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 Heidelberg
19.06.2012

Ein Albtraum in Lila

„Hässlichste Orte Heidelbergs“ (1) - Der Bismarckplatz

Sogar die Tauben versuchen der Tristesse des Platzes zu entkommen. / Foto: Michael Graupner

Heidelberg gilt weltweit als Inbegriff der deutschen Romantik, als eine der schönsten Städte Deutschland. Doch der Schein trĂĽgt, denn auch hier gibt es BausĂĽnden, BetonwĂĽsten und andere hässliche Orte. Der ruprecht stellt euch die schlimmsten Orte in einer neuen Serie vor.

Er hätte sich wohl keinen symbolträchtigeren Ort aussuchen können, seine Notdurft zu verrichten. Noch nicht einmal ein rücksichtsvoller Blick auf die herumstehenden Passanten gelingt ihm. Nach nur wenigen Sekunden ist das Denkmal des ehemaligen Reichskanzlers um eine fragwürdige Dekoration reicher. Doch von Schamgefühlen keine Spur. Stattdessen lässt sich der mit einem schwarzen Fell bedeckte Pinscher für seine eben verrichtete Tat auch noch beglückwünschen.

Die Büste des Otto von Bismarck hat in der Vergangenheit womöglich schon viele solcher Schmähungen über sich ergehen lassen müssen. Inmitten von laut quietschenden Straßenbahnen und einer großen Grünfläche wirkt sie einsam und verlassen. Einzig ein paar Touristen trauen sich auf das gefährlich anmutende Gras und schießen ein Pflichtfoto. Dann geht es aber auch sofort weiter in Richtung Hauptstraße.

Als Tor zur „längsten Fußgängerzone Europas“ wurde der Bismarckplatz Mitte der 80er Jahre in der Ära des damaligen Bürgermeisters Zundel umgestaltet. Dieser war ein Verfechter einer „modernen Architektur“ und ist für manches fragwürdige Bauwerk verantwortlich.

„Ich will hier weg“, schreit das kleine Mädchen und lässt ihren Müsliriegel zu Boden fallen. Sofort stürzen sich ein Dutzend Tauben auf ihn, was das Mädchen zu einem noch größeren Schrei veranlasst. Warum sie ihre Abneigung gegenüber dem Platz so lautstark verkünden muss, ist nicht unbedingt ersichtlich. Mit ihrem violetten Rock passt sie durchaus in das farbliche Ensemble des Bismarckplatzes. Ein biederes Lila dominiert den Platz. Bänke, Fahrkartenautomaten, Mülleimer, Straßenlaternen, sogar der Hundekotbeutelspender – alle tragen die Farbe widerwillig. Doch statt dem Platz durch eine einheitliche Farbgebung ein lebhaftes Aussehen zu verleihen, wird eher noch seine Tristesse betont. Eine fast schon depressive Stimmung wird hervorgerufen.

Ein weiteres durchgehendes Motiv sind die achteckigen – natürlich lila gefärbten – Waben, die mal einzeln, mal zusammenhängend unter anderem von der Polizei und einem Kiosk genutzt werden. Einige bieten auch Sitzmöglichkeiten für wartende Passanten. Doch statt eines süßlichen Honigduftes dringt in den meisten Waben nur ein fauliger Alkoholgestank in die Nasen, welcher das Warten auf die nächste Bahn eher zu einer Qual, denn zu einem Genuss machen lässt.

Und auch das heimliche Wahrzeichen des Bismarckplatzes kann derzeit nicht zur allgemeinen Heiterkeit beitragen: Frost und Kälte haben an der Spaghetti-Säule einige Wunden hinterlassen, die immer noch geheilt werden müssen. Aber ihre Leidenszeit soll in den nächsten Wochen ein Ende haben. Die des Otto von Bismarck wohl eher nicht. (mgr)

von Michael Graupner
   

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