26.06.2011
Bloß kein Geld ans Rektorat!
Germanisten befürchten Nachteile bei Kompensation der Studiengebühren
Während die Studenten sich freuen, dass es bald keine Studiengebühren mehr gibt, sorgen sich die Institute um ihre finanzielle Autonomie. Sie fürchten, dass die Ausgleichszahlungen für die Gebühren vom Land direkt an das Rektorat gehen und die Geisteswissenschaften weniger erhalten.
Professor Helmuth Kiesel vom Germanistischen Seminar ist ein Gebührenfan aus ganz pragmatischen Gründen: Vor den Gebühren musste das Seminar 10 der 30 Lehrenden entlassen. So sah es der Solidarpakt mit der damaligen schwarz-gelben Landesregierung vor, der Personalkürzungen im Gegenzug für zehn Jahre Etatstabilität vereinbarte. Weniger Lehrende betreuten nun die gleiche Anzahl von Studenten. Die Folge: Seminare mit bis zu 60 Teilnehmern und die allgemeine Arbeitsbelastung stieg.
Für das Germanistische Seminar war es ein Segen, als zum Sommersemester 2007 die Studiengebühren eingeführt wurden. Plötzlich gab es wieder Geld, dazu noch welches, über das es selbst verfügen konnte.
Die Entscheidungen über die Verwendung der Studiengebühren fällten Studierende und Professoren gemeinsam.
So konnte die Basislehre wieder verbessert werden, 13 neue Stellen wurden geschaffen. „Die neuen Mitarbeiter waren junge, hoch motivierte, glänzend ausgebildete, innovative Leute“, sagt Ex-Dekan Kiesel. Ihre neuen Ideen und Schwerpunkte ermöglichten es, die Lehre maßgeblich zu verbreitern und auch außerhalb des Kanons und dabei berufsnäher zu unterrichten. So habe man beispielsweise neue Fachbereiche wie etwa Literaturkritik, Literatur, Medizin, Psychologie und sogar Jiddisch einbinden können.
Aus Sicht von Kiesel war auch die Mitbestimmung der Studierenden in der Studiengebührenkommission eine sehr wertvolle Neuerung. Die Fachschaft sieht dies kritischer, tatsächlich seien ihre Befugnisse deutlich geringer gewesen als zunächst gedacht. Immerhin seien die Wünsche der Zahlenden nur berücksichtigt worden, wenn es den Professoren gepasst habe. In einem Punkt sind sich beide Parteien dennoch einig: Insgesamt konnte die Lehre am Germanistischen Seminar deutlich verbessert werden.
Diese Erfolge stehen nun auf der Kippe. Die Frage lautet: Was geschieht, wenn die Studiengebühren abgeschafft werden? Kiesel fürchtet ähnliche Zustände im Seminar wie in den Jahren vor Einführung der Gebühren, als nur das Nötigste finanziert werden konnte.
Alle Stellen, die bisher aus Studiengebühren finanziert wurden, sind derzeit gefährdet. Schon bei den ersten Gerüchten über eine Abschaffung der Gebühren wollte die Verwaltung die „neuen“ Verträge, die Ende September 2011 auslaufen sollten, nicht mehr verlängern. Jetzt, da klar ist, dass es im Wintersemester die Gelder noch geben wird, wurden die Verträge bis Ende Februar verlängert.
Bis dahin wird alles bleiben wie bisher – noch muss auf kein Seminar verzichtet werden. Auch die neu konzipierte Einführungsvorlesung wird im Wintersemester noch einmal angeboten werden. Wie es danach weitergehen wird, hängt stark davon ab, wie die Kompensationszahlungen aussehen werden.
Auch wenn die grün-rote Koalition versprochen hat, die Gebührenausfälle zu kompensieren, fürchtet Kiesel, dass die Landesmittel zentral vom Rektorat verteilt werden. Die große Sorge ist, dass das Geld nicht mehr dorthin geht, wo die Studierenden sind, sondern dorthin, wo die Ausstattung am teuersten ist: ins Neuenheimer Feld.
Auch Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat er schon auf das Problem angesprochen. Sie hatte zunächst vor, den Hochschulen weitgehend freie Hand bei der Gebührenvergabe zu lassen. Bauer versprach nun, diese Problematik in den Grundregeln der neuen Verteilung zu berücksichtigen.
Kiesel hofft, dass die Mittel wie bisher verteilt werden, damit die gemeinsam erzielten Verbesserungen erhalten bleiben.
Leserbrief: Germanistik: Kritik ist unerwüscht
von Reinhard Lask und Claudia Pollok