Dies ist ein Archiv der ruprecht-Webseiten, wie sie bis zum 12.10.2013 bestanden. Die aktuelle Seite findet sich auf https://www.ruprecht.de

ruprecht-Logo Banner
ruprecht/Schlagloch-doppelkeks-Jubiläum
Am 13.10. feiern wir 25 Jahre ruprecht/Schlagloch und 10 Jahre doppelkeks [...mehr]
ruprecht auf Facebook
Der aktuelle ruprecht
ruprecht vor 10 Jahren
Andere Studizeitungen
ruprechts Liste von Studierendenzeitungen im deutschsprachigen Raum
ruprecht-RSS
ruprecht-Nachrichten per RSS-Feed
 Heidelberg
28.01.2013

BrĂŒcke der Verdammnis

„HĂ€sslichste Orte Heidelbergs“ (5) – Die CzernybrĂŒcke

Sollte man bei dieser Aussicht nicht lieber wieder umkehren? / Foto: Corinna Lenz.

Die wahrhaft hĂ€sslichste BrĂŒcke Heidelbergs lĂ€sst keinen schönen Ausblick zu, weder auf Bergheim noch auf die Bahnstadt.

In den angrenzenden Wohngebieten freuen sich die Anwohner, dass „immer was los“ ist. Familiendramen, Diebstahl, RaubĂŒberfĂ€lle – all dies ließe sich wunderbar von und auf den Balkonen beobachten. Da ist es doch gar nicht so schlimm, wenn Sonntagabend der Fernseher streikt und man den Tatort verpasst.

Erleben kann man hier was, selbst ohne Blick auf die Umgebung. Die LebensqualitĂ€t innerhalb der Wohnungen lĂ€sst zu wĂŒnschen ĂŒbrig. Ab und zu wĂŒrde auch mal Wasser von der Decke kommen, „aber da bezahlt man den Preis fĂŒr das Erlebnis eben mit“. Sehr praktisch sei auch, dass „man eben mal nen Joint um die Ecke bekommt“. Ein Wunder, dass RTL oder RTL2 noch nie hier gewesen sind.

Auch fĂŒr „Fight Club“ hĂ€tte dieser Ort eine wunderbare Szenerie hergegeben. Bloß ein bisschen bunter: Aus dem Ostblockgrau stechen barbierosa HĂ€user hervor, die sich neben simpsonsgelbe und disneyblaue Bauwerken reihen.

Der clownsbunte Toys‘R‘Us daneben versucht das Ganze noch zu toppen. Dabei wirkt er wie eine betrunkene Dame, die in einem drei Nummern zu kleinem Kleid auf einer Beerdigung Aufsehen erregt. Nicht nur optisch wirkt der Spielzeugladen fehl am Platz: Ein Kinderparadies mitten in einem sozialen Brennpunkt? Nicht einmal Kinder wĂŒrden ihre Eltern anflehen, dort hinzugehen.

Die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln suggeriert Fremden, dass sie dem Czernyring lieber fern bleiben sollten. Lediglich die Straßenbahn-Linie 22 fĂ€hrt durch, hinweg zum nicht minder hĂ€sslichen Pfaffengrund. DafĂŒr lohnte es sich sicherlich, das ohnehin breite Straßenbild noch zusĂ€tzlich mit einem Gleis in der Mitte zu zerteilen und noch breiter zu machen. Nur den Römerkreis zu durchqueren dauert lĂ€nger.

Aber das scheint gar nicht schlimm zu sein: FußgĂ€nger sind hier ohnehin nicht zu sehen, eignet sich die CzernybrĂŒcke fĂŒr einen romantischen Spaziergang doch mehr schlecht als recht. Die Einsamkeit dieses Stadtgebiets lĂ€sst das Flair einer einsamen Stadt im wilden Westen anmuten: Fast könnte man annehmen, dass BĂŒsche durch die Straßen rollen. 

Kein Wunder, zu Fuß ist man hier lieber nicht unterwegs. Der Passant spielt dann entweder unfreiwillig die Hauptrolle in einer Reality-TV-Krimi-Serie oder wird von einem Auto ĂŒberrollt. Letzteres steht schließlich auf Platz drei der Todesursachen im Czernyring, nach dem „goldenen Schuss“ und Mord- und Totschlag.

Der Ausblick von der CzernybrĂŒcke auf eine der ganz und gar nicht schönsten Bahnstrecken Deutschlands lĂ€dt nicht, wie auf der Alten BrĂŒcke zum SchwĂ€rmen, sondern eher zum Suizid ein. Ein Sturz von der BrĂŒcke hinab auf die Bahngleise dĂŒrfte ein sicherer Plan fĂŒr den Freitod sein.

von Corinna Lenz
   

Archiv Heidelberg 2024 | 2023 | 2022 | 2021 | 2020 | 2019 | 2018 | 2017 | 2016 | 2015 | 2014 | 2013 | 2012 | 2011 | 2010 | 2009 | 2008 | 2007 | 2006 | 2005 | 2004