27.06.2011
Versöhnung nicht ausgeschlossen
Heidelberger Studie weckt Hoffnung auf friedliche Konfliktlösungen
Foto: Dieter SchĂŒtz / pixelio.de
Auch im Krieg gibt es gute Nachrichten. Das zeigen Heidelberger Wissenschaftler. Mit einer Studie haben sie die Wirksamkeit von friedenspÀdagogischen Projekten in Krisenregionen untersucht. Das Ergebnis weckt Hoffnungen: Friedensbildung macht einen Unterschied.
Theaterspielen in Afghanistan, Friedensseminare in Israel und Menschenrechtserziehung im Sudan â es gibt viele Projekte, mit denen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen versuchen, den friedlichen Austausch zwischen Konfliktgruppen zu fördern. Jedes Jahr flieĂen Millionen von Geldern in sogenannte friedenspĂ€dagogische Programme. Die Theorie dahinter lautet: Man kann Menschen zum Frieden erziehen.
âUm menschliche Interaktion friedlicher zu machen, mĂŒssen wir in unseren Köpfen etwas Ă€ndernâ, erklĂ€rt Alamara Karimi, Dozentin am Heidelberger Institut fĂŒr Bildungswissenschaft (IBW). Dort beschĂ€ftigt sie sich seit einigen Jahren mit möglichen MaĂnahmen zur Förderung eines friedlichen Miteinanders in Konflikt- und Krisenregionen. âMan muss an den Punkt gelangen, dass man sagt: Ich definiere den anderen zwar als Feind, doch wir haben die gleichen BedĂŒrfnisse.â
Wissenschaftler des IBW haben unter der Leitung von Volker Lenhart mit einer Studie genauer untersucht, was in den Köpfen von Menschen in KonfliktlÀndern vorgeht. Denn damit, ob die Theorie der FriedenspÀdagogik in der Praxis aufgeht, haben sich bisher nur wenige beschÀftigt. Doch die von der Deutschen Stiftung Friedensforschung geförderte Studie belegt: Teilnehmer friedenspÀdagogischer Programme zeigen eine deutlich höhere Bereitschaft zur friedlichen Konfliktlösung als Personen, die nicht an solchen Projekten teilgenommen haben.
Ăber einen Forschungszeitraum von 18 Monaten hat das fĂŒnfköpfige Team rund 1600 Personen zwischen zehn und 77 Jahren in Afghanistan, Bosnien-Herzegowina, Israel/PalĂ€s-tina, Kolumbien, Nordirland, Sri Lanka und dem Sudan befragt. In dem fĂŒnfseitigen Fragebogen gaben diese unter anderem Auskunft darĂŒber, ob die Verpflichtung zu Gewaltlosigkeit ein Zeichen von SchwĂ€che sei oder ob Friedensverhandlungen so lange andauern sollten, bis eine Lösung erzielt werde. Das Ergebnis der Befragung war eindeutig: âFriedenspĂ€dagogik ist nicht umsonstâ, freut sich Karimi ĂŒber den signifikanten Einstellungsunterschied, der sich zwischen den Experimental- und Kontrollgruppen feststellen lieĂ.
Dabei zeigte sich ferner, dass Frauen zwar skeptischer gegenĂŒber ihrer jeweiligen Konfliktgruppe seien, sie jedoch eher zu einer friedlichen Konfliktlösung tendierten als MĂ€nner. Auch das Alter spiele eine Rolle. Gerade Ă€ltere MĂ€nner hĂ€tten eine wesentlich negativere Einstellung zu feindlichen Gruppen als jĂŒngere. Zudem ergibt die Studie, dass ein groĂzĂŒgiges Budget kein Garant fĂŒr erfolgreiche Friedensarbeit sei. Auch kleinere Projekte können positive Resultate hervorbringen.
Ein Ergebnis ĂŒberrascht hingegen besonders: âWir haben mit einem Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Friedfertigkeit gerechnetâ, so Karimi. Dieser konnte in der Mehrheit der LĂ€nder jedoch nicht festgestellt werden. Die Ausnahme macht Israel/PalĂ€stina. Hier wurde entgegen der Erwartungen ein negativer Zusammenhang ermittelt. âJe gebildeter die Menschen waren, desto weniger tendierten sie dazu, Konflikte friedfertig zu lösen.â
Mit den Ergebnissen der Studie mĂŒsse man jedoch behutsam umgehen und sie vorsichtig interpretieren, betont Karimi. Zwar habe man nach ZusammenhĂ€ngen zwischen der Teilnahme von friedenspĂ€dagogischen Projekten und den Einstellungen von Personen in KonfliktlĂ€ndern gesucht. Kausale ZusammenhĂ€nge waren jedoch aufgrund der Methodik nicht Forschungsgegenstand der Studie. Um genauer herauszufinden, weshalb die Teilnehmer der untersuchten Programme friedfertiger sind, mĂŒssten weitere Forschungen angestellt werden.
von Annika Kasties