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Feuilleton
21.01.2011
Die konservativen Wilderer Warum CDU und CSU die neuen Populisten am stärksten fürchten Vor wenigen Tagen scheiterte der erste Parteitag der neuen islamkritischen Partei „Die Freiheit“. Was in anderen europäischen Ländern funktioniert scheitert seit Jahren in Deutschland: eine erfolgreiche Partei rechts der Union zu gründen. Vorerst. Vor wenigen Tagen scheiterte der erste Parteitag der neuen islamkritischen Partei „Die Freiheit“. Was in anderen europäischen Ländern funktioniert scheitert seit Jahren in Deutschland: Eine erfolgreiche Partei rechts der Union zu gründen. Vorerst. Seit Thilo Sarrazins Bestseller erschien „Deutschland schafft sich ab“ kocht die Volksseele. Bis zu 20 Prozent der deutschen Wähler können sich vorstellen eine Partei rechts der CDU/CSU zu wählen. Das sorgt gerade die Union, denn die hat schon seit längerem ein Problem mit ihrer konservativen Wählerschaft. Die fühlt sich dort nicht mehr heimisch. Selbst in Bayern erreichte die letzte konservative Volkspartei CSU keine Mehrheit mehr. Das erklärt auch den Versuch von CSU-Chef Horst Seehofer vor wenigen Wochen öffentlichkeitswirksam auf „Überforderung“ durch „fremde Kulturkreise“ hinzuweisen. Eine durchsichtige und viel zu späte Reaktion auf Thilo Sarrazins Erfolg, der im August mit seinen strukturkonservativen Thesen mehrere Monate lang die Schlagzeilen beherrschte. Bei der Union herrschte währenddessen lange Funkstille. Unterstützung für Sarrazin gab es wenn. nur vereinzelt. Zwar zeigte Kanzlerin Angela Merkel mildes Verständnis für Sarrazins Thesen, betonte aber zugleich die „Weltoffenheit Deutschlands“. Viel zu spät reagierte Seehofer in typischer CSU-Manier. Seine Überforderungs-Kampagne zielte klar auf konservative Wählerschichten. Seit Roland Koch als letzter namhafter Konservativer die Union verließ, hat die Partei keine konservative Integrationsfigur mehr. Die Gefahr, dass diese Wähler nun zu einer breiter aufgestellten rechtskonservativen – also islamkritischen – Partei abwandern könnten, ist da. Die Union weiß zwar schon lange, dass diese Wähler massiv abwandern, allerdings nicht "Konkurrenz", sondern sie gehen überwiegend nicht mehr zu Wahl. Bislang reichte das nicht aus, um sich der Themen Ausländer und Migration verstärkt anzunehmen. Denn das gilt in der Union als politisches Minenfeld. Das hatte zuletzt Roland Koch bei der hessischen Landtagswahl im Januar 2008 schmerzvoll erfahren. Seine Kampagne gegen angeblich überbordende Ausländerkriminalität kostete ihn beinahe sein Amt. Allein die vier SPD-Gegner einer von den Linken tolerierten rot-grünen Landesregierung retteten ihm das Amt. Überfordert ist vor allem auch die Union selbst: Wenn sich bis zu 20 Prozent der Wähler vorstellen können eine islamkritische Partei zu wählen, sind dies vor allem potenzielle Unionswähler, die die Christdemokraten offenbar derzeit nicht mehr binden können. Eine deutsche Geert-Wilders-Partei, oder gar ein „Drittes Lager“ wie es mit FPÖ und BZÖ in Österreich existiert, wäre der GAU für die Union. Obwohl Sarrazin eingetragener Sozialdemokrat ist, ist die SPD keine neue Heimat für „kulturüberforderte“ Wähler. Die „Multikulti“-Grünen sind für diese Klientel ohnehin das erklärte Feindbild. Zwar warnte einst auch Oskar Lafontaine vor den Fremden, jedoch ging es bei ihm um osteuropäische Billigarbeiter, nicht die deutsche Kultur. Die liberale FDP kann Zuwanderung kaum als „kulturelles“ Problem kritisieren. Ihr bliebe ein Rechtsruck, wie es Jörg Haider in Österreich tat, als er in den 1980er die liberale FPÖ in eine erfolgreiche rechtspopulistische Partei umbaute. Versuche weniger nationalliberaler FDPler, eine deutsche FPÖ zu werden, wurden bereits vor 20 Jahren im Keim erstickt. Die Republikaner, NPD, DVU oder die Pro-Bewegungen sind für konservative Kulturpessimisten wegen oft allzu brauner Gesinnung keine Alternative. Zwar schafften es die Republikaner mit ausländerfeindlichen Parolen in den 1990ern mehrmals in deutsche Landtage, in Baden-Württemberg sogar zweimal in Folge, aber blieben politisch isoliert und bedeutungslos. 2001 schaffte es der Hamburger Richter Ronald Schill mit seiner Partei Rechtsstaatliche Offensive als erste populistische Partei Teil einer Regierungskoalition zu werden. Zwei Jahre später hatte sich die Partei jedoch wieder selbst zerlegt. Einer neuen rechten Partei fehlt die bürgerliche Integrationsfigur. Die Letzte halbwegs taugliche war der Journalist Franz Schönhuber, der die CSU-Abspaltung „Republikaner“ zu einigen regionalen Erfolgen führte. Von 1992 bis 2001 saß diese Partei im Stuttgarter Landtag – und hatte 10,9 und 9,1 Prozent der Stimmen erreicht. Eine Wirkung wie Jörg Haider in Österreich oder Geert Wilders in den Niederlanden, erreichte Schönhuber allerdings nie. Doch die Gefahr bleibt. Zwar hat Sarrazin noch keine eigene Partei gegründet und betont bislang stets, das auch nicht vorzuhaben. Doch er hat Zuwanderung und Kulturkampf als politisches Thema so populär gemacht wie kein deutscher Politiker vor ihm – und das nicht nur bei Konservativen. Nicht nur „Rechte“ kaufen Sarrazins Buch und finden seine Thesen „einleuchtend“ – die „islamkritische“ Masse durchzieht beinahe alle Milieus. Die größte Angst der Union ist, dass ein rechter Rattenfänger eine stabile Partei gründen und Unionswählern eine dauerhafte Alternative bieten könnte. |