche mit vielen verschiedenen Themeneinheiten zu tun, die nicht miteinander verbunden seien. Schulmeister schlägt deshalb vor, Module mit mindestens zehn Leistungspunkten einzuführen.
Ein weiteres Manko in der Organisation des Bachelorstudiums sei die fehlende Rückbindung des Selbststudiums an die Veranstaltungen. Anders als in Diplomstudiengängen werden Leistungspunkte für das Selbststudium vergeben, die Studenten erführen dabei jedoch keine Betreuung durch die Lehrenden. Die fehlende Unterstützung eines Selbststudiums und die vielen Prüfungen am Ende des Semesters begünstigen das so genannte „Bulimie-Lernen“.
Mit einer kontinuierlichen Überprüfung des Selbststudiums aber könnten Alternativen zur Prüfung am Ende des Semesters angeboten werden und so die Prüfungslast entzerrt werden. Die Bologna-Vorgaben seien zum Teil auch an der Lebensrealität der Studenten vorbeigeplant. So werde von einer Arbeitsbelastung von 40 Stunden pro Woche ausgegangen. Diese Vorgaben könnten aber nur Vollzeitstudierende erfüllen, die während des Semesters nicht arbeiten müssen. Laut Sozialerhebung waren 2009 66 Prozent der Studenten erwerbstätig. Eine 40-Stunden-Woche ist aber oft nicht mit einem Nebenjob vereinbar.
Im Gegensatz zu Diplomstudiengängen gibt es im Bachelor kein Grundstudium. Ab dem ersten Semester zählt jede Note in die Endnote. Gerade das erste Semester sollte dazu da sein, sich wissenschaftliches Arbeiten anzueignen. Stattdessen werden bereits Fähigkeiten bewertet, die Studenten erst im Laufe des Grundstudiums erlernen. Natürlich hängt ein erfolgreiches Studium nicht nur von den Rahmenbedingungen ab, sondern vor allem von Motivation und Disziplin der Studierenden.
Durch eine unzureichende Umsetzung der Bologna-Vorgaben wird aber dem Ziel der Reform, die Effizienz des Lernens zu steigern, geradezu entgegengewirkt. In den untersuchten Studiengängen soll diese Fehlentwicklung durch eine Umstellung der Lehrpläne rückgängig gemacht werden.
Inwieweit dies gelingt, bleibt abzuwarten.
von Fiona Byrne, Gina Fuhrich, Max Meyer