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 Wissenschaft
15.07.2013

Dark angel, lend me thy light

Satanistische Rockmusik – Kulturkonservatismus oder Provokation?

Von Satanisten gern benutzt: Ziegenkopf und Pentagramm. / Grafik: Dominik Waibel.

Die Festival-Saison ist in vollem Gange. Wacken ist wieder komplett ausverkauft. 75.000 Menschen werden in diesem Jahr zu Liedern wie "Ich bin ein wahrer Satan" von ASP ihre MĂ€hnen schĂŒtteln. Tausende Eltern beten fĂŒr das Seelenheil ihrer abtrĂŒnnigen Kinder. Vielleicht auch nicht.

Doch Rettung naht: Der Heidelberger Anglist Peter Paul Schnierer hat sich dem Thema angenommen und vor Kurzem seine Forschungsergebnisse unter dem Titel "Satanistische Rockmusik und Ă€sthetische Tradition" im neu aufgemachten Forschungsmagazin der UniversitĂ€t Heidelberg veröffentlicht. Das Thema der aktuellen Ausgabe ist "Himmel und Hölle". Wissenschaftler aus verschiedensten Disziplinen prĂ€sentieren ihren Blickpunkt auf das Thema – vom Theologen bis zum Physiker. Neben dem höllischen Bezug inspirierte Professor Schnierer sein Interesse an grenzwertiger, experimenteller Literatur und außergewöhnlicher Musik, die nicht bloß das immergleiche Radiogedudel rezitiert. Das trifft auf den "Höllenrock" definitiv zu: Er experimentiert bewusst mit AtonalitĂ€t, schrillem Gesang, sowie ohrenbetĂ€ubendem Screamo, um die Zuhörer wachzurĂŒtteln. 

Aber was hat das alles mit Literatur zu tun? Viele Interpreten bedienen sich bei der Zusammenstellung ihrer Liedtexte altbekannten Materials, wie Gedichten und Sagen. Diese werden neu interpretiert. Andere Songschreiber produzieren selbst Texte, die als Sammelband neben keiner Gedichtsammlung verblassen mĂŒssten. Die ÜbergĂ€nge zwischen Literatur und Musik sind also fließend. 

Skandalmusiker wollen schockieren und auf MissstĂ€nde hinweisen. Mit ihrer alternativen Musik wollen sie das System kritisieren und Alternativen aufzeigen. So jedenfalls die weitlĂ€ufige Annahme. Durch den vielfĂ€ltigen RĂŒckbezug auf etabliertes, wenn auch teilweise vergessenes Kulturgut erhĂ€lt dieses Streben einen seltsamen Beigeschmack. Die RĂŒckbesinnung auf traditionelle Volksweisen erscheint konservativ vor dem Anspruch auf Weiterentwicklung, Erneuerung und VerĂ€nderung. Wer genau hinhört, erkennt hinter unverstĂ€ndlichem Geschrei unter UmstĂ€nden das verhasste Gedicht aus Schulzeiten, dessen Inhalt nur im neuen Kontext, eingebettet zwischen harten E-Gitarren-Soli, schwarzen T-Shirts und wehenden Haaren, seine ganze Wirkung entfaltet.

Sind die selbsternannten Satanisten gescheitert? VerlĂ€uft ihre Rebellion sich im Sande vergangener Kulturleistungen? MĂŒssten sie nicht origineller sein, um wirklich zu schockieren? Sollten sie nicht aktuelle, reale Grausamkeiten wie Kinderpornographie im Internet, Organhandel et cetera besingen? Vielleicht. Andererseits leben wir in einer Gesellschaft, die zu viel gesehen hat, um sich leicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Und wer will schon außerhalb der Nachrichten mit modernen Kriegsverbrechen konfrontiert werden? Da ist es allemal schöner, wenn man sich wenigstens beim Musikhören in entspanntere Zeiten versetzen lassen kann. Zeiten, in denen im Kriegsfall noch zu Pferde in die Schlacht geritten wurde, man feindliche Köpfe noch von Hand abschlagen musste und das Böse in Gestalt des Teufels dingfest zu machen war.

von Josie Kerstan
   

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