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Weltweit
30.05.2011
Ein Märchen wird bar Die königliche Hochzeit kurbelt die britische Wirtschaft an - und schweißt zudem das Volk zusammen
Den 29. April 2011 erklärte man in Großbritannien zum nationalen Feiertag und zelebrierte das seit Monaten vorbereitete royale Großereignis: die Hochzeit von Prinz William und Catherine Middleton.
Die Stimmung ist zum Zerreißen gespannt. Eine gespenstische Ruhe liegt über dem Heer wartender Menschen. Dann endlich zeigen sich der Prinz und seine Braut, treten auf den in festliches Purpur gehüllten Balkon hinaus und geben sich den vom Publikum sehnsüchtig erwarteten Kuss. Auf einen Schlag entlädt sich die immense Anspannung. Der überwältigend tosende Jubel bricht wie eine Welle über mir zusammen. So ausgelassen erlebt man das für seine Biederkeit und Zurückhaltung bekannte englische Volk selten. Dieser märchenhafte Moment lässt uns für eine Weile in eine fremde Welt eintauchen. Die Realität hingegen zeichnet ein anderes Bild. Das britische Empire steckt nach der Finanzkrise 2008 und 2009 den teuren Rettungsaktionen der angeschlagenen Banken in der schwersten ökonomischen Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Die konservativ-liberale Regierung unter Premierminister David Cameron versucht den Haushalt durch strenge Sparmaßnahmen, Steuererhöhungen und den Abbau von 500.000 Jobs im öffentlichen Dienst zu sanieren. Obwohl die Königsfamilie die Hochzeit an sich selbst ausrichtet, zahlt der Steuerzahler für dieses Großereignis: Allein der Polizeieinsatz soll bis zu 23 Millionen Euro kosten. Hinzu kommen die Kosten für Müllentsorgung und Reinigung, der Spuren von knapp einer Million Gäste, die Hochzeit live vor Ort erlebt haben. Das Londoner Fremdenverkehrsamt bestätigt, was man hier auf den Straßen mit eigenen Augen beobachten kann: Die Monarchie ist noch immer die wichtigste Attraktion für ausländische Touristen.
Neben den immensen Gewinnen der Händler hat die königliche Eheschließung einen weiteren deutlich spürbaren Mehrwert, gerade für die heterogene Bevölkerung der Hauptstadt: ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das die Einwohner Londons bislang nicht gekannt haben.
Miri Tchriprout ist sieben Jahre alt und besucht eine Schule nicht weit vom Elternhaus entfernt. Hier wird jedes religiöse Fest, ob Ostern, Pessach oder Ramadan, mit allen Schülern gefeiert. Am ersten Tag nach dem Ende des Fastenmonats Ramadan haben alle schulfrei - selbst Miri, die Jüdin ist. „Da so viel Wert auf das Zurschaustellen der Multikulturalität gelegt wird, verlieren wir etwas immens Wichtiges aus dem Blick: unsere Gemeinsamkeiten. Und das ist in erster Linie, dass wir alle, die in diesem Land leben, Engländer sind." Auch die Union Flag sehe man selten. Sie werde in den Straßen nur zu besonderen Anlässen gehisst. "Manchmal haben wir das Gefühl, eine Art Nationalstolz zur Schau zu stellen ist regelrecht verboten", kritisiert Avi. Das hängt auch heute noch mit der Rolle des "British Empire" in der Zeit der Kolonialisierung zusammen. Dabei sind das doch längst vergangene Zeiten! Deshalb finden wir Tage wie heute so wichtig: Weil alle Briten gemeinsam, egal woher sie stammen oder welchen Glauben sie haben, feiern können, stolz sein können und ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln.“ |