ruprecht Nr. 43 in kleinen Häppchen


Titel


Meinung


Hochschule


Heidelberg


Kultur


Sport


Verschiedenes


Die Letzte


Titel


Vertrieben aus der Alma Mater

Mit dem einstmals renommierten Slavischen Institut geht es bergab

Nur neun Prozent schaffen den Abschluß. Eine Professur ist seit knapp zwei Jahren unbesetzt, weswegen die Studenten durch halb Deutschland fahren müssen, um ihre Scheine machen zu können. Zusätzlich wird das Studium erschwert, indem die Bibliothek in den Ferien über lange Zeiträume hinweg geschlossen bleibt, die Zuständigkeit der Lektoren aufgrund peinlicher Küngeleien beschnitten wird, das Lehrangebot allzu einseitig ist, etc. Der Institutsleiter hat die Alleinherrschaft und nutzt sie oftmals tyrannisch: Das Slavische Institut.

Für einigen Aufruhr sorgten die verheerenden Zustände im Slavischen Institut erstmals im Februar, als im Uni-Spiegel eine erschreckende Zahl veröffentlicht worden war: Nur vier Prozent der Heidelberger Slavisten machen einen Abschluß. Nachdem dies selbst in überregionalen Zeitungen aufgegriffen wurde, gelangten die neu ermittelten Zahlen, die leider auch nur 9% Absolventen ergeben hatten, nicht mehr an die Öffentlichkeit.

Wie konnte es mit diesem Institut, das vor Jahren noch als eines der besten Slavischen Institute in Deutschland galt, so weit kommen?

Der Mittelbau der Slavisten schweigt dazu. Auf die Frage, wie sie sich die erstaunlich geringe Absolventenzahl erkläre, weicht eine Dozentin erst ängstlich aus, mit der Begründung, sie sei zu Aussagen über das Institut leider nicht befugt. Dann äußert sie Allgemeinplätze: Viele Studenten seien keine Philologen, würden das erst zu spät registrieren, hätten die außerordentlichen Schwierigkeiten des Faches unterschätzt... Andere sind noch schweigsamer: Erst nach Absprache mit Professor Dr. Baldur Panzer, dem Institutsleiter, sei eine Unterredung möglich.

Dieses Schweigen spricht Bände. Es ist symptomatisch für die Zustände am Institut. Selbst Studierende geben nur mit der ausdrücklichen Bitte Auskunft, sie auf keinen Fall namentlich zu erwähnen. Grund all dieser Ängste ist der schon erwähnte Leiter des Instituts. Er hat als einziger C4-Professor eine geradezu absolutistische Stellung am Institut. Auch sein Kollege, Professor Gerigk, mag ihm keinen Widerstand bieten: Teils wohl aus Opportunitätsgründen, teils weil er nur eine C3-Professur innehat und ohnehin zur Hälfte bei der vergleichenden Literaturwissenschaft ist. Die dritte Professorenstelle ist seit zwei Jahren unbesetzt.

Das Alle haben unter Panzers uneingeschränkter Macht zu leiden. Der gegängelte Mittelbau, der beispielsweise nicht einmal Schlüssel für die Bibliothek erhält, und die Studenten, die von Herrn Panzer "als Feinde angesehen werden", wie eine Studentin erklärte. Die Fachschaft wurde von Professor Panzer erfolgreich aus seinem Institut verbannt, nachdem sie in ihrer dreivierteljährigen Existenz erfolglos um ein Schwarzes Brett gerungen und schließlich aufgegeben hatte.

Das einseitige Lehrangebot orientiert sich mehr an den Interessen des Institutsleiters - dessen wissenschaftliche Kompetenz übrigens hervorragend und unbestritten ist - als an den Bedürfnissen der Studierenden. In manchen Bereichen, in denen Pflichtscheine gemacht werden müssen, werden keine Seminare angeboten. Der Dekan der Neuphilologischen Fakultät, Professor Dr. Wilhelm Kühlmann, weiß um die Sorgen der Slavisten: Nicht zuletzt deshalb solle aus der oben genannten vakanten ehemaligen C3-Professur eine C4 werden; so sei die Alleinherrschaft des Institutsleiters gebrochen und zumindest ein Minimum an demokratischen Spielregeln gewährleistet.

Doch es wäre verfehlt, Professor Panzer die Schuld an allem zuzuschieben. Gerade in Sachen der unbesetzten Professur, die seit dem Weggang Professor Potthoffs nach Bonn am 1. August 1994 unbesetzt ist, hat Herr Panzer sich sehr bemüht. Zwar hat das Ministerium aufgrund der allgemein mißlichen Finanzlage die Order erlassen, jede frei gewordene Stelle mindestens ein halbes Jahr unbesetzt zu lassen. Doch daß eine dermaßen wichtige Stelle so lange vakant bleibt, ist äußerst bemerkenswert. Da die von Professor Potthoff einst vertretenen Bereiche prüfungsrelevant sind, müssen ihm die Studenten nun teilweise nach Bonn nachreisen oder nach Mannheim ausweichen. Ein Slavistikstudent berichtet gar von einer "massiven Abstimmung mit den Füßen": Studenten würden entweder das Fach ganz aufgeben oder die Universität wechseln. Die Studienortwechsler gehörten, so der Student, "meist zu den besseren Studenten".

Wer nun die Verantwortung für die unbesetzte Professur hat, ist kaum auszumachen. Dekanat und Professor Panzer glauben, daß das Ministerium die Besetzung so lange hinausgezögert habe. Die Gründe dafür lägen auf der Hand: Sparmaßnahmen. Doch auch das Rektorat zeigte wenig Einsatz für das gebeutelte Institut. Schließlich verabschiedete die Fakultät im Mai diesen Jahres ein Memorandum an Rektor Ulmer und das Ministerium, in dem es auf den unhaltbaren Zustand bei den Slavisten verwies. Es hatte immerhin den Erfolg, daß der Dekan mehrmals zu Gesprächen ins Rektorat eingeladen worden ist. Doch selbst vom letzten Gespräch weiß Dekan Kühlmann nichts Neues zu berichten: "Alles wurde erörtert, jedoch nichts beschlossen." Eines sei jedoch klar: Die Zusammenarbeit mit den Mannheimer Slavisten müsse enger werden. Die Lösung jedenfalls gehe nicht an Mannheim vorbei, da eine Ausstattung allein mit den eigenen Ressourcen keinesfalls befriedigend sein werde.

Es erhebt sich die Frage, ob Heidelberg zuletzt zugunsten von Mannheim zurückstecken muß. Dort war eine vakante Stelle bei den Slavisten schnell und ohne Komplikationen wieder besetzt worden. Eine Slavistikstudentin meint dazu: "Das Heidelberger Institut wird finanziell rücksichtslos ausgeblutet. Es ist eines der Institute, die auf der Abschußliste stehen."

Interessant an der ganzen Geschichte ist auch, daß die unbesetzte Professur und die offensichtliche Benachteiligung des Slavistischen Institutes symptomatisch ist für Zustände und Tendenzen an der gesamten Universität - und nicht nur an der Heidelberger. Kleine, "unproduktive" Institute sollen zugunsten größerer, leistungsfähigerer, wirschaftsrelevanterer Institute eingeschränkt werden. In dieses Konzept paßt auch die neueste Idee Rektor Ulmers, gewisse Institute gezielt zu fördern; die florierenden Institute sollten dann ihrerseits zur Profilierung der Universität dienen. (siehe auch S. 2) Was diese Profilierungspläne für Tausende Studierende an dafür ungeeigneten Instituten bedeutet, läßt sich leicht ausrechnen.

Sozialdarwinismus ist angesagt: "Survival of the fittest." Wie fit ist das Slavistische Institut? Wie lange wird es diese Zustände aushalten? Dekan Kühlmann verkündete in Sachen unbesetzter Professur optimistisch: "Der Kanzler und das Rektorat sind wild entschlossen, die Angelegenheit zu lösen." Nach zwei Jahren. Immerhin. (hee)


Schlachtfest

Es wird ernst mit den Kürzungen im Uni-Haushalt - und es geht ans Eingemachte

Dieser Artikel wird noch fortgeschrieben und findet sich daher im ruprecht aktuell.

Schon wieder: G'wählt ist

10.000 Flugblätter für 1000 Seelen

Etwas hat sie also doch genutzt, die Papierschlacht, die sich RCDS und Fachschaftskonferenz vor den diesjährigen Uni-Wahlen geliefert haben. Fast tausend Studierende gingen dieses Mal zusätzlich zur Wahl; die Wahlbeteiligung der Studierenden ist um die Hälfte (von 8,9 Prozent auf 12,8 Prozent) geklettert - ein Ergebnis, das in Heidelberg schon seit 1989, als 16,3 % der Studierenden zu den Urnen gingen, nicht mehr erreicht wurde.

Es hatte auch - zum ersten Mal wieder seit Jahren - einen richtigen Wahlkampf gegeben. Zumindest wer in der letzten Woche vor den Wahlen in die Mensa ging, wurde reichlich mit Flugblättern, Broschüren und Plakaten eingedeckt. Allerdings waren es vor allem zwei Kontrahenten, die sich mit Flugblättern, Gegenflugblättern und Gegengegenflugblättern bekriegten: der RCDS und die Fachschaftskonferenz. Die Liberale Hochschulgruppe verteilte, obwohl zum ersten Mal seit drei Jahren wieder angetreten, nur wenig Propaganda. Noch mehr hielten sich die Jusos und der Rote Splitter zurück. Von der Freiheit der Andersdenkenden war überhaupt nur im offiziellen Wahlinfo zu lesen.

Beim Endergebnis ist dann eigentlich fast alles beim alten geblieben: Die FSK hat mit 13 von 17 Sitzen wieder eine erdrückende Mehrheit im "AStA" (der sich aus den sieben studentischen Vertretern und deren Stellvertretern im Großen Senat und den drei Studierenden im Senat zusammensetzt). Dies werden die FachschafterInnen wieder - wie seit sieben Jahren - genüßlich dazu nutzen, das Gremium genau einmal tagen zu lassen und die Entscheidungsfindung dann in die wöchentliche Fachschaftskonferenz selbst zu verlagern.

Allerdings haben die Fachschafter jetzt alle drei Sitze im Senat, dem wichtigsten Gremium der Universität. Die Jusos müssen ihren Platz dort abgeben; ihnen bleibt, genau wie dem RCDS, nur ein Sitz im Großen Senat - und dort geschieht nicht viel.

Nach Prozenten haben sowohl die FSK (54 % gegenüber 58,2% im Vorjahr), als auch die Jusos (15,2% gegenüber 21%) und der RCDS (14,9% gegenüber 19,3%) Stimmen an die neu angetretenen Gruppen verloren: Die LHG erreichte 9 %, der Rote Splitter 5% (beim Erstantritt vor zwei Jahren: 6,6%). Die Freiheit der Andersdenkenden, im letzten Jahr mit 3,2% der Stimmen dabei, sackte auf 1,9%.

Die FSK verlor also in absoluten Stimmen auch - und nicht viel weniger als ihre Hauptkonkurrenten Jusos und RCDS. Anteilsmäßig aber waren ihre Verluste natürlich viel geringer, und das brachte ihr auch noch den dritten Senatssitz ein .

Für die Hauptakteure im Wahlkampf, FSK und RCDS, stellt sich jetzt natürlich die Frage: Was hat die Papierschlacht der eigenen Gruppe gebracht, außer der Ehre, mehr Studierende an die Urne gelockt zu haben? Die FSK braucht für ihr erklärtes Ziel, den AStA nur einmal tagen zu lassen, zwei Drittel der Stimmen in diesen Gremien. Daher ist sie, trotz ihres großen Vorsprungs gegenüber den anderen Gruppen, auch auf die letzten Prozente angewiesen.

Der RCDS hat immerhin fast die Jusos eingeholt - und das kann, bei einer etwas günstigeren Konstellation, ein Sitz im einzig interessanten Gremium, dem Senat, bedeuten.

Bei allem gestiegenen Interesse für die Wahl: Viel zu sagen haben die studentischen Vertreter in den Senaten und Fakultätsräten ohnehin nicht. Sie haben z.B. im Senat nur drei von 38 Sitzen und im Großen Senat sieben von 62. Ähnlich ist das Verhältnis in den Fakultätsräten. Zudem verfügen weder "AStA" noch Fachschaften über einen eigenen Etat: Sie müssen sich jede Ausgabe aus einer Zuweisung von je 90.000 Mark für den AStA und die Fachschaften einzeln von der Universitätsverwaltung genehmigen lassen - ein viermal kleinerer Betrag als in anderen Bundesländern. Die Wahlen sind also wichtig, um festzulegen, wer für die Studierenden sprechen darf, nicht wer für sie entscheiden kann. Das tun nämlich ohnehin andere. Bei den Professoren, die in diesem Jahr nur für den Großen Senat wählten, hat sich übrigens nichts an der Sitzverteilung geändert. Wie seit Jahren hat sich die konservativste Liste, die Ruperto Carola, durchgesetzt. Sie errang 13 der 21 zur Wahl stehenden professoralen Sitze im Großen Senat. Semper Apertus, im professoralen Spektrum an der Universität in der Mitte stehend, bekam sechs Sitze, die noch lange nicht links, aber links von den anderen stehende "Initiative" bekam zwei Sitze. Man muß dabei allerdings wissen, daß die Professorenlisten nicht solche Gräben trennen wie die Gruppen, die bei den Studierenden antreten; in der Ruperto Carola finden sich z.B. auch eher liberale Professorinnen und Professoren.

Das gilt noch mehr bei den anderen beiden Wählergruppen: In der Gruppe des Mittelbaus gewann, unverändert gegenüber der letzten Wahl, Pro Universitate mit fünf Sitzen, die Kopfliste bekam zwei Sitze. Die sonstigen Mitarbeiter ließen mit vier Sitzen für die Schlagkraft und drei Sitzen für die Aktiven Mitarbeiter ebenfalls alles beim alten. (hn)

Die Ergebnisse aller Wahlen findet Ihr unter http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~ed6/hsgs/wahlen.htm


Stunde der Wahrheit

Rektor Peter Ulmer präsentiert seinen Rechenschaftsbericht

Die Senatoren und Senatorinnnen des Großen Senates: Sie dürfen alle vier Jahre den Rektor wählen (auf Vorschlag des Senates), sie dürfen die Grundordnung der Universität verabschieden, und sie dürfen den alljährlichen Rechenschaftsbericht des Rektors entgegen nehmen. Nicht viel also. Aber neulich, Mitte Juni, kam wenigstens einmal etwas zusammen: Rechenschaftsbericht, Tätigkeitsbericht der Frauenbeauftragten und einige Änderungen der Grundordnung.

Zunächst erläuterte Peter Ulmer den Bericht, der sich inzwischen zu einer 200-seitigen Chronik der Geschehnisse an der Heidelberger Universität entwickelt hat. Der Rektor betonte dabei besonders die Stichwörter "Globalisierung", "Profilbildung" und "Wettbewerb zwischen den Universitäten" - alles vor dem Hintergrund der knappen Kassen. Er begrüßte die Bestrebungen, der Universität durch die Haushaltsglobalisierung mehr Entscheidungsfreiheit bei der Verwendung ihrer Mittel zu geben. Das würde helfen, die notwendige Profilbildung der Universität voranzutreiben - eine Konzentration der Mittel auf weniger Fächer, die damit zu Spitzenleistungen befähigt würden. Damit soll die Universität im angestrebten Wettbewerb um Geld und Studierende bestehen können. Insgesamt zog der Rektor (natürlich) eine positive Bilanz des Jahres. Er bedankte sich bei Professoren, Mittelbau und Personalrat für die gute Zusammenarbeit.

Der Mediziner Hans-Günther Sonntag bedankte sich im Namen der Professoren-Fraktion Ruperto Carola seinerseits beim Rektor. Er betonte, daß im Zusammenhang mit der geplanten Umorganisierung der Universitätsklinika nicht die Einheit von Forschung und Lehre zerstört werden dürfe.

Widerspruch gab es - wie zu erwarten - von studentischer Seite: Kirsten Pistel von der Fachschaftskonferenz kritisierte das schlechte Klima an der Universität, das auch von Druck aus dem Rektorat auf Professoren und Studierende geprägt sei und durch das Beschwören des Gemeinsamen, der "corporate identity", nur mühsam verdeckt würde - wie bei einer Familienfeier. Insbesondere die Unkenntnis des Rektorates über studentische Projekte zeige, daß das Verhältnis zu den Studierenden nicht das beste sei. Bezeichnend sei, daß Ulmer sich bei allen Gruppen außer den Studierenden bedankt habe. Zudem, so bemängelte die Studierendenvertreterin weiter, fehlten wichtige Projekte aus dem Bereich "Studium und Lehre" im Rechenschaftsbericht - wie das Studienberatungsprojekt "Kooperative Beratung", der Landeslehrpreis und "Magister in den Beruf". Auch wies sie auf die Gefahr hin, daß durch Umstrukturierungen kleinere Fächer "wegprofiliert" und die Mitbestimmung weiter ausgehöhlt würden. Urs Frohnes (ebenfalls FSK) lehnte in seinem Redebeitrag die von Rektor Ulmer befürworteten Studiengebühren ab.

Der Vertreter des akademischen Mittelbaus, Heiner Must, kritisiert in seiner ansonsten äußerst zustimmenden Rede zwei Dinge: Zum einen mahnte er die Einrichtung von beratenden "Institutsbeiräten" an - Gremien aus Professoren, Studierenden, Mittelbau und Personal der einzelnen Instituten, die dem Direktorium (allen C4-Professoren) beratend zur Seite stehen sollen. Zum anderen beklagte er, daß einigen Angehörigen des Mittelbaus die Prüfungsberechtigung verwehrt würde, obwohl dies das neue Universitätsgesetz ausdrücklich vorsieht. Der Rektor pflichtete ihm bei; selbst die Institutsbeiräte hält er in großen Einrichtungen jetzt für sinnvoll (obwohl er noch vor kurzem die Einrichtung eines solchen Beirates am Romanischen Seminar mit verhindert hatte).

Als nächstes wandte sich der Historiker Eike Wolgast gegen die Bestrebungen zur Profilbildung; die damit einhergehende Verkleinerung des Fächerspektrums würde den "Universitas"-Charakter der Hochschule zerstören. In Zeiten der Mittelknappheit sei gleiches Sparen in allen Fächern angebrachter (mehr dazu auf S. 2). Ulmer entgegnete, er fürchte, auf diese Weise würde ein Fächerspektrum für immer konserviert.

Im Anschluß an die Diskussion um den Rechenschaftsbericht wurde es konkret: Die eben noch angemahnten Institutsbeiräte wurden als Möglichkeit - aber nur, wenn der Verwaltungsrat im Einzelfall zustimmt - in die Grundordnung der Universität aufgenommen. Außerdem wurde diese in einigen Punkten an das neue Universitätsgesetz angepaßt.

Interessant wurde es noch einmal beim letzten Punkt des Tages, dem Tätigkeitsbericht der Frauenbeauftragten: Margret Schuchard berichtete kurz über die Ereignisse des vergangenen Jahres, in dem allerdings "keine nennenswerten Fortschritte" in bezug auf den Frauenanteil an der Universität zu verzeichnen gewesen seien. Sie wies darauf hin, daß sie als Frauenbeauftragte unbequem werden müsse: als Vertreterin einer Minderheit müsse sie eine Mehrheit - die Männer - für sich gewinnen. Nach eher allgemeinen Äußerungen wandte sie sich dem Rektorat direkt zu: "Der Frauenförderplan enthält in der Tat 'Luftblasen'", widersprach sie Ulmers Kommentar zum gerade im Senat durchgesetzten Plan. Deswegen könne sie auch die Studierenden verstehen, denen der Plan nicht weit genug gehe.

Ihrem abschließenden Dank ans Rektorat - "auch wenn man ab und zu diskutieren mußte" - beantwortete Ulmer seinerseits mit einem Dank an das Frauenbüro. In einem Punkt widersprach er jedoch: Daß keine nennenswerten Fortschritte zu verzeichnen seien, stimme nicht: Immerhin sei der Frauenanteil an den Professuren (C2 bis C4) im Vergleich zum letzten Jahr von 5,6 % auf 6,2 % gestiegen, was einem zehnprozentigen Zuwachs entspreche. "Und wenn dies so weitergeht, dann müssen wir uns in zehn Jahren Sorgen um unseren Männeranteil machen", fügte er hinzu.

Schaut man sich den nennenswerten Zuwachs aber genauer an, stößt man schnell auf eine interessante Kleinigkeit: Zwar ist der Frauenanteil von 5,6 % auf 6,2 % gestiegen, die absoluten Zahlen jedoch stören dieses schöne Bild: '95 waren es genau 28 von Frauen besetzte Professuren, dieses Jahr - auch 28! Allein die Zahl der von Männern besetzten Stellen fiel von 472 auf 427 ab. Wieder einmal zeigte sich: der Rektor überlegt sich gut, was er sagt, und er hat immer recht damit... (hn/gz)

Der Rechenschaftsbericht ist in der Pressestelle der Universität erhältlich; vielleicht bald auch wieder, wie im letzten Jahr, im WorldWideWeb.


Ey!

Glosse

Wir sind ja alle immer knapp bei Kasse. Die Studis treibt es da zu Eltern, Freunden und Verwandten, die ihr gähnend-leeres Portemonnaie vorzeigen, einem ihre Kontoauszüge (die vor SOLL nur so strotzen) unter die Nase reiben und den Kuckuck präsentieren, der an ihren Möbeln klebt. Sodann wendet sich der Pleitestudi irgendwelcher Gelegenheitsarbeit zu oder rennt bettelnd - und doch meist vergeblich - ins BAföG-Amt. Andere Leute wie Du und ich - Schumi, Steffi oder's Bobbele - treibt es in die Arme unsäglicher Werbefachleute, die dafür sorgen, daß diese noch unsäglicher von Riesenplakaten grinsen und von sich behaupten, schon seit ihrer pränatalen Phase bestimmte Fruchtsäfte zu trinken, eine ebenso ausgefeilte Technik zu haben wie gewisse Autos und zu ihrer Haut lindmild zu sein. Heeeeeeenriiiiiiii Maske macht auch kräftig Kohle... äh, Werbung - vielleicht meldet sich ja bald eine Firma für italienische Ringsalami.

Genau hier könnte man das Problem anpacken, das unsere Universitäten so bedrückt: chronische Geldsucht. - Gehört, Herr Professor Ulmer? Nein, wir meinen damit nicht, daß Sie demnächst auf dem Uniplatz für "Optik Blickfrei" von einem Plakat lächeln sollen. Ebensowenig erwarten wir von den Profs, ihre Vorlesungen zu unterbrechen wie die SAT.1-Tränendrüse Schreinemakers: "Bleiben Sie dran, nach der Werbung geht's weiter!" Aber wie wäre es denn mit einer Ankündigung wie vor dem Aktuellen Sportstudio: "Diese Vorlesung wird Ihnen präsentiert von Kulmbacher." Musikwissenschaftler könnten wahlweise "Die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt!" oder "Haribo macht Kinder froh" singen. Um die Wirtschaftswissenschaftler kämpfen die ortsansässigen Banken, Chemie-Vorlesungen werden höchstwahrscheinlich gesponsert und Germanistik-Seminare vom Suhrkamp Verlag. Mitsubishi ist Mäzen der Japanologen, Bayer Gönner der Pharmazeuten, die Amerikanisten werden von MäcDummels gefördert und die Erziehungswissenschaftler von... tja, von wem denn? Die öffentlichen Kassen für die Schulen sind ja auch leer! Naja, da bleibt den EWS'lern nur der Weg zu "randstad zeit-arbeit"... ach nee, die hat die Philosophie schon als Sponsor. (mab)


Meinung


Verstärkte Profilbildung?

point& counterpoint: Brauchen wir eine spezialisierte Universität?

Ganz Deutschland spart - jetzt soll auch die Uni effizienter werden. Im Hinblick auf den immer stärker werdenden Wettbewerb zwischen den Hochschulen fordert das Rektorat eine ver-stärkte Profilbildung, z. B. die Schaffung von Forschungsschwerpunkten und Förderung der Graduiertenkollegs. Es bleibt die Frage, ob im Kampf um Drittmittel nicht die Bildungsvielfalt untergeht.

(red."point/counterpoint": saw, gan)

"Ja"
Prof. Dr. med. Wilhelm Kriz

Institut für Anatomie und Zellbiologie der Universität Heidelberg

Es war für Universitäten über Jahrhunderte hinweg selbstverständlich, ein eigenes Profil zu haben, sich von anderen Universitäten zu unterscheiden. Man studierte in Berlin, um bei Hegel Philosophie zu hören, um bei Robert Koch die Bakteriologie zu lernen. Herausragende Professoren prägten das Profil einer Universität. Dies hielt sich bis weit in unser Jahrhundert hinein, in manchen Fächern bis in die jüngere Vergangenheit. In der Medizin ist die Unterscheidbarkeit der Universitäten nach dem zweiten Weltkrieg dagegen zunehmend verschwunden. Dies hatte vor allem zwei Gründe. Einmal zwang die zunehmende Fülle des Stoffes, eine Auswahl zu treffen, und diese Auswahl wurde aufgrund der zentralen medizinischen Prüfungen für alle Universitäten zunehmend gleich. Zum anderen nahm die Zahl der Studierenden derart zu, daß die Universitäten nur noch ein mageres Einheitsgericht anbieten konnten. Auch das Ergebnis wurde zunehmend gleich. Schaut man sich die Prüfungsergebnisse der zentralen medizinischen Prüfungen an, dann sind die Unterschiede nicht erheblich. Würde man sie statistisch überprüfen, könnte man Unterschiede zwischen verschiedenen Populationen von Studierenden finden, kaum aber zwischen Universitäten.

Die hier gestellte Frage, ob Universitäten wieder eine stärkere Profilbildung anstreben sollten, möchte ich von der Medizin her beleuchten und mit einem klaren "Ja" beantworten.

Zunächst zur Lehre: Es wird zunehmend schwieriger, ja wahrscheinlich bald unmöglich, eine für alle verbindliche Auswahl eines medizinischen Grundwissens aufzustellen. Das auch unter strengen klinischen Gesichtspunkten relevante medizinische Wissen nimmt derart rapide zu, daß bald auch die intelligentesten Studentinnen und Studenten überfordert sein werden, dieses Wissen in allen Bereichen zu beherrschen. Die Situation zwingt zur Auswahl, zum Verzicht auf vieles, damit anderes richtig erlernt werden kann. Abgesehen von ganz grundlegenden Wissensinhalten, wird eine solche Auswahl je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich ausfallen. Dies sollte man als Chance sehen und nicht der Illusion eines "allround-gebildeten" Mediziners hinterherhecheln, sondern eine an Schwerpunkten orientierte Ausbildung anbieten. Dabei ist es durchaus wünschenswert, daß sich die Schwerpunkte von Fakultät zu Fakultät unterscheiden. Damit gewönne jede Fakultät zwangsläufig ihr eigenes Profil.

In der medizinischen Forschung stellt sich die Situation ähnlich dar. Auch hier werden die Fakultäten gezwungen sein, Schwerpunkte zu bilden. Die finanziellen Ressourcen werden knapper, gute Forschung zunehmend teurer, so daß ein effizienter Einsatz der vorhandenen Mittel nur durch Schwerpunktbildung möglich sein wird. Hinzu kommt, daß bei der fortschreitenden Komplexität der Probleme eine Lösungschance nur dann besteht, wenn man sich gleichzeitig von mehreren Seiten her dem Problem nähert. Für die Bearbeitung einer relevanten wissenschaftlichen Frage muß eine kritische Masse an Wissenschaftlern, an nichtwissenschaftlichem Personal, an Infrastruktur, an Geräten und Verbrauchsmaterial vorhanden sein, damit überhaupt eine Chance besteht, daß gute Forschung gemacht wird.

Es ist einsichtig, daß Schwerpunktbildungen in der Lehre und in der Forschung nicht unabhängig voneinander erfolgen werden und auch nicht sollten. Auf dem Gebiet, auf dem ein Forschungsschwerpunkt besteht oder sich entwickelt, sollte sich auch ein Schwerpunkt in der Lehre herausbilden. Dies klingt bei den heutigen noch sehr hohen Studentenzahlen illusorisch. Für die Zukunft bei vernünftigeren, reduzierten Studentenzahlen könnte man sich aber durchaus vorstellen, daß z.B. ein Student, der später Neurologe werden will, sich eine Universität aussucht, die die Neurowissenschaften als Schwerpunkt hat.

"Nein"
Prof. Dr. phil. Eike Wolgast

Historisches Seminar der Universität Heidelberg

Eine Universität lebt von dem wissenschaftlichen Ansehen, das sie im In- und Ausland genießt. Dieses Ansehen zu erhalten und zu mehren, ist Aufgabe aller, die forschend und lehrend an ihr tätig sind.

Von den Heidelberger Professorinnen und Professoren weiß sich eine sehr große Mehrheit ihrer Hochschule verpflichtet und trägt durch ihre Arbeit zu dem Profil der Universität bei. Was soll nun verstärkte Profilbildung heißen? Gemessen wird die wissenschaftliche Leistung von Institutionen heute vorwiegend quantitativ - man muß die Zahl der Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs oder den Umfang der Drittmittel nennen, um sich als auf der Höhe der Zeit stehend auszuweisen. Unbeachtet bleibt bei diesen Kriterien die Einzelforschung, von der auch heute noch wenigstens die Geisteswissenschaften im wesentlichen leben. Innovation im Fach und Denkanstöße ergeben sich in den sog. Buchwissenschaften zumeist nicht durch organisatorische Bündelung intellektuellen Potentials, sondern als Individualleistung in "Einsamkeit und Freiheit" als den an der Universität "vorwaltenden Principien" (Humboldt).

Verstärkte Profilbildung verbindet sich nach heutiger Tendenz der Wissenschaftspolitik mit Prioritätensetzung, was bedeutet: Abstoßen auf Fächer und Disziplinen. Im Rechenschaftsbericht des Rektors über das Amtsjahr 1995/96 sind dafür Kriterien genannt: Fächer sollen aufgegeben werden, für die es zu wenig Studenten gibt, die nicht in das interdisziplinäre Forschungsprofil passen oder die an anderen Hochschulorten konzentriert werden können. Glücklicherweise wird hinzugefügt, daß sich "ins Gewicht fallende Nachteile für Forschung und Lehre" mit einer solchen Flurbereinigung nicht verbinden dürfen.

Es kann gewiß nicht darum gehen, den gegenwärtig vorhandenen Fächerbestand um jeden Preis festzuschreiben, ebensowenig darf aber um einer imaginierten Profilstärkung willen der Kosmos der Wissenschaften reduziert werden. Universität bedeutet "universitas magistrorum et scholarium" und "universitas litterarum". Wer Fächer abschafft oder verlagert, die nicht zu dieser universitas gehören, begibt sich, ob er will oder nicht, auf eine schiefe Ebene, an deren Endpunkt die Spezialhochschule steht. Trotz aller Alltagsbelastung und Spezialisierung müssen die Professorinnen und Professoren die Gelegenheit behalten, interdisziplinär zu kommunizieren - es gibt in Heidelberg nicht wenige Kreise, in denen sich informell Vertreter höchst unterschiedlicher Fächer zu lebendigem Gedankenaustausch zusammenfinden.

Die Kultus- und Finanzbürokratie sieht gegenwärtig offenbar im Bildungssystem der untergegangenen DDR ihr Ideal: Universitäten vor allem als Lehranstalten, möglichst - siehe Ministerpräsident Teufel bei der letzten Jahresfeier - mit Vermittlung handfest-praktischer Kenntnisse, Verlagerung der Forschung in außeruniversitäre Einrichtungen, Konzentration von Fächern an bestimmten Hochschulen. Was dabei herausgekommen ist, haben wir erlebt.

Bei der Aufgabe, den Kosmos der Wissenschaften in Heidelberg unangetastet zu behaupten, ist aber auch die inneruniversitäre Solidarität gefragt. Um die universitas zu erhalten, müssen wir zu Opfern bereit sein und nicht lediglich Besitzstände konservieren wollen. Relativ gut ausgestattete große Fächer müssen notfalls etwas zurückstecken, um die kleineren Gesprächspartner nicht zu verlieren. Nur so werden wir erreichen, daß "der Name Universität" auch künftig "anzeigt, daß keine Wissenschaft ausgeschlossen seyn ..." (Humboldt) oder dem Moloch einer Profilierung geopfert wird.


Alle reden vom Frieden...

Drei Studenten aus dem Nahen Osten sprechen über die Zukunft des Friedensprozesses in Israel

Die Versprechen, die Israels Wahlsieger und neuer Ministerpräsident Netaniahu der religiösen und nationalen Rechten gemacht hat, gefährden den Friedensprozeß. Der geplante Aus- und Neubau jüdischer Siedlungen (auch im besetzten Westjordanland) sowie die Weigerung, über die Rückgabe der Golanhöhen zu verhandeln und die Truppen aus Hebron abzuziehen, sind klar gegen Peres' bisherige Friedenspolitik und die Osloer Abkommen gerichtet. Prediger in Hebron und Gaza rufen bereits wieder zu einer neuen Intifada auf. Ist der jüdische Staat an einem Wendepunkt angelangt?
ruprecht sprach mit drei Studenten aus dem Nahen Osten. Yair aus Jerusalem, Ritha aus Syrien und Mohammed, Palästinenser aus dem besetzten Gaza-Streifen, sprechen über die Stimmung der jungen Generation, die neue Politik Netaniahus und die Aussichten auf Frieden. Aus Furcht vor Repressionen wurden keine Fotos gemacht und die Namen der arabischen Interviewten von der Redaktion geändert.

ruprecht: Die Gräben zwischen Israelis und Palästinensern scheinen tiefer zu werden, anstatt sich durch den Friedensprozeß zu schließen. Dabei kennt man häufig den "Feind" gar nicht. - Kennt Ihr Israelis bzw. Araber?

Ritha: Ich kenne keine Israelis. Meiner Meinung nach ist es aber egal, ob jemand ein Deutscher, Araber, Israeli oder sonstwas ist. Die Hauptsache ist, daß wir in Frieden leben können.

ruprecht: Sind Israelis für Dich also keine Feinde?

Ritha: Nicht direkt Feinde. Es gibt politische Probleme. Die sind aber Sache der Politiker.

ruprecht: Yair, hast du schon in Israel Palästinenser kennengelernt?

Yair: Man muß zwischen Arabern, die in Israel leben und die israelische Staatsbürgerschaft haben, und den Arabern aus Ost-Jerusalem, den Westbanks und dem Gaza-Streifen unterscheiden. Mit den letztgenannten sind die Beziehungen schwer. Die Chance, daß wir diese Palästinenser kennenlernen können, ist sehr gering. Zwischen israelischen Arabern und den Juden gibt es im allgemeinen sehr gute Beziehungen. In meiner Universität sind 20% Araber. Ich hatte dort arabische Freunde. Natürlich gibt es auch Spannungen. Aber wir leben zusammen. In meinem Wohnheim lebte zum Beispiel neben mir ein Araber.

Mohammed: Ich kenne viele Israelis. Mit denen verstehe ich mich sehr gut. Ich bin im Gaza-Streifen geboren, und während der Intifada-Zeit durften die Leute ja nicht nach Israel. Trotzdem kenne ich viele Israelis aus Tel Aviv, weil mein Vater geschäftlich viel in Israel zu tun hatte. Vor der Zeit der Intifada war der Kontakt zwischen Israelis und Palästinensern einfacher als jetzt. Ob man Juden kennenlernt, kommt auf den einzelnen an. Manche sind sehr religiös. Sie wollen grundsätzlich nicht mit Juden reden, egal ob sie aus Israel, Amerika oder Deutschland sind. Aber wenn man liberal und für den Frieden ist, dann kann man Kontakt mit Israelis haben; man redet dann über Politik und andere Dinge.

ruprecht: Wie schätzt Ihr die Haltung der Jugend in Euren Ländern ein?

Ritha: Die Jugend will Frieden. Es gibt da aber keinen Unterschied zu der älteren Generation.

Mohammed: Die älteren Leute, die 1948 aus Israel vertrieben worden sind, sagen, daß sie dieses Land zurück haben wollen - durch Frieden oder durch Kampf gegen Israel. Sie sagen aber auch, daß sie viel Schlimmes in diesem Kampf erlebt haben. Es gibt Leute, die zur PLO gehören und Palästina durch Frieden aufbauen wollen. Die andere Hälfte gehört zur Hamas. Sie meint, der Friede ist Quatsch und lohnt sich nicht. Sie wollen gegen Israel kämpfen oder es vernichten. Diese Aufteilung geht quer durch die Generationen und ist keine Frage des Alters.

Yair: Bei uns ist die Mehrheit für Frieden. Die Jungen sind vielleicht ein klein wenig mehr dafür. Auch die Wahl Netaniahus zeigt den Friedenswillen. Zwar hatte er eine komische Ansammlung von widersprüchlichen Versprechen gegeben. Doch insgesamt hat er nur gewonnen, weil er auch versprochen hat, den Frieden fortzusetzen. Ich kenne viele, die ihn gewählt haben, weil sie glauben, daß er auf seine Art den Frieden fortsetzen wird. Viele haben bezweifelt, ob Peres' Weg zum Frieden der richtige ist: sie glaubten, daß es zu schnell geht, daß es noch nicht genug Rückhalt im Volk gibt und sich der Frieden nur auf äußere Verträge stützt. Die Wahl war auch eine Frage der Persönlichkeit und des Wahlmanagements. Netaniahu hat das viel besser gemacht. Die Anschläge und der kleine Krieg im Libanon haben Peres auch sehr geschwächt. Einige Wochen vorher hatte er noch einen großen Vorsprung gehabt. Man kann also nicht aufgrund dieser Wahl sagen, daß die Israelis gegen den Frieden sind. Im Gegenteil. Das Problem ist allerdings, daß wir jetzt eine Regierung haben, die man noch nicht einschätzen kann. Was will Netaniahu wirklich?

ruprecht: Ein Sprecher der Hamas meinte: "Die Mehrheit der israelischen Gesellschaft hat den Frieden abgelehnt. Das Wahlergebnis ist eine Kriegserklärung an die Palästinenser."

Mohammed: Die Israelis wollen mehr Sicherheit und nicht jede Woche oder jeden Monat ein Attentat von Hamas. Aber die Wahl ist keine Kriegserklärung. Die Israelis und die Palästinenser wollen keinen Krieg mehr. Hamas ist jedoch eine islamische Partei. Die sind klar gegen die Juden.

ruprecht: Netaniahu will 100.000 neue Siedler in den Westbanks ansiedeln und für Siedlungen eine Milliarde Dollar ausgeben. Auch sonst hat er einiges angekündigt, was klar gegen die Osloer Abkommen verstößt.

Mohammed: Ich finde es sehr gefährlich, was Netaniahu da tut. Die Palästinenser wollen die Westbanks und den Gaza-Streifen ohne Siedler und ohne die israelische Armee. Es kann für die jüdischen Siedler gefährlich werden. Das alles ist sehr schlecht für den Frieden.

Yair: Wenn Nataniahus diesen Schritt macht, wird das eine Katastrophe. Das wäre das Ende des Friedens. Ich hoffe sehr, daß er das nicht macht. Doch ich denke, auf internationalen Druck hin wird er sich zurückhalten.

ruprecht: Ist Nataniahu durch seine Koalition denn nicht zu solch extremen und friedensgefährdenden Maßnahmen gezwungen?

Yair: Nein, das stimmt nicht. Seine Koalition ist eigentlich gar nicht so extrem. Selbst die Religiösen sind teilweise sehr moderat, was den Friedensprozeß betrifft. Sharon (Hardliner im neuen israelischen Kabinett; Anm. d. Red.) ist zum Beispiel viel extremer.

ruprecht: Eben. Sharon ist ja auch in der Regierung...

Yair: Ja, aber Netaniahu hat alles so arrangiert, daß die Macht letztlich in seiner Hand bleibt. Die Koalition ist wirklich nicht extrem. Der Außenminister beispielsweise ist auch sehr moderat. Man muß einfach abwarten. Zum Beispiel hat Begin mit dem konservativen Likud-Block 1978 den Frieden mit Ägypten ausgehandelt und hat den gesamten Sinai zurückgegeben, obwohl er sich vorher ausdrücklich dagegen gewandt hatte. Ich denke, Netaniahus Meinung selbst ist ziemlich extrem, aber er ist auch ein Politiker, und er will Erfolge. Er sieht, daß er unter Druck ist: wenn er extreme Maßnahmen ergreifen würde, würde die Wirtschaft in Israel zusammenbrechen, es gäbe keine Sicherheit - alle seine Versprechungen würden scheitern.

Die Likud ist nicht gegen den Frieden. Es gibt zwei Richtungen: die Linken mit Peres, die meinen, man müsse für den Frieden so schnell wie möglich Abkommen mit den arabischen Nachbarn machen. Sie denken auch, daß man die Fundamentalisten mit einer guten Wirtschaft besiegen kann. Die Rechten meinen, daß wir noch in einer sehr fundamentalistischen Umgebung leben, die noch nicht ganz reif für den Frieden ist; sie glauben, man müsse den Friedensprozeß langsamer angehen, mit viel Sicherheit.

Das ist die Philosophie der Likud. Die Likud glaubt an den Frieden, aber an einen, der nur auf einem sehr langen und harten Weg zu erreichen ist. Das ist die Hauptauseinandersetzung. Natürlich gibt es auch Extremisten, die ganz gegen den Frieden sind. Aber sie sind eine kleine Minderheit.

Ritha: Netaniahus Programm im Wahlkampf war Schwachsinn, aber es kann geändert werden. Wenn er Druck von außen bekommt, wird er entsprechend reagieren.

ruprecht: Wie schätzt ihr die Rolle Arafats ein? Ariel Sharon meinte, Arafat sei eine "Kreatur”, mit der er niemals verhandeln werde. Seit der Nazi-Zeit gebe es niemanden, an dessen Händen soviel jüdisches Blut klebe.

Mohammed: Friede ohne Arafat wäre sehr schwierig. Sein Gegner, die Hamas, will ja die Autorität in Palästina und keinen Frieden.

Yair: Arafat ist ein großer Mensch. Er wurde von seinem Volk und von den Israelis viel kritisiert. Aber er hat sich bewiesen. Er ist sehr, sehr wichtig für den Frieden. Ich denke, die Mehrheit in Israel sieht Arafat nicht als einen Feind; Sharons Meinung ist für die Mehrheit nicht akzeptabel.

Ritha: Bei einem Frieden mit Israel darf kein arabisches Land im Alleingang gehen. Die ganze Arabische Liga muß bei einem solchen Abkommen zustimmen. Arafat hatte meiner Mienung nach eine breite Unterstützung der arabischen Länder. Aber nicht von allen. Das ist ein Fehler Arafats. Außerdem bekommt Arafat Druck von der westlichen Welt. Die USA und Europa werden Arafat bestimmen. Als erstes geht es dabei ums Geld.

ruprecht: Arafat also als Handlanger der USA?

Ritha: Ja, in diese Richtung.

ruprecht: Syriens Staatschef Assad schlägt einen sehr harten Kurs ein, härter als die meisten anderen arabischen Staaten. Er will beispielsweise als Vorbedingung für die Verhandlungen den Golan - ohne irgendwelche Konzessionen seinerseits. Ist diese Haltung richtig?

Ritha: Ja, die Haltung ist ganz richtig. Wir sind stolz auf diesen Präsidenten. Der Golan ist unsere Erde. Bevor wir unsere Erde nicht zurückbekommen, können wir keinen Frieden abschließen. Wir hatten öfters gesagt, daß wir für den Frieden arbeiten. Aber zuerst müssen wir unser Land zurückbekommen, dann werden wir den Frieden unterschreiben.

Mohammed: Frieden mit Israel wäre für Assad ein Problem. Wenn die Grenzen zwischen Israel und Syrien offen wären, wäre das sehr gefährlich für seine Diktatur. Das syrische Volk sieht dann, wie modern Israel ist. Es sieht die israelische Demokratie, seine Industrie und Wirtschaft.

Yair: Was Syrien betrifft, bin ich ein bißchen pessimistisch. Assad hat bis jetzt noch nicht bewiesen, daß er richtig für den Frieden arbeitet. Er ist nicht zu Kompromissen bereit. Seine Forderungen sind viel zu hoch: Die Golanhöhen, einen Teil des See Genezareth - und auch die israelischen Sicherheitsforderungen will er nicht beachten. Dahinter steckt, daß Assad sich in der Öffentlichkeit als moderat und friedliebend darstellen will. In Wirklichkeit will er aber keinen Frieden.

ruprecht: Werden sich Araber und Juden je wieder freundschaftlich begegnen können, oder wird es allenfalls zu einer kalten Koexistenz mit einem palästinensischen Staat kommen?

Mohammed: Die Politiker werden sich wohl relativ schnell einig sein. Aber das Problem liegt bei den Völkern. Der Haß sitzt sehr tief. Sehr schwierig wird es auch mit Jerusalem. Alle wollen diese Stadt.

Yair: Es wird einen palästinensischen Staat geben. Er müßte mit Jordanien zusammengeschlossen werden. Palästina selbst ist zu klein. Die meisten Palästinenser wohnen auch in Jordanien. Ich bin mir sicher, daß es in der Zukunft sehr gute Beziehungen zwischen Israel und den Palästinensern geben kann. Die Mentalität ist nicht so unterschiedlich. Ich bin da sehr optimistisch.

Was die Palästinenser in den letzten vier Jahren geschafft haben, war der wichtigste Schritt. Es gibt mehr psychologische als wirkliche Probleme. (Interview: hee, lk)


Hochschule


Sparen

BAföG verzinst

Bundestag und Bundesrat haben ein Sparpaket für die Ausbildungsfinanzierung geschnürt. Die halbwegs gute Nachricht: Der Elternfreibetrag wird ab Herbst um 2% erhöht - nicht, wie vorgesehen, um 6%. Dafür gibt es das bisherige zinslose BAföG mit dem Zuschußanteil von 50% nur noch während der sogenannten "Regelstudienzeit", die zudem weiter verkürzt wird - z.B. Chemie von 12 auf 9 Semester. Ebenso wird für viele Studiengänge die BAföG-Förderungshöchstdauer von bisher 10 auf 9 Semester an den Unis bzw. 7 Semester statt 9 an den Fachhochschulen reduziert. Unklar ist, ob sich die "Regelstudiezeit" auf Fachsemester oder Hochschulsemester bezieht. Wer länger studiert, kann ein marktüblich verzinstes Volldarlehen bei der "Deutschen Ausgleichsbank" beantragen. Die bisherige Studienabschlußförderung entfällt zudem vollständig. Dadurch sparen Bund und Länder etwa 400 Mio. DM, die sie noblerweise in ein Sonderprogramm zur "Verbesserung der Studienbedingungen" fließen lassen. "Zukunftsminister" Jürgen Rüttgers geht davon aus, "daß viele ehemalige BAföG-Empfänger Zinsen aus der Endphase ihres Studiums zahlen" müßten. In der Regelstudienzeit , so gibt Rüttgers zu, werde schon heute kaum ein Studium abgeschlossen. Deshalb nehme er an, "daß die Zinsregelung viele Studenten treffen" werde, was er jedoch nicht "genauer quantifizieren" könne. (mj)


Zwischen Mut und Verzweiflung

Studiendekan werden ist nicht schwer...

Hat sich in den vergangenen achtzehn Monaten meine, Deine, unser aller Studiensituation entscheidend verbessert? Sind die Seminare überschaubarer, ist das Lehrangebot attraktiver geworden, gibt es endlich in jedem Institut Einführungsveranstaltungen, die ihren Namen verdienen? Ist ein Wind des Wandels durch die Fakultäten gegangen? Die Antwort: ein klares Jein - und das ist auch kein Wunder. Erinnern wir uns: Am 1. Januar vergangenen Jahres trat ein Universitätsgesetz in kraft, das eine kritische Überprüfung der universitären Lehre an jeder einzelnen Fakultät vorsah. Als wichtigste Reforminstrumente sollten sogenannte Studienkommissionen und Studiendekane dienen.

Jetzt, anderthalb Jahre später, zieht das Heidelberger Rektorat eine erste Bilanz. Zu diesem Zweck lud Prorektor Greiner in der vergangenen Woche zu einem Pressegespräch ein; anwesend waren die Studiendekane dreier exemplarisch ausgewählter Fakultäten: Thomas Rausch für die Biologie, Michael Ursinus für die Orientalistik und Altertumswissenschaften sowie Dietrich Harth für die Neuphilologie. Ihre Ausführungen machten schnell deutlich, wie problembelastet der gesetzlich vorgesehene Weg zum besseren Studium ist.

Schon die Bildung von Studienkommissionen und die Wahl von Studiendekanen wurde in den verschiedenen Fakultäten mit unterschiedlichem Enthusiasmus angegangen: In der Medizin beispielsweise hatte es ähnliche Einrichtungen bereits gegeben; die Arbeit konnte also sehr schnell beginnen. Ebenso in der Biologie, in der eine Studienreform schon im Gange war.

Andere Fakultäten wiederum hatten große Schwierigkeiten, überhaupt jemanden für den Posten des Studiendekans zu finden: Die Position versprach den in Frage kommenden Professoren viel Arbeit, wenig Lehrdeputatserniedrigung, keinen Forscherruhm und nicht zuletzt Ärger mit Kollegen, die sich nicht in ihren Stil zu lehren hineinreden lassen wollen. In der Neuphilologie etwa zog sich die Formierung der Kommission und die Wahl ihres Leiters über mehrere Monate hin.

Nur an einer der vier Mischfakultäten in der Altstadt, der Faktultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften, konnte man die gesetzlich gegebene Möglichkeit, drei Kommissionen und drei Studiendekane zu wählen, ausschöpfen; so kommt es, daß z.B. in der Neuphilologie ein einzelner Studiendekan für zehn Fachbereiche zuständig ist.

So unterschiedlich der Enthusiasmus beim Zustandekommen, so verschieden sind auch die ersten Ergebnisse, die die Kommissionen vorzuweisen haben: Pharmazie und Philosophisch-Historische Fakultät haben erst ein einziges Mal getagt, andere (so die Biologie) haben schon eine ausgewachsene Studienreform auf den Weg gebracht oder kommen zumindest regelmäßig einmal monatlich zusammen (Physik und Jura). Wieder sieht man, daß in den homogeneren Fakultäten wie Physik oder Medizin, die nur ein Fach umfassen, die konkrete Arbeit offensichtlich leichter fällt - obwohl auch an mancher Altstadtfakultät etwas geschehen ist: An der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaften etwa hat die Studienkommission den einzelnen Instituten einen Verfahrensvorschlag zur Koordination des Lehrangebotes gemacht.

Die Möglichkeit, dem Studiendekan Beschwerden und Vorschläge zum Studium vorzutragen, ihn also als "Ombudsmann" (Ursinus) zu verstehen, wird genutzt - wenn auch in unterschiedlichem Maße: Der Biologe Thomas Rausch kommt auf rund 200 Beratungen jährlich, im Studiendekanat der Neuphilologie dagegen hat sich noch kaum jemand blicken lassen. Ein Problem, das natürlich auch mit dem Bekanntheitsgrad des Amtes an den jeweiligen Fakultäten zusammenhängt.

Auch auf dem Gebiet der Zusammenarbeit von Studierenden und Professoren in den Studienkommissionen gibt es Bewegung. Prorektor Greiner zeigte sich gegenüber der Presse betont erfreut über gute Kooperation und zahlreiche fruchtbare Gespräche. Wie weit diese Zusammenarbeit im einzelnen gehen kann, zeigen die Erfahrungen in der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaften. Hier werden sogar die Sitzungstermine der Studienkommission mit Fachschaftstreffen abgestimmt, um die Kommunikation zu erleichtern.

Dieses Interesse an den offiziell gar nicht existierenden Fachschaftsgruppen erklärt sich mit der Überzeugung des Studiendekans, daß die Arbeit der Studienkommissionen nur dann glaubwürdig ist, wenn alle Beteiligten Bereitschaft zur Zusammenarbeit zeigen. Deshalb unterstützt der Studiendekan auch schon mal einen Fachschaftsantrag für einen Sitzungsraum. Ein solcher war mit der Begründung abgewiesen worden, daß es an der ganzen Universität keinen freien Raum gebe. Dazu Ursinus: "Wenig konstruktiv".

Leider läuft die Kommunikation zwischen Studierenden und Professoren nicht in allen Studienkommissionen derart reibungslos ab. In der Philosophisch-Historischen Fakultät wurden die studentischen Mitglieder der Fakultät erst zwei Tage vorher über den Termin informiert, weshalb nur einem Studierendenvertreter die Teilnahme möglich war.

Eine fakultätsübergreifende Zusammenarbeit der Studiendekane findet nur in Form von halbjährlichen Treffen im Rektorat statt. Mit dem universitätsweiten Senatsausschuß für die Lehre haben Studiendekane und -kommissionen nur zu tun, wenn sie Sondermittel beantragen; das aber hat bisher nur die Biologie getan. Von einer inhaltlichen Zusammenarbeit kann man also nicht sprechen.

Auch das Verhältnis der Studiendekane zum Rektorat scheint noch nicht ganz geklärt. Während in manchem Fakultätsrat die Auffassung verbreitet wurde, daß die Studiendekane dem Rektor gegenüber "weisungsgebunden" seien, gibt es zwischen Studiendekan Harth und dem Rektorat einen offenen Konflikt: Der Studiendekan und seine Kommission möchten die nächste Runde von Zwangsberatungen für Langzeitstudierende, zu der das Rektorat die Studiendekane aufgefordert hatte, nicht mitmachen, da die Betroffenen unter Androhung der Zwangsexmatrikulation zum Beratungsgespräch zitiert werden sollen. Sie bieten eine freiwillige Beratung an. Auch dem Studiendekan der Fakultät für Biologie, sonst Vorzeigemodell des Rektorats, ist das Wort von der Zwangsexmatrikulation unangenehm.

Bei aller Freude darüber, daß die Studienkommissionen ein Werkzeug zur Hochschulreform sind, mit dem die Betroffenen selbst - anstelle von reinen Professorengremien oder gar Verwaltungsbeamten - Vorschläge für das weitere Wohl und Wehe der Universität entwerfen können, sind sich die Studiendekane nicht ganz sicher, ob der hohe Arbeits- (und damit Kosten-) aufwand im Verhältnis zum Ergebnis steht. Denn die Mittel für die Studiendekane werden aus dem Topf für Forschung und Lehre geschöpft - allein 25.000 Mark Hilfskraftgelder jährlich. Außerdem dürfe, so Harth, das Amt des Studiendekans nicht zu einem "Mangelverwaltungsposten" degenerieren, der immer weniger Mittel von Finanzierungslücke zu Finanzierungslücke schiebt. Besonders wichtig seien die Tutorien- und Mentorengelder. Die damit finanzierten Stellen seien, sagte Professor Harth, die Grundlage für die Durchführbarkeit aller beschlossenen Reformen. Für den Fall, daß ihre langfristige Sicherung nicht garantiert werde, forderte er alle Studiendekane zum Rücktritt auf.

Aus alldem wird vor allem eines deutlich: Der Schlüssel zum Erfolg der Studienkommissionen liegt in der Struktur der einzelnen Fakultäten. Homogene Fakultäten wie Biologie oder Jura haben gute Chancen. Die Heterogenität der Fächer an den Altstadt-Mischfakultäten dagegen läßt durchschlagende Erfolge nur in wenigen Fällen erwarten; viele werden sich - und die Studienverbesserung - an internen Interessen- und Kompetenzkonflikten aufreiben. In Großfakultäten wie der Neuphilologie ist anscheinend schon die Position des Studiendekans zu enervierend - Dietrich Harth: "Ich höre zum Wintersemester auf - Gott sei Dank!"

Zudem bleibt abzuwarten, inwieweit die letztlich entscheidungsberechtigten Fakultätsräte den Vorschlägen der Studienkommissionen überhaupt folgen werden. Hier hat es bereits in einigen Fällen Anlaß zum Zweifel gegeben, z.B. in der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät oder auch in der Neuphilologie, wo Vorschläge der Kommission, auch Mitglieder des Mittelbaus - wie es das neue Universitätsgesetz vorsieht - zur Abnahme von Abschlußprüfungen zu berechtigen, vom Dekan bislang wirkungsvoll übergangen wurden. (jpb/gan/hn)


Sonnig

Uni-Chor

An einem sonnigen Tage im Juni verließ der Heidelberger Unichor samt Instrumentalisten mit zwei Bussen den Uniplatz. Ritten hin gen Nürnberg, um die Eröffnung des "Deutschen Anästhesiekongresses - international" mit Stücken der Carmina Burana zu veredeln. Der Generalprobe dort folgte eine - dank großzügigem Sponsor - luxuriöse Nacht, mehr oder weniger stimmschonend.

Kurz später füllte der Chor unter temperamentvoller Leitung Rüdiger Drengemanns eine trostlose Nürnberger Messehalle mit tanzenden Gesellen, blühendem Walde und dem Ächzen des Schicksalsrades. Der eine oder andere Narkosearzt oder Pharmavertreter ließ sich mitreißen; wo es die Musik nicht schaffte, hatte auch keiner der folgenden Redner eine Chance. Von Langeweile konnte jedoch keine Rede sein, erhielten wir doch im folgenden langentbehrten Aufschluß über die "Schicksalsgemeinschaft Operateur - Anästhesist - Patient".

Insgesamt zwei schöne Tage, die dem Chor einen kräftigen Aufschwung gegeben haben! (kaha)


Uni-Siegel im Cyberspace

"Corporate Identity" wird jetzt auch im WWW verteidigt

Die Uni Heidelberg hat das Internet entdeckt - jetzt auch ganz offiziell. Bisher ist das Angebot - und damit die Außendarstellung der Universität im WorldWideWeb - Sache von ein paar Begeisterten im Rechenzentrum und in einzelnen Instituten und Fakultäten; dazu kommen mittlerweile fast 200 persönliche "Homepages", die von Studierenden und anderen Uni-Angehörigen erstellt wurden.

Jetzt, da das Medium Internet immer wichtiger wird, soll alles anders werden. Oder zumindest koordinierter. Eine vom Rektorat eingesetzte Arbeitsgruppe, in der unter anderem ein Prorektor, der Uni-Pressessprecher, Mitarbeiter des Rechenzentrums, der Univerwaltung und der Fachschaftskonferenz sitzen, brütet - beraten von einem WWW-Experten der Uni Saarbrücken - derzeit über neue Leitseiten und einheitliche Unterseiten für die Ruperto Carola. Natürlich soll auch das Angebot überhaupt erweitert und besser vernetzt werden: Mehr Informationen zur Universität, zum Studium, zu Veranstaltungen sollen angeboten werden (wenngleich einige Angebote bereits eingeschränkt oder vorerst abgeschafft wurden, wie etwa ein elektronisches Personalverzeichnis, das dem Datenschutz zum Opfer fiel). Auch der Unispiegel macht bereits erste zaghafte Versuche im Netz.

Nicht zuletzt bastelt die Arbeitsgruppe an Empfehlungen, wie die Institute und Einrichtungen der Universität ihre Leitseiten gestalten sollen - das Uni-Siegel beispielsweise soll auf allen Instituts-Hauptseiten erscheinen. Für das Betreiben von persönlichen Homepages sollen "Nutzungsrichtlinien" festlegen, was dort erscheinen darf und was nicht.

Wie weit aber sollen die Empfehlungen gehen? Was soll Empfehlung, was Verpflichtung sein? Die unangenehme Formulierung, mit der die Aufgabe der AG im Rechenschaftsbericht des Rektors vorgestellt wird ("... dem beobachteten Wildwuchs [...] begegnen") macht zunächst mißtrauisch. Hat sich da eine Zensur-AG zusammengefunden? Und wer etwas "vereinheitlicht" oder "koordiniert", kann es dabei natürlich gleich auch reglementieren und zurechtstutzen.

Prorektor Hüfner beruhigt: Es gehe wirklich nur um Übersichtlichkeit und Koordination auf den Leitseiten. Die Institute bekommen nur ganz wenige Vorgaben (das Uni-Siegel eben). Eine Netzpolizei für Homepages soll es auch nicht geben, ebensowenig wie ein Genehmigungsverfahren für diese. Man wird lediglich Beschwerden nachgehen, so wie das auch jetzt schon geschieht.

Das Ansinnen, mehr Übersichtlichkeit in das WWW-Angebot zu bringen, ist gut. Daß dabei dann auch an der Darstellung der Universität gefeilt wird, ist verständlich und legitim - erst recht, wenn dabei auch mehr Uni-Einrichtungen dazu gebracht werden, einen ordentlichen Internet-Service anzubieten. Trotzdem sollte man sich davor hüten, zuviel zu vereinheitlichen.

Und man sollte daran denken, daß derjenige, der die Leitseiten der Universität künftig pflegt (und das wird wohl die Pressestelle sein...), natürlich auch subtilen Einfluß darauf hat, welche Uni-Angebote besonders häufig angewählt werden; denn viele Nutzer klicken sich von der Homepage der Universität zu anderen Angeboten. Je weiter oben in der Seiten-Hierarchie ein Verweis erscheint (wenn er denn überhaupt auftaucht), desto mehr Besucher werden sich die dahinterliegende Seite auch anschauen. Da läßt es zum Beispiel aufhorchen, wenn Pressesprecher Michael Schwarz andeutet, daß im WWW der Uni ja nicht unbedingt weiterhin auf den ruprecht verwiesen werden müsse.

Über die "Nutzungsrichtlinien" für persönliche Homepages wird man sich auch noch streiten können: Keine Politik, wie Prorektor Hüfner andeutet, hochschulpolitische Gruppen aber schon? Die Grenzen zu ziehen wird schwierig werden. Keine kommerziellen Seiten auf Uni-Leitungen? Hoffentlich; aber genauso ist zu hoffen, daß der Radsportverein "Loreley" bleiben kann, auch wenn er nichts mit der Uni zu tun hat.

Möglichst wenig regeln sollte auch hier die Regel sein. (hn)


Trend zur Lehre

Immer mehr Abiturienten setzen auf eine Doppelqualifikation

Nur 38% aller Studienberechtigten haben 1994 direkt nach dem Abitur ein Studium aufgenommen. Immer mehr Abiturienten ziehen es vor, zuerst einmal eine berufliche Ausbildung bzw. Lehre zu absolvieren.

Sie erhoffen sich neben einer positiven persönlichen Entwicklung auch eine günstigere Berufs- und Einkommenschance. Der Anteil derer, die sich für eine Doppelqualifikation (beruflicher Abschluß und anschließendes Studium) entscheiden, differiert jedoch je nach Fächergruppe erheblich. Am größten ist er unter den Wirtschaftswissenschaftlern (33%) und Medizinern (22%), wohingegen die Naturwissenschaftler (5%) und die Juristen (4%) nur in Ausnahmefällen Interesse an einem solchen Ausbildungsweg zu haben scheinen und sich vorzugsweise direkt ins Studium stürzen.

Im WS 1993/94 verfügten bereits 38% aller deutschen Studienanfänger über einen Lehrabschluß - im WS 1985/86 waren es erst 25%. An der Uni haben nunmehr ein Fünftel der weiblichen und 15% der männlichen Studierenden eine berufliche Ausbildung vorzuweisen.

Problematisch ist eine solche Doppelqualifikation nicht nur hinsichtlich der derzeitigen Ausbildungssituation. Obwohl die Bewerberzahlen steigen, ist die Zahl der neuen Ausbildungsverträge rückläufig. Der Anteil der nicht zu vermittelnden Bewerber stieg im Vergleich zum Vorjahr um 6,8%, so daß der verstärkte Einsatz staatlicher Mittel immer notwendiger wird.

Unter dem Eindruck der Rezession reduziert eine große Zahl von Betrieben ihr Ausbildungsplatzangebot, da die Unternehmen keinen Bedarf mehr an neu ausgebildeten Fachkräften haben und für eine Ausbildung hohe Kosten ohne entsprechende Erträge aufwenden müssen. Im Hinblick auf die schlechte wirtschaftliche Lage wird sich diese Entwicklung wohl in den nächsten Jahren noch verschärfen.

Aber auch die Effizienz einer Doppelqualifikation hat sich im Laufe der Zeit als fraglich erwiesen, da Studenten, die eine Lehre absolviert haben, nicht unbedingt qualifizierter zu sein scheinen. Denn die Ausbildung hat inhaltlich meist nur sehr wenig mit dem tatsächlichen Studium gemein. Daher betrachten viele diesen Trend mit Sorge, sie sehen in ihm lediglich eine unnötige Verlängerung der Studienzeit. (saw)


Schauplatz Uni

Hochschule zwischen Buchdeckeln

Was passiert hinter den Kulissen der Uni ? Wer tiefer in die akademische Welt einsteigen will, dem können einige interessante Bücher empfohlen werden, die sich dem trüben Unialltag satirisch nähern.

Das perfekte Handbuch zu den ungeschriebenen Gesetzen der Universität ist für Wissenschaftler im molekularbiologischen Bereich - und nicht nur für solche - Siegfried Bärs Forschen auf Deutsch, ein "Machiavelli" für Forscher, wie der Autor das Buch selbst nennt. Wer später auf diesem Gebiet arbeiten will, wird erstaunt sein, daß neben akademischer Leistung noch viele unvermutete Kniffe zum Überleben notwendig sind. Auf der einen Seite sind Hiwis, Doktoranden und Postdocs (laut Autor 80% aller Forscher), auf der anderen Seite Professoren, MPI-Direktoren etc. So erfährt der Leser vom "akademischen Stoffwechsel", von der Kunst des Paperschreibens, vor allem aber vom geschickten Taktieren und Kungeln im täglichen Uni-Überlebenskampf. In einem der ersten Kapitel lernt man, mit wissenschaftlichen Zeitschriften umzugehen. Die Artikel liest der moderne Forscher nicht, er kopiert sie in einer Art "geistiger Besitzergreifung". Sie hat "den Rang einer rituellen Handlung, die den umständlichen Lesevorgang ersetzt". Gute deutsche Zeitschriften gibt es laut Autor nur wenige, viele beinhalten langweilige Fleiß- und Wiederholungsarbeiten, sowie Vokabeln wie "Spitzenforschung" und "hochqualifiziert", die stets nur von denen verwendet werden, auf die sie nicht zutreffen. Ein wesentliches Kapitel handelt von den Professorenpersönlichkeiten. Anhand von verschiedenen Labormodellen ( I. Die zentrale Diktatur, II. Das liberale Labor, III. Das chaotische Labor etc.) lernt man die entscheidende Persönlichkeit genauer kennen. Der "Magnat" ist die wichtige Person, die in sämtlichen Gremien, Komitees und Ausschüssen agiert und eigene Forschung durch Sitzfleisch ersetzt hat. Der "Papi" dagegen ist die unangenehme Person, die durch pedantische Machtausübung doch nicht erreichen kann, daß das Labor wissenschaftlich erfolgreich ist. Im chaotischen Labor hat sich der Chef ganz aus der Leitung zurückgezogen und beschäftigt sich ausschließlich mit Malerei und Philosophie. Vorherrschaftskämpfe der Postdocs sowie spontane Laborfeste prägen das Bild. Eines haben alle Professoren in diesem Fachgebiet aber (laut Autor) gemeinsam: Sie überlassen die Forschung den anderen. In einem großen Vergleich mit anderen Ländern zieht Bär die Bilanz, daß Postdocs, Doktoranden, Diplomanden und Hiwis wie Sklaven allein die deutsche Forschung ausmachen, während alle permanent Angestellten reine Statisten seien: Sie sitzen in Gremien und Kommissionen, schreiben Gutachten und philosophische Traktätchen, führen Kleinkriege mit der Verwaltung und reisen auf Kongresse, um Ehrungen entgegenzunehmen. Die deutsche Forschung sei im internationalen Vergleich Mittelmaß und viel zu teuer. Um nicht als reiner Polemiker zu gelten, untermauert der Autor seine Thesen mit vergleichenden Daten z.B. des Forschungs-Outputs internationaler (EMBL) und nationaler Organisationen (Uni, DKFZ). In einem weiteren Kapitel wird ein "Blasebalg"-Alternativsystem zur Organisation der Forschung beschrieben, das die Unproduktivität durch ein Leistungssystem ersetzen soll. Der Autor ahnt aber schon: "Auch wird dieses Büchlein auf die Wissenschaftspolitiker soviel Eindruck machen wie das Schwanzwedeln des Ochsen auf die Fliegen, die um sein Hinterteil schwirren." Das Buch endet mit 14 goldenen Regeln zum Überleben in der wissenschaftlichen Welt, von Menschenkunde ("Glaube nicht, daß dein Professor einen besseren Charakter hat als du selbst"), über Studienorganisation ("Vorlesungen sollten geschwänzt oder, wenn das nicht möglich ist, nach dem Prinzip des geringstmöglichen Aufwands besucht werden") bis zu Schmeichel- und Intrigen-Tips für Doktoranden und Postdocs. An diesem satirischen Almanach kommen Biowissenschaftler nicht vorbei. (Siegfried Bär: Forschen auf Deutsch. Verlag Harri Deutsch, Frankfurt a.M. 1993)

Ein Buch ganz anderer Sorte ist der Roman Der Campus des Hamburger Anglistikprofessors Dietrich Schwanitz (Eichborn Verlag, Frankfurt a.M. 1995). Er spielt an der dortigen Universität und soll die Zustände dort genau auf den Punkt bringen. Mit Blick für das Detail spießt der Autor alle Kleinigkeiten des Universitätslebens auf. Die Hauptperson, der "Olympier" Prof. Hanno Hackmann - ein Soziologe - stürzt in eine Sex-Affäre mit der Studentin Babsi. Durch einen unglücklichen Zufall verbreitet sich das Gerücht, ein Professor habe eine Studentin sexuell erpreßt, ja sogar vergewaltigt. Im Laufe des Buches entwickelt sich eine regelrechte Massenhysterie, eine Welle der Empörung, die am Ende über dem berühmten Professor zusammenschwappt. Jede Person des Romans hat Mitschuld an dieser Entwicklung, und Schwanitz seziert hier die Menschen der akademischen Welt: Die alternativen Studenten und Radikalfeministinnen, die das "Schwein" erlegen wollen. Den Rektor, der - um seine Wiederwahl bangend - die Affäre benutzt, um sich als Frauenfreund zu profilieren. Die Frauenbeauftragte, eine penetrante Person, die es allen Männern heimzahlen will. Die Psychotherapeuten, die dem "Opfer" die Tat einreden wollen. Die Presse, die im harten Konkurrenzkampf nur an profitversprechenden Geschichten interessiert ist und mit gezielter Desinformation sowie Lügen und gewaltigen Szenarien den ganzen Skandal überhaupt erst ermöglicht. Am Charakter des Dozenten Bernie, der als C2-Professor nach oben will, porträtiert Schwanitz den aggressiven Karrieristen. Man wird über die interessanten Verknüpfungen von akademischer Karriere und Parteizugehörigkeit sowie über die Erpressungen und Gefälligkeiten des Alltags aufgeklärt. Die Schönheit des Buches liegt vor allem in Details, z.B. den Wortnebeln soziologischer oder philologischer Werke ("Welten aus Bedeutung", "Intension und Referenzsemantik") oder dem Alternativjargon der Studenten. Alles in allem ein exzellenter Roman, so daß sich sogar Marcel Reich-Ranicki zu einem Lob aufraffte: "Ich bin froh, daß ich dies Buch gelesen habe." (ju)


Aktionstag behindert

"Zahltag"-Bündnis protestiert dennoch

Um gegen die von der neuen Koalition aus CDU und FDP geplanten Einführung von Bildungsgutscheinen und Studiengebühren zu je 1000 DM ab dem 14. Semester zu demonstrieren, veranstaltete das Aktionsbündnis Zahltag zeitgleich mit dem Zusammentreten des neuen Landtages einen Aktionstag.

Wohl auf Drängen des Rektorates wurde dieser Aktionstag jedoch so stark eingeschränkt, daß neben der Information der Passanten an Infoständen nur einige "Aktiönchen" stattfinden konnten.

Zwar bestreitet die Pressestelle des Rektorates jede Einmischung: "Das liegt nicht im Einflußbereich der Universität". In einem Schreiben des Amtes für öffentliche Ordnung an die Organisatoren der Aktion aber wird die Ablehnung damit begründet, daß "mit Rücksicht auf den Vorlesungsbetrieb der Universität und die berechtigten Interessen der Anwohner (...) die neben dem genehmigten Infostand geplanten Aktionen" nicht zugelassen werden könnten. Zuvor hatte man den OrganisatorInnen des Aktionstages in der Univerwaltung mitgeteilt, daß "der Rektor diese Veranstaltung nicht wünscht". Im Amt für öffentliche Ordnung wiederum beschied man dem Bündnis, daß das Amt "bezüglich des Universitätsplatzes immer Rücksprache" mit der Universitätsverwaltung hielte.

"Dies ist eine Zensur von politischer Meinungsfreiheit und versuchte Mundtotmacherei. Der alljährliche Weihnachtsmarkt auf dem Uniplatz stört den Lehrbetrieb offensichtlich ja auch nicht", kommentiert man die städtischen Einschränkungen beim "Zahltag". Trotz dieser Einschränkungen putzten einige Studis vorbeifahrenden Bussen die Fenster, um auf die unerträgliche finanzielle Situation vieler nebenbei zum Jobben gezwungener Studis aufmerksam zu machen. Ebenso fand eine "Modenschau" von PH-Gruppe und FSK statt, bei der die neueste StudentInnen-Mode, die aus hübschen Abfallsäcken besteht, gezeigt wurde. Desweiteren wurden u. a. vom Roten Splitter, der PDS-HSG und den Jusos einige kurze Redebeiträge gehalten, die sich hauptsächlich mit dem gesellschaftlichen Reichtum befaßten. Dieser, kritisierten die Redner gleichermaßen, werde ungerecht verteilt. So würden die unteren Schichten immer ärmer und von den Entwicklungschancen immer weiter ausgeschlossen, während Großkonzerne und Reiche immer mehr Steuergeschenke erhielten.

Zur Aufheiterung bot der Rote Splitter außerdem selbstgetextete und live gesungene Musik, während die Jusos Kohlebricketts zum Verkauf anboten und nebenher Wahlkampf zu den Uni-Wahlen für sich machten. Daß die Mobilisierung der Studis nicht ganz so stark ausfiel wie erhofft, lag neben den Organisationsproblemen (so stand kurz vorher noch nicht fest, ob man den Uniplatz bekommen würde - entsprechend kurzfristig konnte kaum Werbung gemacht werden) wohl auch an extrem hohen Temperaturen. Zudem kennen die meisten Studierenden die Studiengebühren-Pläne, BAföG-Verzinsung und stärkerer Leistungskontrollen noch gar nicht genau genug, um sich darüber aufzuregen.

Nicht mehr beim Bündnis ist die Liberale Hochschulgruppe. Nachdem ihr bisher einziges aktives Mitglied sein Studium und damit die Mitarbeit beendet hat, haben einige Mitglieder der Jungen Liberalen die LHG übernommen und erklärten den Austritt. "Die Idee der Bildungsgutscheine (...)" sei richtig und das Zahltag-Bündnis nur "ein klassisches Beispiel für die Einheitsfront-Taktik linksradikaler Gruppen", heißt es in der Presseerklärung. (mj)


Eröffnet

Das Unimuseum

Auch die Ruperto Carola ist jetzt in Vitrinen zu sehen. Die Universität hat sich ähnliche Einrichtungen in St. Petersburg und Krakau zum Vorbild genommen und ein eigenes Museum eingerichtet.

Drei Räume beleuchten verschiedene Epochen aus der Geschichte der Universität: Die der Pfälzer Kurfürsten im 14. bis 18. Jahrhundert, die badische Zeit im 19., und die Umwälzungen im 20. Jahrhundert.

Gemälde, Skulpturen, Fotos und Faksimiles erzählen, durch Texttafeln unterstützt, von der Entwicklung der ältesten deutschen Universität. Wissenschaftliche Apparaturen und Gegenstände des universitären Alltags ergänzen das Bild der Heidelberger "Alma Mater" im schön und ansprechend eingerichteten Museum. Neben den eigentlichen Ausstellungsstücken gibt es auch zwei Leseecken, in denen man z.B. in Biographien Heidelberger Dozenten und Publikationen der Universität schmökern kann. Ein Buch ist mit Selbstdarstellungen der Institute und Einrichtungen der Universität gefüllt.

Das Touristenherz, das mit diesem Museum natürlich auch angesprochen werden soll, wird übrigens demnächst noch höher schlagen können: In der Alten Universität wird dann auch ein "Uni-Shop" eröffnen, in dem man sich mit Devotionalien der Ruperto Carola eindecken können wird. Zudem gibt es Pläne, in einem Saal im Altstadt-Mischdekanat in der Hauptstraße eine Art "Casino" als Treffpunkt für ausländische Studierende, Dozenten und Ehemalige (und ihre deutschen Bekannten natürlich) einzurichten.

Am Rande des Pressegespräches zur Eröffnung des Museums stellten Mitglieder des "Zahltag"-Bündnisses die Frage, warum denn für solch ein "Prestigeobjekt" Geld bereitgestellt werden konnte, wo es sonst überall fehle. Zur Finanzierung verwies man im Rektorat darauf, daß für das Museum keine Landesmittel verwendet wurden, nur Spenden und universitätseigene Mittel; zudem übernehmen Mitglieder der Akademie für Ältere kostenlos die Aufsicht während der Besuchszeiten. (jb/hn)

Das Museum im Erdgeschoß der Alten Universität ist dienstags bis freitags von 10 bis 16 Uhr geöffnet, der Eintritt kostet 3, ermäßigt 2 Mark.


Gebildete Truppe

University of Maryland in Heidelberg

1949. Das Gründungsjahr der NATO. Das Jahr, in dem die University of Maryland ihre Auslandsvertretungen eröffnet. Auch in Heidelberg, neben zahlreichen anderen Stationierungsorten. Und zieht damit sechs Jahre vor dem Beitritt Deutschlands zur NATO auf dem Feld der Fortbildung mit den übrigen Mitgliedsländern gleich.

Die Außenfiliale einer regulären amerikanischen Universität hat die Aufgabe, jeglichem im Ausland stationierten amerikanischen Soldaten sowie Zivilisten, zusätzlich eine Ausbildung zu ermöglichen, die dem US-amerikanischen Universitätsabschluß entspricht. Über 30.000 Armeeangehörige in den Ländern des Bündnisses sowie in Asien, Lateinamerika oder dem Nahen Osten, davon allein 500-600 in Heidelberg, nehmen das Angebot der Abendkurse wahr, in denen sechs Stunden pro Woche über einen Zeitraum von acht Wochen pro Kurs Lehrveranstaltungen laufen. Dabei werden hier die gleichen Bildungsstufen durchlaufen wie an regulären US-amerikanischen Universitäten. Nach zwei Jahren wird dort der Titel des "Associate Degree" verliehen, dem hiesigen Abitur vergleichbar. Im weiteren Zweijahresrhythmus folgen dann der "Bachelor Degree" und schließlich der "Masters Degree", ungefähr dem deutschen Magister gleichzusetzen. Um über die Abendkurse einen "Bachelor Degree" zu erhalten, werden von den Studenten 40 Kurse verlangt, ein Zeitaufwand von ungefähr sechs Jahren. Unterrichtet wird vor allem in den Fächern Geschichte, Wirtschaftswissenschaften, Staatswesen, aber auch Computerwissenschaften. Allerdings hat die University of Maryland mit Ausnahme der Verwaltung dazu keine eigenen Räumlichkeiten zur Verfügung. Somit müssen alle Veranstaltungen in fremden Räumen, Klassenzimmern beispielsweise der Tompkins-Baracks, stattfinden. Bündnisweit beläuft sich die Anzahl dergestalt zur Verfügung gestellter Plätze auf ungefähr 100. Trotz der sehr eingeschränkten Lehrmöglichkeiten sind die Kosten dieser Form der Ausbildung recht hoch, mit 10.000 Dollar für die Ausbildung bis zum "Bachelor Degree" häufig zu hoch für viele Armeeangehörige. Für Soldaten übernimmt jedoch der amerikanische Staat 75% der Kosten.

Daß diese Institution ausschließlich für US-Amerikaner zugänglich ist, sähen die Verantwortlichen gerne anders, doch geraten sie hier mit dem deutschen Bildungssystem in Konflikt, das diese Abschlüsse nicht anerkennt. So bleiben als Kontaktforen nur die Abschlußfeiern der einzelnen Jahrgänge, zu denen immer wieder hochrangige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens als Festredner eingeladen werden. Dieses Jahr bemühte sich Charles Redman, US-Botschafter für Deutschland, in den Mannheimer Rosengarten. Gewöhnlich allerdings wird im Patrick-Henry-Village gefeiert, aber keineswegs mit geringerem Aufwand: David Goldstone, Chefankläger des Den Haager UN-Kriegsverbrechertribunals, gab sich hier bereits die Ehre. (rot)


Isis und Osiris

Ganz unter sich: die Ägyptologen

Die Ägyptologen und ihr Institut zu finden ist nicht ganz einfach. Es befindet sich im obersten Stock des Gebäudes der Altertumswissenschaften am Marstallhof, sozusagen unterm Dach.

Dort sieht man Studenten, die über Hieroglyphen brüten, riesige Bücher wälzen oder den Institutskatalog nach Literatur durchforsten. Institutsleiter Professor Jan Assmann, seine Assistentin sowie einige Lehrbeauftrage arbeiten hier mit etwa 35 Hauptfachstudenten und einigen Nebenfächlern daran, unseren Kenntnisstand über die ägyptische Kultur zu erweitern. Unterstützt werden sie von Frau Prof. Erika Feucht, die eine außerordentliche Professur bekleidet.

Die Ägyptologie hat die altägyptische Hochkultur mit all ihren Aspekten zum Gegenstand. Das bedeutet, daß sie eine sowohl archäologisch als auch philologisch ausgerichtete historische Wissenschaft ist. Diese Bereiche lassen sich aufgrund der Besonderheit der ägyptischen Kultur kaum trennen. Ebenso vielfältig wie die antike ägyptische Kultur fällt demnach auch die Ägyptologie aus: Religionsgeschichte, Sprachgeschichte, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte, Kunst- und Architekturgeschichte...

Während Kenntnisse des Mittelägyptischen im Grund-, des Alt- und Neuägyptischen sowie des Koptischen und Hieratischen im Hauptstudium vermittelt werden, sollten Kenntnisse in den Sprachen Englisch, Französisch, Niederländisch, Italienisch (in speziellen Fällen Russisch und Spanisch), Latein, Altgriechisch bereits vorhanden sein oder nebenher erarbeitet werden. Für die Feldarbeit in Ägypten sind Kenntnisse des Ägyptisch-Arabischen, der Sprache, die heute im Land am Nil gesprochen natürlich "unabdingbar".

Der Schwerpunkt der Ägyptologie in Heidelberg liegt in den Bereichen Religionswissenschaft und interdisziplinärer Kulturenvergleich. Hier trägt sie Erkenntnisse über eine Kultur und Sprache bei, deren einzigartige dreitausendjährige Geschichte sich aus vielfältigen Überlieferungen rekonstruieren läßt Als solches liefert das Heidelberger Institut einen wertvollen Beitrag zur Ausdehnung unseres kulturanthropologischen Ausblicks bis in die Frühzeit. (fw)


"Deutsche" Physik

Nobelpreisträger Philipp Lenard

Philipp Lenard oder der Niedergang eines begnadeten Physikers - so könnte man in knappen Worten die Lebensgeschichte des Heidelberger Nobelpreisträgers beschreiben. Die naturwissenschaftlichen Leistungen Lenards sind gar nicht hoch genug zu bewerten; allerdings werden sie immer unter dem Schatten seiner späten Jahre stehen, die durch die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes geprägt sind und durch die ideologische Verblendung, die ihn dann als Wissenschaftler recht schnell in die Bedeutungslosigkeit geführt hat.

Am 7. Juni 1862 geboren, fühlte der junge Lenard recht schnell, daß er nicht dazu berufen war, in die Fußstapfen seines Vaters, eines Weinhändlers, zu treten. Nach abgeschlossenem Studium wurde er in Heidelberg Assistent bei dem bedeutenden Professor Quincke. Nach einem halbjährigen, für ihn enttäuschenden England-Aufenthalt zog es Lenard nach Bonn, wo er als Assistent von Heinrich Hertz, dem Wegbereiter der Rundfunktechnik, seinen Forschungsdrang ausleben konnte. Und dies erwies sich als absoluter Glücksgriff, denn die Jahre 1891-1894 brachten ihm den großen Durchbruch. Lenard leistete bahnbrechende Arbeit auf dem Gebiet der Kathodenstrahlen, die er als erster als Elektronen identifizierte - oder vielmehr stellte er die Existenz der Elektronen überhaupt erst fest. Lenard bezeichnete sie erst als Quanten, um begrifflich klarzumachen, daß sie keine Strahlung wie zum Beispiel Licht bzw. elektromagnetische Wellen sind, sondern aus geladener Materie bestehen. Auch ist ihm die Vorstellung zu verdanken, daß ein Atom nicht undurchlässig ist.

Aus Karriereerwägungen nahm Philipp Lenard im Jahre 1895 eine Professorenstelle für theoretische Physik in Breslau an. Dies bezeichnete er später selbst als seinen größten Fehler, da er seine erfolgreichen Bonner Versuche im schlecht ausgerüsteten Breslauer Institut nicht fortsetzen konnte. Seiner Meinung nach hätte er sonst die Röntgenstrahlen als Erster entdeckt, denn erst mit seiner Hilfe sei es Röntgen gelungen, die für die Erzeugung der X-rays nötigen äußerst leistungsfähigen Geräte zu bauen. Freiwillig ließ er sich also zum Assistenten nach Aachen zurückversetzen, um die ihm immer verhaßter werdende Theorie zu verlassen und sich wieder der Naturbeobachtung zu widmen. Nicht viel später nahm er dann eine Professorenstelle in Heidelberg an und veröffentlichte erneut bedeutende Werke. In dieser Zeit kam es dann zu einer Auseinandersetzung mit J.J. Thomson, der Lenards Arbeiten als eigene Leistungen ausgab. Dies war wohl auch der Auslöser eines zuerst noch latenten England-Hasses, der sich bis zum Ersten Weltkrieg dauernd steigerte.

Bei der Verleihung des Nobelpreises 1905 hätte er wegen einer Schwellung der Lymphknoten, die nur operativ zu heilen war, beinahe nicht anwesend sein können. Diese schwere Erkrankung scheint seine Kreativität stark beeinträchtigt zu haben, denn seit dieser Zeit war er als Wissenschaftler bedeutungslos.

1907 wurde er zum Leiter des physikalischen Instituts in Heidelberg. Er war dort als Dozent äußerst beliebt, da er seine Vorlesungen mit faszinierenden Experimenten begleitete und geradezu als ein Priester der Physik auftrat. Langsam war er den neuen mathematischen Anforderungen der theoretischen Physik nicht mehr gewachsen, und er entwickelte sich zu einem engstirnigen Verfechter der Naturbeobachtung und Gegner der Theoretiker. War bis dahin von Antisemitismus noch nichts zu spüren, schürte nun insbesondere die Person Einsteins seine dem Zeitgeist entsprechenden rassistischen Ideen. Einstein personifizierte Lenards Feindbild geradezu: Pazifist, Internationalist, Anhänger der Weimarer Republik, ein Theoretiker, der ausgerechnet besonders von den Engländern gefeiert wurde; Lenard schloß sich dann 1920 einer Gruppe um Weyland an, die Einstein bekämpfte. 1920 kam es in Bad Nauheim auf dem Kongreß der "Deutschen Naturforscher" zu einer berühmten Diskussion über die Relativitätstheorie, die nur knapp einem Ende im Tumult entging.

1922 verlor Lenard dann alle Hemmungen und brachte zu seinem Werk über den Äther ein Mahnwort an die "Deutschen Naturforscher" heraus, in dem er vor Einsteins "Theorien" warnt und zur Besinnung auf "Deutsche Wahrheit" aufruft.

Das Ereignis, das Lenard dann zum Hitleranhänger und Rassisten machte, fand am 27. Juni anläßlich der Beerdigung des ermordeten Wirtschaftsministers Rathenau statt. Der Bestimmung der Regierung, die Fahnen auf Halbmast zu hängen, kam der Heidelberger Institutsleiter nicht nach und provozierte somit die Stürmung des Instituts durch einige hundert Arbeiter, die ihn durch die Stadt trieben, wo er dann letztlich festgenommen und mit Institutsverbot bestraft wurde. Eine Unterschriftenaktion von 600 Heidelberger Studenten führte zwar zu seiner Wiedereinsetzung, aber in der Folgezeit verkehrte er immer mehr in rechtsradikalen Kreisen. Als auch noch die Anführer der Institutsstürmung, im übrigen Juden, freigesprochen wurden, wurde er endgültig zum Rassisten. Nach öffentlichen Bekenntnissen zu Hitler war sein Laboratorium immer mehr ein Zentrum rechtsradikaler Politik.

Als er 1927 seine Pensionierung beantragte, und die Juden James Franck, Gustav Hertz (beide Nobelpreisträger) und der anglophile Hans Geiger (berühmt durch das nach ihm benannte Zählrohr für radioaktive Strahlung) als Nachfolger vorgeschlagen wurden, zog er es vor, noch einige Jahre im Amt zu bleiben, bis er 1931 emeritiert wurde. Im Ruhestand veröffentlichte er mit 73 Jahren sein vierbändiges Werk "Deutsche Physik", in dem er Einstein persönlich, die jüdische Wissenschaft im allgemeinen und alle nicht-arische Forschung verdammte und die moderne Physik der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik, obwohl inzwischen schon zu großen Teilen belegt und weltweit anerkannt, völlig ignorierte. Im Vorwort stößt man auf Sätze wie "Die Relativitätstheorie des wohl reinblütigen Juden A. Einstein wollte die ganze Physik [..] beherrschen. [..] Dem Juden fehlt auffallend das Verständnis für Wahrheit. [..] Juden sind überall." und "Es wird aber das Volk, das einen Kepler [..] herausgebracht hat, sich wieder zu finden wissen, so wie es als Erbe Friedrichs des Großen und Bismarcks politisch wieder einen Führer eigenen Bluts gefunden hat." Leider ist dieses Vorwort in der Ausgabe in der Zentralbibliothek im Philosophenweg in letzter Zeit von unbekannter Hand fein säuberlich herausgetrennt worden: auch eine Art von Vergangenheitsbewältigung.

Philipp Lenard starb am 10. Mai 1947 in Messelshausen. (te)


Wunderland Frankreich

Christian Ebinger, zur Zeit Uni Grenoble, über uni-organisatorische Alternativen

In der Studienreform-Diskussion wurde in Deutschland oft die drohende "Verschulung" der Universität beschworen. Wie kommt es, daß sie in Frankreich Realität ist, eine Realität, in der aber gleichzeitig viele Dinge verwirklicht sind, die von einer Studienreform bei uns schon lange erwartet werden? Verschulung bedeutet dabei zunächst Organisation des Studiums nach Schuljahren, in denen richtiggehende Klassenarbeiten geschrieben werden, und am Schluß dann die jährlichen Prüfungen.

Effekt: Die Herren und Frauen Professoren sind an ständiges, massenhaftes Prüfen und Korrigieren derselben Fragestellungen, also von "Lehrbuchwissen", gewöhnt. Demgegenüber besteht ja der einzige, dafür aber überwältigende Konsens deutscher Professoren gerade darin, daß man über Lehrbuchwissen nicht redet, man hat es einfach. (Der wohl meistgehörte Satz in deutschen geisteswissenschaftlichen Vorlesungen: "Das führe ich jetzt nicht weiter aus, das können sie in jedem Lehrbuch nachlesen".)

Es liegt wohl an dieser ständigen Übung im Korrigieren solcher Klausuren, daß die Vorlesungen dann sehr pädagogisch und überblicksorientiert sind. Der deutsche Student kann sich da eine Vorlesung über das 17. Jh. anhören, die so gut wie alle Länder Europas umfaßt, in der demographische und kulturelle Vergleiche mit China angestellt werden und die dann beispielsweise auch eine Doppelstunde nur über "Ästhetik" enthält.

Woher nehmen die französischen Professoren bloß den Mut, auf die Sicherheit und natürlich auch die wissenschaftliche Fundiertheit ihres Spezialgebietes zu verzichten und auf Lehrbuchniveau solche kühnen Quer-Beet-Flüge zu unternehmen, die ja für geschichtliche Allgemeinbildung und Examenswissen sehr nützlich sein können?

Entsprechend existiert auch eine rege Lehrbuchproduktion. Da hat der Student in der UB für deutsche Verhältnisse märchenhaft einfache Lehrbücher in großer Auswahl vor sich, total positivistisch, wie ihm sein deutsches Gewissen noch einflüstern will, aber es ist einfach zu schön: Für jedes Jahrhundert ein handliches Lehrbuch, die wesentlichen Stichworte sind fett hervorgehoben - und alles nicht nur auf ein Land oder auch nur auf Europa beschränkt!

Referate werden, in der zweiten Hälfte des Schuljahres vor versammelter Vorlesung gehalten, auf 20 Min. beschränkt. Der Professor nutzt dann die Gelegenheit, seine Vorlesungszeit, die in Deutschland ja komischerweise noch für die speziellsten Themen viel zu knapp ist, seinen Studenten ausführlichst beizubringen, wie man ein rhetorisch (!) gutes 20-Minuten-Referat zustandebringt. Er erklärt in dem Zusammenhang auch, wie man die bevorstehenden mündlichen Prüfungen angehen solle. Man ist also nicht nur in einer sehr pädagogischen Überblicksvorlesung, sondern bekommt gleich noch praktische Betreuung mit.

Auch wenn das wissenschaftliche Niveau viel niedriger ist, so frage ich mich doch, ob bei dieser besseren Betreuung, bei dieser pragmatischeren und pädagogischeren Studienweise nicht sinnvoller gearbeitet und gelernt wird und schließlich eine bessere Grundlage für eigenes Denken entsteht als "outre-Rhin".


Leserbriefe

die ihr uns schriebt

zu "Zahltag" plant Schlag" auf Seite 1 in ruprecht Nr. 42

Hallo ruprecht!

Wir vom Zahltag-Bündnis finden es zwar gut, daß ihr an so exponierter Stelle über unsere Aktivitäten berichtet, doch möchten wir zu Eurem letzten Leitartikel einiges klarstellen:

- Die vom Autor für die angebliche Zerstrittenheit angeführte Ursache (Debatte über die "privatwirtschaftliche Organisation der Hochschule") wurde bei uns nie thematisiert und kann deswegen auch keine Ursache für irgendeinen Streit sein.

- Zwar ist die LHG nicht mehr dabei, dies liegt jedoch daran, daß ihr bisher einzig aktives Mitglied sein Studium demnächst beendet und die Julis sich den Korpus LHG einverleibten und böse Presse-Faxe in die Welt schicken, in denen sie sich von uns distanzieren.

- Unserer Überzeugung nach war der Grund für den RCDS-Ausstieg nicht die Antipathie gegen den DGB, sondern die Mitarbeit der PDS-Hochschulgruppe.

- Insbesondere wenden wir uns gegen den Eindruck, das Bündnis wäre von konkurrierenden Parteiinteressen geprägt. Fakt ist, daß aus unseren manchmal auch kontrovers geführten Diskussionen inhaltliche Arbeit und Aktionen resultieren, die in dem Artikel leider keine Erwähnung finden.

- Was versteht man denn unter "tendenziell linksstehenden Partizipanten"? Ist es denn schon gleich total links gesinnt, wenn Studis fast aller weltanschaulichen Richtungen sich gegen unsoziale Rückschritte, wie Studiengebühren, wenden?

- Daß Studiengebühren ab dem 14. Semester geplant, und nicht ab dem 15. Semester beschlossen wurden, wollen wir zur Richtigstellung noch kurz anmerken.

Dem Journalismus-Anspruch des ruprecht wird der Artikel also leider nicht gerecht, was sehr ärgerlich ist, gerade bei der Wichtigkeit des Themas. Um derartige Unfälle in Zukunft zu vermeiden, würden wir uns freuen, von Zeit zu Zeit eineN Ruprecht-RedakteurIn bei uns begrüßen zu dürfen.

Das Zahltag-Bündnis

zu Die 10 wichtigsten Fragen der Welt... auf Seite 12 in ruprecht Nr. 42

Guten Tag,
in Ihrer Studentenzeitung haben Sie Beiliegendes [o.g. Artikel, d. Red], was wohl witzig sein sollte, aber ziemlich geistlos ist. Zudem läßt es auch Respekt vor sehr persönlichen Gefühlen und Empfindungen anderer Menschen vermissen.
Ich denke, es stünde angehenden Akademikern ein höheres Niveau und mehr Respekt vor Menschen gut.

Mit freundlichem Gruß
Winfried Belz


Gegendarstellung

zum Artikel "Sieg - Frauenförderplan" in ruprecht 42 vom Juni 1996

Der Artikel "Sieg" zum Frauenförderplan der Universität Heidelberg in ruprecht 42 ist in seinen wichtigsten Aussagen falsch, in anderen tendenziös, und daher mit der journalistischen Sorgfaltspflicht schwer vereinbar. Er legt den Verdacht nahe, daß ruprecht nicht an sachlicher Berichterstattung interessiert ist, soweit es um Gremienentscheidungen der Universität geht. Gerade für eine Zeitung wie ruprecht, die sich an Studentinnen und Studenten wendet, ist diese Falschmeldung schwerwiegend. Sie vergibt außerdem die Chance, Studentinnen und junge Wissenschaftlerinnen werbend auf die neuen Möglichkeiten der Frauenförderung aufmerksam zu machen und ist insofern in ihren Auswirkungen eher frauenfeindlich.

Falsch ist, daß der Plan vom Senat "in der vorgelegten Form schließlich abgesegnet" wurde, wie die Autorin im Vorspann behauptete, und später präzisiert: "Und zwar in der Form, wie er vorher schon vorgelegt worden war, nämlich mit 15 Stellen im Pool". Tatsächlich wurde der Frauenförderplan nach einer Reihe von Verhandlungen aller Beteiligten zwischen den beiden angesprochenen Sitzungen des Senats in stark modifizierter Form verabschiedet, soweit es um den Stellenpool für Habilitandinnnen als das zentrale Element des Plans geht. Statt der ursprünglich geforderten, von den Fakultäten abzugebenden 15 Stellen sieht er jetzt vor, daß pro Jahr aus zentralen Universitätsmitteln sechs halbe Stellen finanziert werden, während die andere halbe Stelle von dem an der Besetzung interessierten Lehrstuhl oder Institut kommen muß. Dadurch soll ein "Anreizsystem von gemischt finanzierten Stellen" geschaffen werden.

Nach allem kann keineswegs von einem "Sieg" der einen Seite gesprochen werden, weil der Senat den ursprünglichen Plan erst in einer sehr stark modifizierten Form akzeptierte. So sieht es auch die Frauenbeauftragte Dr. Margret Schuchard, die zurecht feststellt: "Von Sieg oder Niederlage kann in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein, denn der Frauenförderplan ist in der gemeinsamen Anstrengung aller in einem langen Entwicklungsprozeß entstanden: des Senatsausschusses (SAFRAN) und der Frauenbeauftragten, des Senats und seiner Dekane und des Rektorats. Gerade der Rektor hat schon in einer frühen Phase die Chance eröffnet, daß der Schwerpunkt des Frauenförderplans in einer Unterstützung von Habilitandinnen durch Mittel der Universität liegen könnte."

Auch der Verwaltungsrat ist in seiner Sitzung am 27. Juni 1996 dem Vorschlag des Senats gefolgt und hat ein Programm im Umfang von zwei mal sechs halben Stellen zur Förderung von Habilitandinnen, verteilt auf zwei Jahre, gebilligt.

Tendenziös ist schließlich auch die Darstellung eines Fernsehbeitrags des Süddeutschen Rundfunk in dem ruprecht-Text, wenn es dort heißt: "Daß die Universität Heidelberg in diesem Beitrag der 'Landesschau' nicht gerade den Eindruck hinterließ, die Nase in Sache Frauenförderung vorn zu haben, schien den Rektor doch nicht ganz kalt gelassen zu haben." Auch hier hat die Darstellung mit den Tatsachen nichts zu tun. Im Gegenteil kritisiert Rektor Prof. Ulmer die TV-Autorin Dr. Irene Klünder nicht nur öffentlich vor dem Senat, sondern auch in einem Protestbrief. Dieses Schreiben spricht für sich: "Ihre schon beim Interview angedeutete Absicht, hier eine 'Schwarz/Weiß'-Sendung zu produzieren, haben Sie trotz meiner Gegenvorstellung in eindrucksvoller Form durchgesetzt... Aus den etwa 10 Minuten Interview zwischen uns haben Sie einen einzigen Satz zitiert, der völlig aus dem Zusammenhang gerissen und dadurch verfälscht worden war; Ihrer Intention kam das offenbar zugute. Meine zwischenzeitlichen Recherchen haben demgegenüber ergeben, daß der angeblich so fortschrittliche Frauenförderplan der Universität Tübingen im wesentlichen aus unverbindlichen Aussagen ohne jede Haushaltswirksamkeit besteht, wobei zudem der Schwerpunkt bei den Fakultäten liegt, die jedoch ebenfalls keine haushaltswirksamen Festlegungen getroffen haben. In den anderen Landesuniversitäten ist die Situation, soweit es dort überhaupt schon Frauenförderpläne gibt (es ist die Minderheit) nicht anders." Die Universität Heidelberg, heißt es weiter in dem Brief an die TV-Autorin, ist "die erste im Lande, die ein solches Instrument bereitstellt. Ich würde es nur fair finden, wenn Sie bei nächster Gelegenheit auf diesen Umstand hinweisen wollten."

Was ruprechts Falschmeldung um so bedauerlicher macht, ist die Tatsache, daß die Redaktion es ablehnte, auf den Vorschlag der Universität einzugehen, statt dieser Gegendarstellung selbst eine Richtigstellung zu verfassen, zum Wohl der Sache, also der Frauenförderung an der Universität Heidelberg: eine vergebene Chance, für die Sache der Frauen zu werben. Denn die hier dargestellten Details sind nur ein Teil aus dem Gesamtpaket Frauenförderplan. Selbst das Angebot der Frauenbeauftragten, ihre Sicht der fraglichen Dinge in ruprecht zu veröffentlichen, lehnte die Redaktion ab.

Dr. Michael Schwarz

Pressesprecher der Universität Heidelberg

Tatsächlich richtig ist, daß der Frauenförderplan in modifizierter Form, nämlich mit 12 Stellen und Mischfinanzierung beschlossen wurde. Daß dieser Punkt im letzten ruprecht anders dargestellt wurde, lag daran, daß eine gut informierte und bisher immer verläßliche Quelle mir aus Versehen eine falsche Information gab.

Nicht den Tatsachen entspricht, daß der Frauenförderplan "nach einer Reihe von Verhandlungen aller Beteiligten zwischen den beiden angesprochenen Sitzungen des Senats in stark modifizierter Form verabschiedet" wurde. Nach der ersten Senatssitzung am 19. März hat der Rektor keinen Änderungswunsch mehr an den SAFRAN und die Frauenbeauftragten herangetragen und somit nicht mehr auf die weitere Modifizierung des Plans Einfluß genommen. Vielmehr haben der SAFRAN und eine Reihe von Dekanen den Förderplan nach der ersten Ablehnung durch den Senat geändert. Der Rektor war in jener Senatssitzung nicht anwesend.

Das Zitat der Frauenbeauftragten stammt aus einem Text, den sie, nach Drängen des Pressesprechers, diesem als "Argumentationshilfe" hat zukommen lassen, weil er laut eigenen Aussagen nicht so vertraut mit den Vorgängen sei. Ihr Text wurde schließlich nicht nur zitiert, sondern es wurde vorher auch versucht, ihn als "Gegendarstellung" der Frauenbeauftragten zu veröffentlichen.

Wenn an der Universität ein Plan in die Realität umgesetzt werden soll, muß dieser zuerst im Senat beschlossen und dann dem Verwaltungsrat zur eigentlichen Beschlußfassung vorgelegt werden. Zwar ist es keine Selbstverständlichkeit, daß der Plan dann auch angenommen wird, doch entspricht der Ablauf im Falle des Frauenförderplans dem üblichem Weg; es ist also kein besonderer Verdienst des Senats, daß "auch der Verwaltungsrat" dessen Vorschlag "gefolgt" ist und den Plan "billigte".

Die Situation in bezug auf den Frauenanteil der C2- bis C4-Professuren und Frauenförderung ist an anderen Landesuniversitäten nicht unbedingt sehr viel schlechter, aber auch nicht besser. Im Bundesvergleich schneidet die Universität Heidelberg allerdings sehr viel schlechter ab, da die Frauenförderung in anderen Bundesländern viel weiter fortgeschritten ist. Der Anteil der zentralen Mittel beim Frauenförderplan Heidelbergs wird aus dem "Spartopf" der Universität finanziert, d.h., daß für den Plan keine etatisierten Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden. Das Programm wurde als Pilotphase von zwei Jahren vorgeschlagen. Der Beschluß des Verwaltungsrates vom 27.6. schränkt darüberhinaus den Vorschlag des Senats ein; denn dort heißt es: "Der Verwaltungsrat stimmt der Vergabe von Personalmitteln im Umfang von bis zu 6/2 BAT IIa-Stellen im ersten Jahr und von weiteren 6/2 BAT IIa-Stellen im zweiten Jahr zu mit der Maßgabe: (...) daß die Haushaltslage der Universität in den Jahren 1997 und 1998 keine drastische weitere Verschlechterung erfährt." Dies bedeutet also, daß die Finanzierung des Planes nicht einmal in den ersten zwei Jahren gesichert ist und man somit hier nicht von Haushaltswirksamkeit in vollem Ausmaß reden kann. An anderen Universitäten, werden Stellen für Frauen nicht aus gesonderten Mitteln finanziert, sondern sind im Gesamthaushalt der Universität enthalten, weswegen deren Anteil auch nicht explizit aufgeführt ist. Der schon '92 beschlossene Förderplan Tübingens fordert Fakultätsförderpläne, die, im Gegensatz zum Heidelberger Plan, konkrete Vorgaben enthalten; z.B. soll in der Biologie die Zahl der Promovendinnen auf 50%, die der Assistentinnen auf 39%, die der Habilitandinnen auf 25% steigen und drei C2- oder C3-Stellen und eine C4-Professur mit Frauen besetzt werden.

Da das Rektorat dem besagten ruprecht-Artikel scheinbar viel Gewicht beimißt, haben wir den ungekürzten Text des Pressesprechers abgedruckt. In der Regel (und nach dem Buchstaben des Pressegesetzes) ist eine Gegendarstellung nicht länger als der Text, auf den sie sich bezieht, und beinhaltet nur Fakten.

Gundula Zilm

Redakteurin des ruprecht


Heidelberg


Unerwartete Rettung

Das Frauen-Nachttaxi wird doch weitergeführt

Ganz knapp war es, und daß ausgerechnet ein ehemaliger Republikaner das Frauen-Nachttaxi retten würde, hatte wohl niemand in der Runde geglaubt. Doch mit einer Stimme Mehrheit beschloß der Gemeinderat vor drei Wochen dessen Fortführung.

Die Entscheidung fiel am 13.6. in der Sitzung des Gemeinderates: An diesem Tag sollte die Zukunft des Nachttaxis beschlossen werden, die gar nicht so rosig aussah. Gespart werden mußte, denn Mittel in Höhe von DM 130.000 waren gesperrt. Doch wie gespart werden sollte, darüber gingen die Meinungen der einzelnen Parteien weit auseinander. Die SPD und die GAL wollten das Nachttaxi am liebsten in der bisherigen Form fortsetzen, mußten sich jedoch den Einsparungsmaßnahmen beugen und fanden schließlich zu einem Kompromiß: geringfügige Preiserhöhung und leichte Fahrzeitenänderung. Die Freie Wähler Vereinigung (FWV), die vor vier Jahren das Projekt selbst mit ins Leben gerufen hatte, und Die Heidelberger sprachen sich gegen das Nachttaxi in der bisherigen Form aus. Sie plädierten nicht nur für weitaus höhere Preise, sondern auch für eine starke Einschränkung der Fahrzeiten: Bisher konnte der Service von Frauen und Mädchen ab 14 Jahren von 22 bis 6 Uhr, im Winter schon ab 20 Uhr genutzt werden. Die beiden Parteien waren der Meinung, daß es dem Steuerzahler nicht weiter zugemutet werden könne, Frauen die Fahrten zur Arbeit und das "nächtliche Hin- und Herfahren von einer Party zur nächsten" zu finanzieren. Denn "Frauen, die nachts länger als zwei Uhr unterwegs sind, sind für ihr sicheres Nachhausekommen selbst verantwortlich," erhob Wolfgang Luckenberger von den Heidelbergern den moralischen Zeigefinger. Deshalb schlugen sie vor, das Nachttaxi nur bis 2 Uhr, am Freitag und Samstag bis 3 Uhr anzubieten. Wer darin den eigentlichen Sinn des Frauen-Nachttaxis, nämlich Frauen nachts eine sichere Transportmöglichkeit zu bieten, pervertiert sieht, liegt gar nicht falsch: Die Heidelberger gingen weiter und forderten statt des Frauen- ein Sozialtaxi, das auch von Männern ab 65 Jahren benutzt werden kann. Doch daß dann auch die jungen Männer - und so schließlich alle - das Taxi benutzen können müßten, weil die ja auch Opfer von Verbrechen werden können, würde das Projekt schließlich ad absurdum führen. Dies sahen dann auch alle anderen Gruppierungen ein, so daß dieser Vorschlag erst gar nicht zur Abstimmung kam. Die CDU unterstützte zwar nicht diese Forderung des "Sozialtaxis", stimmte aber in den anderen Punkten mit der FWV und den Heidelbergern überein. Sie war der Meinung, daß die für das Nachttaxi gesperrten Gelder lieber für die Verbrechensbekämpfung ausgegeben werden sollten.

Diese Vorschläge standen am 13. Juni im Gemeinderat zur Debatte und schließlich zur Abstimmung. Die Überraschung war dann auch groß, als wider allgemeiner Erwartung das SPD/GAL-Modell angenommen wurde, und zwar mit gerade einer Stimme mehr; Zünglein an der Wage war der ehemalige Republikaner, jetzt parteilose Werner Beck geworden, der unerwartet für dieses Modell gestimmt hatte. Dafür votierten außerdem noch die FDP, LD, Studi-Liste und Beate Weber.

Ab dem 1. Juli wird eine Fahrt mit dem Frauen-Nachttaxi nun eine Mark mehr, also DM 10 kosten, für Studentinnen, Schülerinnen und Inhaberinnen von einer VRN-Monats- oder Jahreskarte DM 8. Die Zeiten bleiben jedoch auch im Winter auf 22 bis 6 Uhr beschränkt, dafür dürfen Frauen über 60 Jahren das Angebot ab 20 Uhr nutzen. Mit diesem Modell erhofft man sich ein Fünftel weniger Lasten für den Haushalt; im vergangenen Jahr wurden immerhin fast 29.000 Fahrscheine verkauft, womit 43 % des Gesamtaufkommens gedeckt wurden.

Das Frauen-Nachttaxi ist also erst einmal der Todesschlinge entkommen, doch eine langfristige Lösung konnte man aufgrund der unsicheren Finanzlage nicht erringen. So kann es also durchaus sein, daß schon in der nächsten Haushaltssitzung Ende des Jahres das Thema nochmals angeschnitten und debattiert wird. All denjenigen, die noch eine Karte zu den alten Preisen besitzen, wird deshalb geraten, von dem dreimonatigem Rückgaberecht bis zum 30.9. Gebrauch zu machen, um schnell noch ein wenig des Nachts von Party zu Party fahren zu können. (gz)


Tödlich

Deutsche Minen

Oft noch viele Jahre nach einem Krieg bedrohen verminte Landstriche die Bevölkerung, zerfetzen Arme und Beine, fordern oft tödliche Opfer. Die Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden, eine der 30 Gruppen des Eine-Welt-Zentrums im Karlstorbahnhof, hat nun eine Minen-Kampagne organisiert, deren Auftaktveranstaltung (in Zusammenarbeit mit medico international) letzten Freitag stattfand: ein einführender Vortrag, eine Fotoausstellung sowie ein beweglicher Prothesenmensch veranschaulichten die Leiden der Betroffenen. Den Schwerpunkt der Aktion stellt die bundesweite Minenkonferenz im September dar, die handlungsorientiert angelegt ist und als Ziel die völlige Aufgabe der Produktion von Minen durch deutsche Konzerne hat. Eine Veranstaltung, die die am 7. Juli um 11 Uhr im Karlstorbahnhof stattfand, wendete sich gegen die Daimler Benz AG als größten deutschen Minenhersteller. (lk)

Weitere Informationen unter 161978.


Kultur


All women merely players

As you like it am Anglistischen Seminar

Der Turm der Jesuitenkirche ragt steil in den Abendhimmel, über dem Garten des Anglistischen Seminars liegt schon leichte Dämmerung.

Eine energische Stimme durchbricht die Ruhe. Rosalind, stay a man. Das gleiche noch mal von vorn! Wir sind auf einer Probe der Schauspielgruppe des Anglistischen Seminars zu Shakespeares As you like it. Die Stimme gehört Annette Kippenhahn, der Regisseurin, und nun geht sie auf die Bühne und führt Rosalind ihre Vorstellung vom Auftreten einer als Mann verkleideten verliebten Hofdame vor.

Die (fast ausschließlich weibliche) Anglistentruppe spielt diesen Sommer nicht im Romanischen Keller, sondern in der spätbarocken Anlage zwischen dem Romanischen und dem Anglistischen Seminar. Spielt das Wetter nicht mit, wird die Aufführung ins Institutsgebäude verlegt. Eigentlich erstaunlich, daß in dem Garten noch nie zuvor gespielt wurde, denn er eignet sich fabelhaft als Bühne: eine wundervolle Atmosphäre zwischen den Hecken und alten Mauern, zudem gute Akustik.

Die Regie nutzt die Möglichkeiten dieser Umgebung. Anstelle der Galerie der Shakespearebühne werden die Fenster des Anglistischen Seminars als Empore verwendet, und das Carré, in dem gespielt wird, bietet wahrscheinlich noch mehr Aufgänge als das selige Globe.

Aber warum eigentlich Shakespeare? Annette Kippenhahn hat gleich mehrere Antworten auf Lager: seine Zeitlosigkeit, sein wunderschönes Englisch, die Art, wie seine Stücke die Menschen karikieren. Nicht zuletzt sei es aber für Anglisten besonders reizvoll, Shakespeare auf diesem Wege kennenzulernen: sozusagen in seiner natürlichen Umgebung - dem Theater.

So ist das Englisch des elisabethanischen Autors für die Truppe ein weiterer Reiz der Inszenierung: Drei Sprachtrainer arbeiteten in Extraproben am richtigen Sprachgefühl.

Obwohl die Schauspielgruppe schon fast dreißig Jahre existiert, ist die Fluktuation unter den Mitgliedern, übrigens nicht nur Anglisten, sehr stark. Im letzten Wintersemester hatte Annette Kippenhahn, die 1982 als Schauspielerin bei der Truppe anfing und jetzt ihr sechstes Stück inszeniert, nur eine Handvoll Leute in ihrem Workshop. Am Anfang des Sommersemesters waren es dann plötzlich 15-16 Theaterbegeisterte. "Da wollte ich mal einen Shakespeare probieren."

Besonders wichtig ist der Regisseurin, daß Kultur nicht nur ernstgenommen werden, sondern auch Spaß machen soll. Das scheint zu funktionieren: die Stimmung ist trotz der konzentrierten Probenarbeit gelöst, was sich auch auf das Stück auswirkt: Antje Pohsegger als Rosalind und Sita Schanne als Celia merkt man an, daß das Zusammenspiel klappt. (gan)


Durch Lissabons Straßen

Angel Crespos neues Buch über das Leben Fernando Pessoas

Seit ich meiner selbst bewußt bin, bemerkte ich, daß ich eine angeborene Tendenz zur Mystifikation, zur künstlerischen Lüge hatte. Zu alldem füge man hinzu eine große Vorliebe für das Geistige, für das Geheimnisvolle, für das Dunkle, das letztlich nichts anderes war als eine Form und eine Abwandlung meines anderen Charakteristikums, und damit hat man einen für die Intuition vollständigen Eindruck von meiner Persönlichkeit."

So einfach wie es der damals achtzehnjährige Fernando Pessoa 1906 darstellt, ist es nicht, sich ein Bild seiner Persönlichkeit zu machen. Durch seinen Hang zur "Mystifikation, zur künstlerischen Lüge," ist Pessoa selbst zu einer Art Mysterium geworden, sein Leben und Werk zu einem Objekt, das Anlaß zu unendlichen Interpretationen bietet. Die Mehrdeutigkeit des Wortes "Pessoa" im Portugiesischen ist ein in diesem Zusammenhang absurd anmutender Zufall: "Pessoa" kann sowohl "Person" als auch "Maske" bedeuten.

Soeben ist die Übersetzung der neuen Pessoa-Biographie von Angel Crespo erschienen. Crespo, der sich in Spanien als Übersetzer der "Göttlichen Komödie" einen Namen gemacht hat, gilt als einer der besten Kenner Pessoas. In seiner Biographie versucht er, die geistige Entwicklung und Gedankenwelt Pessoas nachzuzeichnen, die sich hinter seinem äußerlich unauffälligen Leben verbirgt. Dazu zieht er zahlreiche Quellen heran: Pessoas literarisches Werk selbst, seine persönlichen Aufzeichnungen, seine Korrespondenzen und die Aussagen von Zeitzeugen. Crespo gelingt es, den Leser in die literarische Szene Lissabons um 1915 einzuführen. Die Tatsache, daß er dabei Pessoas zahlreiche Heteronyme wie selbständig handelnde Personen behandelt, macht den Einstieg nicht unbedingt leichter, ist jedoch, wenn man sich erst zurechtgefunden hat, um so amüsanter.

Wer also war dieser Pessoa, dieser geheimnisvolle Autor, dessen Gedichte als die wichtigsten und schönsten der portugiesischen Moderne gelten, dessen "Buch der Unruhe" zum Kultbuch avancierte? 1888 in Lissabon geboren, besucht Pessoa zunächst die Primary School in Durbon (Südafrika), wo sein Stiefvater Konsul ist. Nachdem er diese in drei statt der üblichen fünf Jahre absolviert hat, erarbeitet er sich an der Durbon High School einen profunden Einblick in die griechische, lateinische und englische Literatur. Mit siebzehn Jahren kehrt er endgültig nach Lissabon zurück, wo er zunächst bei Verwandten wohnt. Er schreibt sich an der philosophischen Fakultät ein, bricht das Studium aber schon bald ab und gründet mit dem Geld aus einer Erbschaft einen kleinen Verlag. Doch sein Unternehmen muß schon bald Konkurs anmelden. Um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, beginnt Pessoa nun, für verschiedene Firmen als Handelskorrespondent zu arbeiten, was ihm die Möglichkeit zu extensiver literarischer Aktivität bietet. Ab 1913 trifft er sich immer öfter mit anderen jungen Künstlern seiner Generation, diskutiert viel, und tauscht sich mit ihnen über die aktuellen Einflüsse aus Paris aus. Zwei Jahre später gründet er mit einigen Künstlerfreunden die Zeitschrift Orpheu, die aufgrund ihrer literarischen Kompromißlosigkeit zum Lissabonner Stadtgespräch wird. Da sich die Künstlergruppe nicht über die weitere Konzeption des Orpheu einigen kann und das Projekt zusätzlich in finanzielle Schieflage gerät, muß die Zeitschrift bereits nach zwei Ausgaben wieder eingestellt werden. Pessoa veröffentlicht weiterhin Gedichte und Essays in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften im In- und Ausland. 1920 lernt er in einem Handelshaus, für das er arbeitet, Ophélia Queiroz kennen, eine junge und lebenslustige Frau "aus gutem Hause", mit der ihn eine zunächst glückliche Liebesgeschichte verbinden soll. Es kommt zu einer Verlobung. Doch im Oktober desselben Jahres erwägt Pessoa, sich wegen klinischer Depressionen in eine Nervenheilanstalt einweisen zu lassen, wozu es jedoch nicht kommt. Die Verlobung mit Ophélia wird aufgelöst. Ob ihre Beziehung nur an Pessoas schwierigem Charakter scheiterte oder ob vielmehr Ophélias Eltern Einfluß nahmen, ist nicht mehr endgültig zu klären. Neun Jahre später nehmen die beiden ihren intensiven Briefkontakt noch einmal auf: Pessoa schreibt der einzigen Frau, die in seinem Leben eine Rolle spielte, noch einmal Liebesbriefe.

In den folgenden zehn Jahren setzt er seine literarische Tätigkeit unvermindert fort und veröffentlicht immer wieder Gedichte in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften. Die politischen Unruhen in Portugal können ihn nicht davon abhalten, wie besessen zu arbeiten: sein literarischer Nachlaß umfaßt 27 453 Manuskripte! Bis zu seinem Tod bleibt Pessoa in Lissabon ansässig, arbeitet als Handelskorrespondent und schreibt "für die Truhe", eine riesige Kiste, in der er seine Manuskripte aufzubewahren pflegte. 1935 stirbt Pessoa an einer Leberkolik.

Was Pessoa so außergewöhnlich, so unkategorisierbar macht, ist die Tatsache, daß in seinem Denken und seinem Werk verschiedene Traditionen ungestört nebeneinander existieren. Da er teils jüdische Vorfahren hatte, fühlte er sich den Lehren der Kabbala verbunden; da er katholisch erzogen wurde, löste er sich nie völlig von christlichen Vorstellungen; indem er gegen diese katholische Erziehung aufbegehrte, orientierte er sich an den neuheidnischen Strömungen seiner Zeit. Gegen Ende seines Lebens bezeichnete er sich als "gnostischen Christen", ja die Geistesströmung der Gnosis zieht sich ebenfalls durch sein ganzes Werk. Wie die Gnostiker zog auch er die Welt der Träume der der Wirklichkeit (Arno Schmidt würde sagen : "Würglichkeit") vor. Lesen war eine Art, dies zu tun, obwohl er 1910 bemerkte, "...daß Lesen eine sklavische Art zu träumen ist. Wenn ich träumen muß, warum nicht meine eigenen Träume?" Dennoch las Pessoa viel und Verschiedenstes: zunächst Shakespeare, Byron, Pope, Milton, Edgar Allen Poe, später die französischen Symbolisten, die Futuristen....

Seine Zweisprachigkeit ermöglichte es ihm, sich gleichzeitig im romanischen und englischen Kulturkreis zu bewegen. Erst 1908 begann er, seine Gedichte auf portugiesisch zu schreiben. Seine letzten Worte waren wiederum englisch. So konnte er ungewöhnliche literarische Vergleiche ziehen und einmalige ästhetische Synthesen schaffen.

Liest man seine Aufzeichnungen und Briefe, so tritt ein scheinbarer Widerspruch hervor: das Nebeneinander von mystifizierender Lyrik, esoterischer Geheimbündelei, Astrologie, Initationsriten, politischen Mythisierungen auf der einen Seite und seinen glasklaren, logischen und völlig verständlichen Analysen (und Selbstanalysen) auf der anderen Seite. Es fällt schwer zu glauben, daß so verschiedene Texte aus der Feder desselben Mannes kommen: nie ist man sich wirklich sicher, was Pessoa ernst gemeint hat, und was nur Spielerei für ihn war.

Doch wenn Pessoa schreibt: "Jeder von uns ist zwei, und wenn zwei Personen sich treffen, sich vereinen, ist es selten, daß die vier einverstanden sein können," so scheint er damit anzudeuten, daß auch er selbst sich darüber nicht immer im klaren war. Schon als Sechsjähriger legt sich Pessoa sein erstes Proto-Heteronym zu: 1894, ein Jahr nachdem sein Vater und kurze Zeit nachdem sein kleiner Bruder Jorge starben, erfindet er "Chevalier de Pas". Heteronyme waren für ihn nicht nur eine Möglichkeit, Lyrik zu veröffentlichen, ohne persönlich damit in Verbindung gebracht zu werden. Für ihn stellten sie echte Charaktere dar, deren Gedichte er selbst wieder rezensierte, mit denen er diskutierte, für die er Berufe, Geburts- und Todesdaten, ja, ganze Lebensgeschichten erfand. So schreibt er beispielsweise an Ophélia, er sei für den nächsten Tag mit seinem Freund Álvaroz de Campos (eines seiner beliebtesten Heteronyme) verabredet, und müsse ihn den ganzen Tag begleiten. Er erarbeitete sogar ausführliche Horoskope für seine anderen Persönlichkeiten.

Aber nicht nur für sie versuchte er astrologische Vorhersagen zu machen, auch für die Zeitschrift "Orpheu" oder für seine Heimat Portugal, zu der er eine enge emotionale Bindung hatte und von deren kulturellem Wiederaufstieg er träumte.

Esoterik, Geheimorden und Okkultismus hatten enorme Bedeutung für ihn. Im Lauf der Jahre 1916/1917 übersetzte er zentrale theosophische Werke von Helena Blavatsky und anderen Stars der damaligen europäischen Okkulto-Szene. Als sein Freund Sá-Carneiros in Paris Selbstmord beging, fühlte er sich genau zu diesem Zeitpunkt, ohne vom Tod seines Freundes erfahren zu haben, von einer "von außen kommenden Depression" überwältigt. Er hielt sich für medial begabt und hatte wiederholt Erlebnisse, bei denen er wie fremdgesteuert schrieb und kritzelte, teils Verständliches, teils unverständliche Zahlenfolgen, kabbalistische und okkultistische Symbole. Auf den Straßen Lissabons glaubte er bisweilen, die Gerippe und Astralkörper der Passanten zu sehen.

1930 besuchte Aleister Crowley, der berühmte Gentleman, Dandy und Magier, der Schrecken der europäischen Öffentlichkeit, Pessoa in Lissabon. Die beiden waren in Briefkontakt getreten, als Pessoa ein Horoskop, daß sich Crowley öffentlich in britischen Zeitungen gestellt hatte, als unsauber kritisierte. Crowley, der sich selbst "to mega therion" (das große Biest) nannte, und der als "schwarzer Magier" bekannt war, wurde von Pessoa mit mulmigen Gefühlen erwartet. Durch ausgedehnte Gespräche über Rosenkreuzer und Tempelritter wurden die beiden jedoch zu Freunden. Während eines gemeinsamen Ausflugs "verschwand" Crowley für einige Zeit unter mysteriösen Umständen bei den Atlantikfelsen von "Boca do Inferno". Pessoa wurde von der internationalen Presse, die eine "Dematerialisation" vermutete, zu dem Vorfall befragt und gab an, er habe Crowleys Astralkörper gesehen. Ob es sich dabei um ein abgekartetes Spielchen der beiden zum Zwecke der Publicity handelte, ist unklar.

Crespo deutet in seinem Buch an, daß er seine profunden Kenntnisse über die Rolle der Esoterik für Pessoa zurückstellen mußte, um die Biographie lesbar zu halten - ein zu großes Opfer, wie ich meine. Auch etwas mehr kritische Distanz zu Pessoas Eigenheiten wäre dabei stellenweise von Vorteil gewesen: warum stellt er die Okkultisten um Pessoa nicht in ein kritischeres Licht? Ein Vorwort, in dem Crespo seine Absichten und Methoden hätte vorstellen können, wäre ebenso wünschenswert gewesen wie eine ausführliche Bibliographie. Der Preis von 68,- DM scheint in diesem Licht unangemessen hoch. (fw)

Angel Crespo: Fernando Pessoa, Amman Verlag Zürich, 68,- DM

Preiswerte Ausgaben der wichtigsten Werke Pessoas sind im Fischer Verlag erschienen:

- Esoterische Gedichte/Mensagem/Englische Gedichte
- Dichtungen/Ode
- Poesias
- Das Buch der Unruhe


ruprecht goes to the movies

Filmtips - und vor allem Meinungen

(in Klammern die Anzahl der ruprechte)

ruprechts Notenskala:
- nicht empfehlenswert
* mäßig
** ordentlich
*** empfehlenswert
**** begeisternd

From Dusk till Dawn (1)

Zwei Namen, ein Programm: die Erhebung von Müll zu Kult. Dieses Handwerk beherrschen Quentin Tarantino und Robert Rodriguez meisterhaft. Ob die Gemeinschaftsproduktion Kultstatus erreichen wird, darf bezweifelt werden.

Der Film besteht aus zwei sehr unterschiedlichen Hälften: In der ersten sorgen die Gebrüder Gecko für allerlei Leichen und gute Dialoge. Sie sind nach einem Banküberfall auf der Flucht nach Mexiko, und da der neurotische Richie die letzte Geisel gerade versehentlich vergewaltigt und umgenietet hat, sucht man nach neuen Partnern. Ein vom Glauben abgefallener Priester und seine Kinder verhelfen den Gangstern zum sicheren Trip über die Grenze. Dort steuern sie den Titty-Twister an, eine Biker- und Truckerkneipe. Bis hierher ist der Film gut gemachtes Road- und Gangstermovie. Was folgt, kann man sich sparen. Im Titty-Twister eingeschlossen, müssen sich Gangster und Geiseln bis zum Morgengrauen gegen eine Horde wilder Vampire wehren. Deren Abschlachtung ist bis an die Grenzen des Erträglichen brutal, obszön und blasphemisch. Das stört weniger als die Handlungsleere des zweiten Teils, der nicht mehr als eine Spezialeffektorgie bietet. Da schaut man sich lieber noch mal die 7000 Dollar Rodriguez-Produktion El Mariachi oder Tarantinos Pulp Fiction an.

Mississippi Delta (2)

Endlich mal was wirklich Neues im Kino! Ganz zufällig stürzt ein Flugzeug mit illegalen Einwanderern und einem verdeckten Ermittler an Bord über dem Schiff eines ehemaligen Polizisten ab. Aus dem Wrack rettet er ein Mädchen, das er und seine Frau behalten möchten. Natürlich gibt es Komplikationen, und der alte Cop kann das Schnüffeln nicht lassen. Das führt zur Ermordung seiner Frau. Jetzt will Dave Robicheaux nur noch eines: die Mörder erledigen und den Auftraggeber finden. Natürlich greift er nach langer Abstinenz wieder zur Flasche, und selbstverständlich glorifiziert er seine tote Frau. Klar, daß der schon frühzeitig als Antagonist eingeführte Bubba Rocque eigentlich ein echter Freund und liebenswerter Macho ist, dessen Frau verräterische Alkoholränder auf Tischen produziert. Am Ende entschlummert der Held in den Armen des Kindes, des letzten Schatzes auf Erden.

Ein Film voller verschwitzter Hemden, blutender Nasen, fieser Gangster, dümmlicher Handlanger und einem gutaussehenden Helden. Klar, daß man so etwas nur in Louisiana drehen kann. Klar, daß die Geschichte schon oft erzählt wurde. Klar, daß dank guter Darsteller und guten Bildern auch dieser Film zumindest gut unterhält.

Zwielicht (2)

Promi-Advokat verteidigt aus Publicitygeilheit einen schizophrenen Meßdiener, der einen - natürlich - perversen Bischof, den von Chicago nämlich, getötet haben soll, natürlich auf bestialische Weise - was wäre auch ein Kinoabend ohne Fleischermesser?

Seine Gegenspielerin: Staatsanwältin, Ex-Geliebte, sehr blond, sehr ambitioniert, und läßt sich von niemandem das Rauchen verbieten. Das ist lobenswert und sogar ein bißchen lustig, auch wenn ein Mehr an Souveränität und ein Weniger an blöde-Zicken-Attitüde auch einer Sharon Stone-Parodie nichts geschadet hätten. Dazu kommt noch der obligatorische Dunkelmann mit viel Macht und wenig Skrupeln und eine zugegebenermaßen recht originelle Schlußpointe: Der schizophrene, unschuldige Underdog ist weder schizophren noch unschuldig, sondern ein kleines, brillantes Arschloch, der einfach alle an der Nase herumgeführt hat.

Richard Gere soll einen eiskalten, arroganten und sehr amerikanischen Staranwalt spielen, der eigentlich ein guter Kerl ist. Er spielt einen eiskalten, arroganten und sehr amerikanischen Schauspieler, der eigentlich ein guter Kerl ist und so tut, als wäre er Anwalt - aber das macht nichts, er lächelt halt so charmant.

Laura Linney als Staatsanwältin wäre selbst für Liebling Kreuzberg keine wirklich ernstzunehmende Gegnerin, Gere entlockt ihr zu Recht nur ein müdes Lächeln. Bleibt noch Edward Norton, der sich mit angenehm dezent vorgebrachter Schauspielkunst den Titel 'Psycho des Monats' und sicher auch ein paar zukünftige Hauptrollen redlich verdient hat.

Wegen ihm und ein paar wunderschönen Kameraeinstellungen kann man durchaus über einen Haufen Klischees und die harmloseste Pennerhorde der Filmgeschichte hinweg- und eine Weile im neu renovierten und unglaublich roten Lux auf die Leinwand sehen. Nur gut, daß die vielen ungelösten Fragen, die der Film hinterläßt, aus Gründen der Belanglosigkeit ohnehin niemand stellt.

P.S.: Sonderpreis für die höchste Computer-, Laptop- und Handykonzentration aller Zeiten. Schöne neue Welt!

Total Eclipse (3)

Die Dichter Rimbaud und Verlaine begegnen sich 1871 in Paris. Außer ihrer Liebe zur Dichtung haben die beiden nichts gemein: der sechzehnjährige Rimbaud voll Idealismus und Übermut, Verlaine dagegen ein schwacher Charakter, aber reifer. Sie werden Partner am Schreibtisch und im Bett. Verlaine entfremdet sich zunehmend der bürgerlichen Existenz. Schließlich verläßt er Frau und Kind und geht mit Rimbaud ins Ausland. Einige Jahre später haben Absinth und Alter sie so verändert, daß nur noch die Trennung bleibt.

Noch mehr als durch die homoerotische Erzählung ist die Handlung von den gegensätzlichen Charakteren geprägt: Leonardo DiCaprio setzt den genialen Adonis hervorragend um. David Thewlis stellt die Gefühlsschwankungen des ewigen Trinkers Verlaine glaubhaft dar.

Schauderhaft ist die deutsche Synchronfassung, vor allem die Stimme des alten Verlaine will gar nicht zu seiner Säuferexistenz und den Lippenbewegungen passen.

Die Regisseurin Agnieszka Holland verdient ein Lob: so einfühlsam sie mit ihrem Film die Menschen Rimbaud und Verlaine darstellt, so spannend unterhält der ganze Film.

Werner - das muß kesseln! (3)

Der Fehler an Heidelberg ist, daß einem doch hier tatsächlich im Marstallcafé noch Leute begegnen, die fragen "Werner? Was´n das?!" Obwohl Werner II also kein Ereignis der cinematesken Top League in Süddeutschland zu sein scheint, hat Brösels zweites Baby doch bereits Kultcharakter, sofern man unter "Kult" eine Legion ploppender Bölkstofflaschen während des Vorspanns versteht.

Aber auch abgesehen vom "Plopp!" kann der neue Werner durchaus seinem Vorgänger das Wasser, pardon: den Bölkstoff, reichen. Die Themen sind traditionell gewählt (Saufen und Rasen), und auch die drumrumgestrickte Story ist ordentlich: Reicher Schnösel wettet mit Werner und seinem Bruder Andi, wer das schnellste Gefährt hat. Mit Hilfe eines Weltkriegsflugzeuges und eines Spezial "Hüper-Metül"-Gemixes, vom alten Kumpel Röhrig beim Schnapsbrennen entdeckt, bauen die "Wernersens" ein Gefährt, das so richtig abkesselt und sogar Raum und Zeit zum Narren hält.

Mit von der Party natürlich dumme Landbullen, blöde Neureiche und die obligatorischen nordelbischen Hell´s Angels-Kopien. Dazu kesselt "Torfrock" knackig-erdigen Gitarrenrock. Schade nur, daß Kultfigur Meister Röhrig so wenig zu sagen hat..

"Ich werfe nie Post weg. Lohnt sich nicht. - Man läßt sie einfach liegen. Es kommt etwas dazu, das bleibt auch liegen. Es sammelt sich etwas an, es wird ein kleiner Haufen, es wird ein größerer Haufen. Und dann rutscht er mal vom Tisch. Man tritt ein paar Mal drauf beim Hin- und Hergehen. Dann schiebt mal jemand das Papier beiseite, es wird etwas draufgestellt . . . allmählich ist es eben weg."


Ein schwerer Mann

Herr Paul im Zimmertheater

Ein Bonbon für Freunde des Open-Air-Theaters: Die Premiere von As you like it wird am 13. Juli sein, dann kann man bis zum 21. jeden Abend das Stück sehen.

Herr Paul (Wolf Dieter Tropf) lebt mit seiner Schwester Luise (Renate Bopp) in einem kleinen schmutzigen Zimmer im dritten Stock einer alten Seifenfabrik. Das soll sich ändern, zumindest wenn es nach Helm (Phillip Kramer), einem dynamischen BWL-Studenten geht, der das Fabrikgebäude von seiner Großtante geerbt hat und dort nun eine Großwäscherei eröffnen will. Und er hat es eilig, der zukunftsgläubige Jungunternehmer mit den vielen Ideen, denn sein Geldgeber Schwarzbeck (Alexander Saas) droht sich aus dem Geschäft zurückzuziehen. Und so bedrängt Helm den stoisch gelassenen Herrn Paul, der sich aber viel lieber mit Helms Freundin Lilo (Friederike von Imhoff) über Indonesien unterhält oder mit dem behinderten Nachbarskind Anita (Jasmine Bazoukis) spielt, die er für ihr Lebensgefühl und ihre Freude an den kleinen Dingen bewundert.

Wer jetzt denkt, es handle sich um ein typisches "Böser Unternehmer jagt netten alten Menschen aus Profitgier aus der Wohnung"-Stück, der hat sich gründlich getäuscht und wahrscheinlich noch nie etwas von Tankred Dorst gelesen. Damit hat Herr Paul ungefähr soviel zu tun wie Sandstrand mit Schleswig-Holsteinischem Wattenmeer, nämlich (fast) gar nichts. Helm will den beiden alten Menschen nichts Böses, er will sie aus den dreckigen Fabrikräumen in eine schöne Wohnung im Vorderhaus "umsiedeln" und glaubt nicht, daß jemand ein solches Angebot abschlagen kann. Aber Herr Paul kann!

Es geht in diesem Drama um ein Duell zweier unterschiedlicher Lebensphilosophien, in dem sich beharrliche Gelassenheit und verzweifelte Aktivität gegenüberstehen, und schon nach kurzer Zeit scheint Herr Paul mit seiner Anschauung von Glück, Zufriedenheit und Leben den Sieg davonzutragen: Lilo tanzt auf dem Tisch, Herr Paul und die vor Vergnügen jauchzende Anita laufen um den Tisch und werfen Kissenfedern in die Luft. Gerade scheint auch Helm sich an dem fröhlichen Chaos beteiligen zu wollen, als Schwarzbeck eintritt und Helm auf den Boden seiner Realität zurückholt. Helm drängt Herrn Paul zu gehen - und der geht! Allerdings nur in das Treppenhaus, während sich die anderen Sorgen um ihn machen. Als er wiederkommt, unterschreibt er das von Helm aufgesetzte Schriftstück - um es Minuten später genüßlich zu verspeisen. Dies bringt Helm endgültig um seinen Verstand...

Wer Philosophie und hohen Anspruch scheut, sollte sich aber dennoch nicht davon abhalten lassen, sich dieses Stück unter der Regie von Ute Richter im Heidelberger Zimmertheater anzuschauen. Die Darsteller (besonders überzeugend: Jasmine Bazoukis als Anita) zeigen so viel Freude am Schauspiel, daß man sich das Theaterstück auch "einfach nur so zum Amüsieren" ansehen kann, ohne allen philosophischen Andeutungen und Parallelen folgen zu müssen. Und wer einwendet, daß man Tankred Dorst damit Unrecht tue, dem sei gesagt: Herr Paul hätte daran überhaupt nichts auszusetzen!

Wer allerdings die Überschrift verstehen will, der muß sich mit dem Stück wohl etwas eingehender beschäftigen... (hpc)

Karten und Informationen: Zimmertheater, Hauptstraße 118, Telefon 21069.


Der Duft des Kinos

Open Air im Sommer, Festival im Herbst

Wie gewohnt hat das Heidelberger Open-Air-Kino mit schlechtem Wetter begonnen. Und das, obwohl für diese dritte Saison der Veranstaltung der Beginn um eine Woche verschoben worden ist. Leider gestrichen wurden die Auftritte von Bands im Vorprogramm, finanzielle Unwägbarkeiten und technische Schwierigkeiten bedingen diesen Verlust.

Mit den Finanzen hat auch die Filmauswahl etwas zu tun. Zwar betont das Gloria-Kino, man habe bei der Auswahl auf die Wirkung der großen Leinwand geachtet, daher sei ein Film wie Big Blue unverzichtbar. Ansonsten aber finden sich fast ausnahmslos die großen deutschen und vor allem amerikanischen Kassenschlager des letzten Jahres im Programm. Wer sich für diese erwärmen kann, wird sich bei erweiterter Gastronomie und Stühlen - statt wie bisher Bierbänken - der gemütlichen Atmosphäre vor der PH erfreuen können. Die Schar der ganz Neurigen wird am 8.8. in der Sneak-Preview befriedigt. Wer schon lange nichts mehr zu lachen hatte, darf die Doppelnacht am 17.8. mit beiden Teilen von Wallace & Gromit auf keinen Fall verpassen.

Schon jetzt freuen dürfen sich die Freunde der weniger populären Filme: Vom 11.-19. Oktober findet das 45. Filmfestival Heidelberg-Mannheim statt. Dieses Festival ist den unbekannten Filmemachern aus aller Welt verpflichtet. Gezeigt werden Filme aus drei Kategorien: Spielfilme, Dokumentar- und Kurzfilme; die Gewinner der Kategorie erhalten ein Preisgeld von bis zu 30.000 DM. Darüber hinaus wird ab diesem Jahr auch eine Verleihförderung eingeführt, damit die Filme auch eine Chance haben, ins Kino zu kommen. Übrigens sind nicht alle ehemaligen Teilnehmer unbekannt geblieben: Für Kaurismäki, Wenders, Kiészlowski, Jarmusch und zuletzt Bryan Singer war dieses Festival ein wichtiger Schritt zum Erfolg. (papa)


Comic-News:

ganz wichtige

1. Aus für Beavis & Butthead, und zwar, weil die Auflage in den USA dermaßen runterging, daß Marvel die Serie einstellen mußte. Die deutsche Lizenz-Ausgabe setzte inzwischen sogar mehr Hefte.

2. Dafür erscheinen ab Herbst bei Dino die Simpsons parallel zur Zeichentrickserie bei Pro7.

3.Vermutlich das Ende für Die Sturmtruppen bei Condor: Der Zeichner Bonvi starb 54jährig tragisch bei einem Auto-Unfall.

4. Der neue Asterix-Band 30 erscheint nach dreijähriger Wartezeit voraussichtlich am 10.10.96 bei Ehapa.

5. Beim Newcomer Crusade erscheint als dritte Serie von William Tucci Atomic Angels.

6. Am 7.9. gibt es eine neue Comic-Börse in der Jakobus Pfarrei, Domstiftstr., Mannheim. (mj/jr)


Kult oder Kommerz?

Otomos Akira ist vollendet

Anfang April 1991erschien zum ersten Mal ein japanischer Comic, ein sogenannter Manga, auf dem deutschen Markt und löste einen unerwarteten Boom in der Comicbranche aus. Akira, das dritte größere Werk Katsuhiro Otomos, liegt nun mit all seinen 2000 Seiten komplett bei Carlsen vor. Zwar war der Termin für die komplette Übersetzung des Opus schon 1994 überschritten und Band 20 ist nun mit einer über zweijährigen Verspätung auf dem Markt; dennoch hat sich das Warten gelohnt. Akira ist der Comic der neunziger Jahre, seitdem selbst Moebius, der Comicpapst in Europa, sich lobend über Akira aussprach und sogar die New York Times es "ein Meisterwerk der Science-Fiction-Comics" nannte. Aber worum dreht sich die ganze Aufregung eigentlich? Akira ist der dritte Science-Fiction vom japanischen Comiczeichner Otomo, dem internationalen Newcomer des Jahrzehnts. Nach Fireball (Der Feuerball bei Carlsen), in dem sich Otomo 1979 zum ersten Mal mit dem Konflikt zwischen Menschlichkeit und Technologie beschäftigt, erregte vor allem Domu (Das Selbstmordparadies bei Splitter) internationales Aufsehen und erhielt 1983 als erster Comic den "Großen Science-Fiction-Preis", der eigentlich nur Romanen vorbehalten ist und stand mit 500.000 verkauften Exemplaren an der ersten Stelle der Bestsellerliste. Domu beschrieb eindrucksvoll das Leben in einer anonymen Betonsiedlung, in der zwei Menschen mit übersinnlichen Kräften aufeinandertreffen: der Greis Chô-San, der seine Kräfte benutzt, um Menschen in den Selbstmord zu treiben, und die kleine Etsuko, die sich gegen ihn stellt.

Seit 1982 erschien Akira, wie in Japan üblich, zuerst als Serie im Young Magazin, dessen Auflage dann auch auf eine Millionen stieg, und das später dank des unglaublichen Erfolges auch in Buchform erschien. Besonders ist dabei aber keineswegs der für europäische Verhältnisse gigantische Umfang von über 2000 Seiten: Mangas von mehreren tausend Seiten sind in Japan, wo die Neunte Kunst so allgegenwärtig ist wie Sushi, keine Ausnahme. Der Erfolg von Akira liegt eher in Otomos Fertigkeiten: selten wurde ein Comic so rasant gezeichnet. Aber auch die Hintergründe und sämtlichen technischen Geräte unterliegen einer ungewohnten Detailtreue.

Vor allem ist jedoch die Story für den unglaublichen internationalen Erfolg verantwortlich. Otomo rechnet ab mit Korruption und Bestechung in der Politik, mit sozialer Ungerechtigkeit, und besonders beschreibt er die Ängste der Menschen vor überlegener Technologie, die sie nicht verstehen. Otomo vereint diese Punkte im Neo-Tokyo des Jahres 2030. Eine Gruppe von jugendlichen Motorradfreaks gerät durch Zufall in einen Strudel aus Gewalt zwischen Terroristen und einer totalitären Regierung. Einziges Bindeglied ist der Name Akira, der Name eines Jungen, an dem 33 Jahre vorher Menschenversuche unglaublichen Ausmaßes durchgeführt wurden. Und mit der Rückkehr Akiras aus den geheimen Labors des Militärs gelangen Chaos und Anarchie zurück nach Neo-Tokyo. Im abschließenden 19. Band von Carlsen, weit nach dem Klimax der Geschichte, schließt sich der Ring: Akira ist erneut vom Erdboden verschwunden, sein Name bleibt eine Legende. Carlsen veröffentlichte darauf einen zwanzigsten Band, der Skizzen Otomos enthält und vor allem die Cover der 120 Kapitel der japanischen Ausgabe. Leider hat Carlsen dabei die Chance versäumt, ebenfalls die Werke anderer Künstler, vor allem amerikanischer aber auch von Moebius selber, die in der letzten Ausgabe der amerikanischen Version von Marvel veröffentlicht worden waren, einzubinden. Besondere Beachtung verdient dabei auch Steve Oliff, der die schwarz-weißen Tuschezeichnungen Otomos in farbenprächtige Kunstwerke umwandelte.

Otomos Höhepunkt dürfte mit Akira auch keineswegs erreicht sein, gegenwärtig erzeugt er für den Zeichner Takumi Nagayasu die Geschichte für The Legend of Mother Sarah, einen Science-Fiction in einer postapokalyptischen Welt. Danach will Otomo wieder selber zeichnen, nämlich für Alexandro Jodorowsky, dessen John Difool mit Moebius als Zeichner unvergessen bleibt.

Bis dahin jedoch wird es für Liebhaber von Mangas in Deutschland noch viel zu lesen geben. Carlsen und Ehapa haben Lizenzen im großen Stil gekauft und werfen alles auf dem Markt, was irgendwie ein Hit werden könnte, jedoch mit katastrophalen Werken darunter, deren einziges Merkmal ihre epische Breite ist. Auch hat man sich nicht dazu durchgerungen, die Mangas nachkolorieren zu lassen, sondern übernimmt die amerikanischen Ausgaben und spart sich so das umständliche Retuschieren japanischer Lautmalereien aus den Bildern und auch das Umsetzen, da in Japan von rechts nach links gelesen wird. Es sieht also ganz so aus, als wollten Ehapa und Carlsen, jetzt wo der Käufer noch willig ist, ihn mit Werken bombardieren und so leicht Geld verdienen. Den Werken Masamune Shiros, Appelseed oder Ghost in the Shell (bei Ehapa) kommt diese Politik nicht zugute, stehen sie doch künstlerisch weit darüber. Man kann nur hoffen, daß sich die Verlage auf ihre Qualitätskriterien besinnen und nur das publizieren, was auch europäischen Ansprüchen genügt. (jr)


Comic-Tips

Ihr braucht sie

Rantanplan

Die Genies

Der nunmehr siebte Band von Morris und Bob de Groot über den dämlichen Hund aus Lucky Luke ist bei Ehapa sowohl als Softcover-Album zu 7,50 DM als auch als Hardcover-Ausgabe zu 14,90 DM erschienen. Diesmal geben die Daltons ihr Debut ab, aber auch Lucky Luke absolviert einen Gastauftritt.

Doch zur Story: Die Forscher Dr. Frank und Dr. Stein kidnappen Averell Dalton und Rantanplan, die beiden dümmsten Lebewesen des Ehapa-Kosmos, um an ihnen ihre neueste Erfindung auszuprobieren, nämlich Intelligenzpillen. Das klappt mit der Zeit und inzwischen gesellen sich die drei anderen Daltons dazu. Es kommt zur Machtprobe zwischen Fiesling Joe und seinem Bruder Averell: Joe kriegt den Po versohlt, und Averell will sein entdecktes Genie in "den Dienst des Gottes Mammon stellen" und Banken überfallen, wobei er von Rantanplan im Glauben, es seien Streiche, unterstützt wird. Ihnen gesellt sich Dr. Frank dazu. Als es zum Streit mit Dr. Stein kommt, bemerkt Rantanplan, das Averell sich vom Charakter her nicht geändert hat und nach wie vor ein Gangster ist. In dieser Situation wird Rantanplan zum Helden und macht die Daltons mit Hilfe Dr. Steins dingfest.

Wie am Ende wieder alles rückgängig gemacht wird und die Geschichte ihr gutes Ende nimmt, könnt ihr in Nr. 7 nachlesen. (mj)

Clever & Smart-Olympia-Comic-Sonderband 1996

Pünktlich zur Olympiade in Atlanta gibt der Condor-Verlag nach 4 Jahren wieder einen Sonderband mit dem Titel Das Chaos ist groß - Atlanta ist los heraus. Eigentlich müßte es "Ophelia ist los" heißen, denn die schwergewichtige Sekretärin von Mr. L bekommt von Fred und Jeff diesmal einige Mittelchen, die dem Genie des Hauserfinders Dr. Bakterius zu verdanken sind, nicht ganz freiwillig überreicht. Durch die Mittel für "Höher, Schneller und Weiter" soll sie bei den Wettkämpfen teilnehmen, um fanatische Moslems davon abzuhalten, die Spiele zu sabotieren, da Frauen unverschleiert an den Wettkämpfen teilnehmen. Dabei erhält sie Unterstützung von Clever und Smart. Das Unglaubliche tritt ein: Sie erledigt einen Terroristen nach dem anderen, auch wenn ihr die jeweilige Tat nicht ganz bewußt ist. Allerdings haben die Konsequenzen die losende Olympiamannschaft und der arme Bill Clinton zu spüren (im wahrsten Sinne des Wortes). Am Ende kriegt wie immer Bakterius die Hucke voll. Allerdings nicht von Fred und Jeff. Von wem dann? Selber lesen! (mj)


ruprecht on the record

Musiktips

X-Mix 6: The Electronic Storm

Das Berliner Label Studio K7! bucht einen DJ, diesmal ist es Mr. C von Shamen, und läßt sich zum Mix derselben von angesagten Videokünstlern einen Animationsfilm zurechtschneiden. Das Ganze nennt sich dann: X-Mix. Jetzt liegt bereits die sechste Ausgabe der Reihe vor, sie kommt an den genialen X-Mix 5 von DJ Hell zwar bei weitem nicht heran, ist aber streckenweise ganz nett. Als kleines Schmankerl können die X-Mix-Freunde jetzt noch ihren Szenebackground testen, denn der CD liegt eine Art Trivial Pursuit in Technoform bei. (mk)

Various Artists: Dream Injection Vol 1 & 2,Tantrance Vol. 2

Zwei stilistisch und von ihrer Trackauswahl gesehen sehr überzeugende Doppel-CD-Compilations gibt es aus dem Hause Subterranean. Beide Sampler sind mit Namen wie Phex Twin, Autechre, FSOC und anderen Größen der durchdachten Elektronik gespickt, doch trügt hier (wie sonst oft bei ähnlichen Produkten) nicht der Schein. Über vier CDs hinweg taucht der Hörer ein in einen tiefen Raum aus Klang. Vom reinen Ambiente bis hin zu harter elektronischer Kost gibt es alles auf Dream Injection, was der etwas anspruchsvollere Technomensch zum Leben braucht.

Ein weiterer Doppel-CD-Sampler von Subterranean liegt mit Tantrance vor, wobei es sich hier bereits um den zweiten Teil einer Serie handelt auf dem die Vertreter heftiger Trance-Sounds vereint sind. Hallo Goa, es grüßen Juno Reactor, Koxbox, Astralasia und andere. Asien ist ganz nah, wenn Du diese CD hörst, und wer noch nicht dort war, sollte sich der Tantrance hingeben, die Ersatzwirkung ist erstaunlich. (mk)

Ellis & Branford Marsalis: Once loved

Was kommt raus, wenn sich zwei Generationen des Marsalis-Clans, der alte Pianist Ellis und der junge Saxophonist Branford, im Studio begegnen? Ein unterhaltsames Album, das einfach Spaß macht.

Die beiden Jazz-Ikonen knöpfen sich klassische Gershwin- und Porter-Standards vor, drehen sie ein bißchen durch die Mühle und spielen ganz locker über die altbekannten changes. Ja, was da im Studio geschieht, ist Spiel im wahrsten Sinne des Wortes: Entspannt probieren die beiden aus, was man aus den alten Songs rausholen kann, ohne sich in technische Kraftanstrengungen zu verlieren. (fw)

Stevie Wonder: Natural Wonder

Seine Musik ist etwas in die Jahre gekommen. Er auch. Macht aber nichts, denn diese Doppel-CD ist von der ersten bis zur letzten Minute Live-Musik vom feinsten. Soul, Funk, Rhythm & Blues mit glänzenden Harmonien, quirlig gesungen und von einer gut abgestimmten Band gespielt. Daß dieses Album groovt, ist neben Wonders Piano nicht zuletzt den Bläsern und der dezent im Hintergrund gehaltenen Percussion zu verdanken. Ein großer Teil der Songs stammt von dem mit Preisen überschütteten Album Songs in the Key of Life, Glanznummern sind "Sir Duke", "I Wish" und "Village Ghetto Land". Natürlich fehlt auch das zuletzt von Coolio gecoverte "Pastime's Paradise" und "If it's Magic" nicht. Dieses Album kann allerdings nicht verheimlichen, daß Wonder als Komponist die besten Zeiten hinter sich hat: Von seinem letzten Studioalbum sind lediglich zwei Nummern enthalten. (papa)

Svjatoslav Richter: The Essential Richter

Zum achtzigsten Geburtstag des weltberühmten Pianisten hatte Philips 1995 eine 21 CDs umfassende Sammlung von Richtereinspielungen veröffentlicht, die dem Meister selbst am gelungensten erschienen. Da diese in Preis und Umfang monströse Ausgabe offenbar nicht in erhofftem Maße gekauft wurde, folgte nun eine auf fünf CDs abgespeckte Version unter dem Namen The Essential Richter. Von den albernen Titeln der einzelnen CDs ("The Poet", "The Mystic", ...) sollte man sich hier nicht abschrecken lassen: Den Editoren ist eine äußerst glückliche Auswahl gelungen, die einen Eindruck von Richters großem Schaffen vermittelt. Die Sammlung beinhaltet ebenfalls die Aufnahmen des legendären Sofia-Recitals von 1958, die schon zu Beginn der achtziger Jahre Kultstatus erreichten.

Während seiner Studienzeit am Moskauer Konservatorium (1937-44) erarbeitete er sich die für die russische Schule typische Verbindung von Kunst und Können. Sein großer Lehrer Heinrich Neuhaus, ein Godowsky-Schüler, blieb sein Leben lang ein prägendes Vorbild. Die Aufnahmen dieser Sammlung machen deutlich, warum Richter neben Gieseking, Rubinstein, Gould und Barenboim zu jenen Pianisten gezählt wird, von denen es in einem Jahrhundert nur eine Handvoll gibt. Richter macht den Flügel zum Orchester, und das mit solchem Sinn für Proportionen und Maß, daß man den Tontechnikern dafür dankbar ist, daß sie es ermöglichen, nachträglich dabeizusein. (fw)

Vinnie Colaiuta: Vinnie Colaiuta

Colaiuta hat für unzählige Künstler aus fast allen Musiksparten die Stöcke geschwungen, für Frank Zappa ebenso wie für Herbie Hancock. Dementsprechend klangvoll ist die Liste der Mitspieler, darunter z.B. Chick Corea, Herbie Hancock und John Patitucci. Übermächtig aber ist der Einfluß der Band, mit der er zur Zeit live zu sehen ist: Sting & Co.

So gemischt wie die Besetzung sind die Kompositionen: die Spanne ist irrwitzig, läßt kaum etwas aus. Colaiuta versteht es, von Hard-Rock über Blues bis hin zu Fusion Jazz die jeweilige Stilrichtung mit Schlagzeug und Percussion so zu interpretieren, daß man keinen der Stile mögen muß, um diese Platte gespannt zu genießen. Er erliegt nicht der Gefahr, in einer Schlagzeugorgie auszuschweifen, komponiert für Piano und Trompete gleichermaßen einfallsreich.

Der Wechsel von Stück zu Stück ist enorm, manchmal anstrengend. Colaiuta wird dabei nicht müde, den Zuhörer an der Nase herumzuführen, so z.B. bei der Metamorphose von Techno-Beat zu Samba-Groove. Bei der letzten Nummer handelt es sich schließlich nur noch um die Demonstration, daß jede Komposition in jeden Stil überführbar ist. Diese Platte ist ausgefallen, sie hat Witz, Charme und ist für jeden ein Muß, der sich um Konventionen in der Musik nicht kümmert. (papa)


Ubu für alle

Der Killerclown ist wieder da

"Merdre!" - Mit diesem Ausruf hebt Alfred Jarrys "König Ubu" an zum lustigsten und natürlich grauenhaftesten, also zum groteskesten Drama seit seiner Entstehung Anno 1896.

Das zusätzliche "r" ist kein Druckfehler sondern macht die gewöhnliche "merde" "expressiver, ja bedrohlicher", wie der Übersetzer Ulrich Boissier schreibt. Der Sprecher dieses Wortes, Vater Ubu, ist der perfekte Egoist und Feigling. Er läßt sich von Mutter Ubu zu Verschwörung und Königsmord anstacheln, wird "Ubu Roi", führt als sein eigener "Phynanzmeister" ein blutvolles Terrorregime, wird selbst gestürzt und flieht.

So plötzlich Ubu beim ersten Anzeichen einer Gefahr in lautes Jammern ausbricht, so selbstverständlich legt er seine habgierigen und sadistischen Motive offen. Grausamkeit und selbstbezogene Naivität mischen sich in seiner Rede zu einer Art von kurzsichtiger Perfidie, die diese Figur zum Archetypus des Killerclowns macht.

Seine provokative Note erhält das Stück dadurch, daß Ubu mit seiner Hit-and-Run-Moral am Ende grundsätzlich mit heiler Haut davonkommt. "Merdre" - das sagt zwar noch nicht alles, aber es sagt das Wesentliche. Es spiegelt die Primitivität des ubuschen Charakters, und es verweist mit großer Assoziationskraft in die Sphäre des Leiblich-Sinnlich-Materiellen. Boissier übersetzt es mit "Schoiße", was die Betonung vielleicht eher aufs Komische als aufs Bedrohliche legt. Und komisch ist das Stück von vorne bis hinten. Seien Sie versichert: Der Rezensent wälzte sich am Boden und grölte vor Lachen, als er den ersten Akt las! "Mutter Ubu, Ihr beleidigt mich, und Ihr kommt gleich in die Suppe!", sagt Vater Ubu. Zum Essen gibt es "Eisbombe, Wellfleisch, Erdbirnen und Blumenkohl in Schoiße". "Bah, Ihr stinkt ja, Vater Ubu. Wascht Ihr Euch denn gar nicht?", fragt Hauptmann Bordure, als sie den Putsch vorbereiten. "Alsdann, Bordure, du übernimmst es, den König durchzusäbeln", wird ihm befohlen. Ubu überreicht dem König, bevor er ihn ermordet, "diese kleine Trillerpfeife als Geschenk". "So, jetzt kann ich endlich abhaun", sagt er und stürzt dabei: "Ich krepier bestimmt gleich". Später werden alle Adeligen, Finanzräte und Richter massakriert: "Die Todeskandidaten werfe ich hier durch die Falltür. Sie landen unten in der Schweinezange und kommen dann in die Groschenkammer; dort schließlich werden sie enthirnt".

Jarry hat viel Wert darauf gelegt, sein Stück im Allgemeingültigen anzusiedeln, was den bizarren Effekt noch steigert: Es spielt "in Polen, das heißt Nirgendwo"; die Hauptfigur trägt eine Maske, und die Kostüme haben "so wenig Lokalkolorit wie möglich". In diese Richtung zielt auch die sprachliche Stilisierung mit ihren Verfremdungen und Running Gags. Die Frage, inwieweit Jarry als ein Begründer des modernen französischen Theaters zu gelten hat, überlassen wir den Experten. Fest steht aber, daß er mit seiner Shakespeare-Satire ein bedeutendes Stück dramatischer Vergangenheitsbewältigung geleistet hat. Übrigens schöpfte bereits die allererste Fassung des "Ubu" ihren Scherz zum guten Teil ex negativo: als Schülerpersiflage auf einen Physik-Professor.

"Ubu Roi" gehört, so viel ist sicher, zusammen mit "Karlsson vom Dach" und Bukowskis "Post Office" zu den zentralen literatischen Bezugspunkten des Rezensenten. Der Text ist jetzt in einer allerpreiswertesten Ausgabe erschienen: Machen auch Sie ihn sich ohne Verzug zugänglich und zum ständigen Begleiter! (jpb)

Alfred Jarry: "König Ubu". Übers., hg. und mit einem Nachwort von Ulrich Boissier. Stuttgart: Reclam '96, DM 4.-

Heimrad Prem heißt der Ölbildner und Objektkünstler, den der Heidelberger Kunstverein im Rahmen seiner diesjährigen Sommerausstellung mit einer Retrospektive würdigt. Prem, der zeit seines künstlerischen Schaffens unter den als repressiv empfundenen Verhältnissen in Politik und Kirche seiner Bayerischen Heimat gelitten und 1978 Selbstmord begangen hat, war Mitbegründer der Gruppe SPUR und ließ sich vom Informel, der Primitiven Kunst, von Paul Klee und schließlich der Pop Art beeinflussen.

Die Ausstellung geht bis zum 8.9.'96. Kunstverein Heidelberg: 18 40 86.


Kalauer vermieden

Das Debüt des Lyrikers Andreas Holschuh

Lyrik ist im Grunde immer das gleiche: Es gibt ein Ich, die Welt, und dann noch die Sprache. Früher konnte sich der Dichter noch ein unkritisch-nachahmendes Verhältnis zur Wirklichkeit leisten.

Spätestens seit Beginn des Jahrhunderts aber ist es vorbei mit der Ungebrochenheit, und Risse, Sprünge, gar Abgründe tun sich auf. Überhaupt eine Beziehung zur Welt zu haben und sie mit sprachlichen Mitteln zu gestalten ist jedoch nach wie vor die Gegebenheit der Dichtung.

Der Lyriker Andreas Holschuh, geboren 1957, der dieser Tage mit dem Gedichtband "Unterderhand" sein lyrisches Debüt veröffentlicht hat, ist sich vollkommen im klaren über die Relativität seines Unterfangens. Seine Antwort: Gelassenheit. Er schert sich nicht im geringsten um das, was vor ihm und neben ihm existiert und macht Gedichte, die ganz aus ihm selbst kommen. Wohl nimmt er die Positionen anderer Vertreter seines Fachs wahr und läßt sie in seine Arbeit einfließen; das belegt schon das Koordinatensystem von poetisch-poetologischen Zitaten, in das Holschuh seine Gedichte stellt. Aber diese Beeinflussung ist nur oberflächlich; zu souverän und selbstverständlich exponiert er dem Leser die Bewußtseinsinhalte seiner Ichs. Es ist bemerkenswert, wie unpsychologisch diese Gedichte sind. "Unterderhand" inszeniert keine Selbstentfremdung, keine Selbstentzweiungen, keine Zwiespälte etwa zwischen Verstand und Gefühl; immer ist es ein intaktes, wenn auch nicht unbedingt glückliches Ich, das sich den Erfahrungen der Welt ausgesetzt sieht.

Diese Welt nimmt der Autor immerhin so ernst, daß er das subjektive Ego nicht fortwährend in den Vordergrund spielt. Das bewahrt ihn vor platter Ironie, vor unbändigem Weltschmerz und vor affektiertem Metapherngetöse: Wenn er über die Liebe schreibt oder über das Schreiben selbst, wird stets die Eigentlichkeit des Problems spürbar, ohne daß er jedoch in die hohle Dramatik des Existentiellen verfiele.

Ein anderes wiederkehrendes Thema von Holschuhs Lyrik ist die als unwirtlich empfundene Stadt als Symbol für die moderne Lebenswelt schlechthin. Anstatt sie in expressionistischer Manier zu dämonisieren, bedient er sich eher diagnostischer Termini ("panikschübe in den straßen") oder wählt den Modus der einfachen Beschreibung:

hektik unter einem gelben
ampellicht

das weiterkämpfen im beton [...]
links und rechts befestigte
trümmer

jemand schnappt nach luft
ein schnelles rascheln neonfeuer
anrufe hustengeräusche [...]
die verschwundene häuserzeile
als wäre krieg gewesen.

Holschuhs Schreiben ist kein heroisches "Trotzdem". Er stellt sich der Wirklichkeit, so wie er sie empfindet, bejaht sie schreibend und wendet sich den Problemen zu, die er sieht. Zwar ist seine affirmative Grundhaltung ihrem Wesen nach zögerlich: in auffälliger Häufung finden sich Formulierungen mit "vielleicht", "irgendwie" oder "mal wieder". In Gedichten wie "irgend so was wie liebe" zeigt sich, wie bedingt dem Dichter Holschuh das Verhältnis des Subjekts zu seiner Umwelt erscheint:

das hohe lied mißlingt aber unsere
lange notdurft in diesem traurigen
zimmer
schlagen wir hier also unseren
himmel auf
erklären das spiel für eröffnet


abgekartet meßbarer vorgang na
wenn schon.

Gleichzeitig wird aber deutlich, daß ihm der Kontakt im Grunde und nach Abzug aller Widrigkeiten doch möglich erscheint. Und am stärksten bejaht Holschuh die Realität dort, wo er am lautesten Klage führt: In den tiradenhaften Gedichten mit zeitkritischem Einschlag, die er im dritten Teil seines Bandes versammelt hat, ist es weniger Entfremdung als ein höchst beteiligtes Hadern, das den Dichter zum Wort drängt - etwa in "abgesang", wo es heißt:

mein gott die neunziger
was soll man da sagen ist doch
wahr [...]
zweite wahl [...] zwölfter aufguß
karzinogen das alles [...]

deutschland heimat fette hure [...]
man kann gar nicht so viel fressen
wie man kotzen möchte.

Aus dieser weniger ambivalenten als einfach illusionslosen Grundhaltung heraus sieht Holschuh davon ab, seine Probleme mit der Welt als Wall zwischen sich und dem Leser aufzuschütten und vermeidet die hermetischen Koketterien, mit denen sich viele andere Gegenwartslyriker um stilistische Profilierung bemühen. Allein im formalen Mittel des Zeilensprungs pflegt er den Geist der Widerständigkeit: Vielfach verzichtet er auf eine eindeutige Gruppierung der Sinneinheiten und versichert sich so der geistigen Mitarbeit des Lesers.

Im programmatischen Einleitungsgedicht des Bandes - "alles was ich seh" - zielt er vielmehr auf eine sprachliche Erschließung der Welt. Es soll an dieser Stelle nicht die linguistische Virulenz dieses Konzepts erörtert werden; auffällig ist aber, daß die Texte in Wirklichkeit weit weniger stark konzeptuell geprägt sind, als der - allerdings immer unaufdringlich vorgetragene - theoretische Überbau vermuten ließe. Holschuh geht es einfach darum, seine Sichtweise bestimmter Themen zu vermitteln; und weil ihm dabei Eindrücke mehr gelten als Argumentationen, wählt er die Form des Gedichts.

Dieser Pragmatismus ist ein zentrales Merkmal von Holschuhs Stil. Seine Sprache ist ebenso bildkräftig wie unmetaphorisch. Sein Blick auf die Welt ist nie ohne Distanz; er schreibt nah an den Dingen, und die Worte weisen selten sehr weit über ihren Begriff hinaus. Auf diese gleichsam 'objektivierte' Weise gelingt es ihm um so überzeugender, Assoziationsströme auszulösen und intensive Stimmungen zu evozieren. Daß Holschuh Dinge sagt, die nicht anders als metaphorisch auszudrücken sind, ist die Ausnahme. Dann aber findet er Sinnübertragungen, deren Originalität bisweilen nicht zu leugnen ist: "dort züchte ich träume wie austern / schwarze und schwarze perlen / die kau ich solange es gilt".

Holschuh hat geradezu eine lyrische 'Normalsprache' entwickelt, die sich nicht in jedem Gedicht wieder neu beweisen muß: Wie in der Prosa die Hierarchie der Syntax vorherrscht, so findet sich in "Unterderhand" der Satz auf seine direkt referentiellen und assoziationstragenden Elemente beschränkt, deren Reihung nur ein Minimum an Formalisierung benötigt. Das wäre aber noch nicht viel wert, hätte Holschuh nicht ein sicheres Gespür für das Gewicht der Worte. Seine Kunst besteht hier auch darin, nicht in die Trivialvariante seiner Idee zu verfallen und in eine partizipiale Stammellyrik à la Herbert Grönemeyer abzugleiten.

Eine wichtige Konstituente dieses Formulierungsduktus ist die Umgangssprache, die zum Teil in pointierte Schnoddrigkeit mündet: "viel geklontes auf den straßen / man verwechselt sich zunehmend" ("abgesang"). Manchmal allerdings, dabei nie aufdringlich, läßt Holschuh den poeta doctus durchscheinen: etwa in der Rilke-Reminiszenz von "nimm sie fort" ("nimm sie doch ab, die vielen gesichter") oder in der geradezu manischen Satire auf C. F. Meyers "Römischen Brunnen", die sich durch mehrere Gedichte zieht: "aufblüht ein glanz in allen / dingen [...] abblüht mein kopf".

Das auffälligste sprachliche Mittel Holschuhs ist aber die Dekomposition von Sprichwörtern und Sentenzen und die Neukombination ihrer Bestandteile. Erstaunlicherweise gelingt es ihm dabei fast durchgehend, das Niveau des Kalauers zu vermeiden, und nicht selten inszeniert er einen spannungsreichen neuen Sinnzusammenhang: "friede und freude in den hütten / und eierkuchen in den palästen". Das scharfe Licht, das dabei auf den beliehenen Sprachschatz zurückfällt zeigt Holschuh auch in der kritischen Tradition der Polit-Lyrik. Er legt es aber nicht auf rhetorisch geartete Brillanz an, sondern arrangiert seine Gegenstände, so objektiv er sie behandelt, nach poetischen, subjektiv transformierenden Mustern; er begnügt sich nicht mit einem Statement, sondern es geht ihm immer auch darum, ein Gedicht zu schreiben.

Holschuhs lyrisches Debüt ist gleichzeitig die erste Veröffentlichung des Heidelberger Elfenbein-Verlages, der von zwei jungen und zweifellos vielversprechenden Germanisten und Geschichtswissenschaftlern betrieben wird. Mit Andreas Holschuh, der tagsüber als Krankenpfleger arbeitet, haben sie sich einen Autor gesichert, der weit über das Niveau der marktgängigen Literaturzeitschriftenlyrik hinausragt. Seine Gedichte setzen nicht lange Jahre innerer Reifung und philologischer Schulung voraus; ihr uneitler Grundton und die verhaltene Leidenschaft, die sie ausstrahlen, sind geeignet, auch gewohnheitsmäßige Lyrik-Verächter milde zu stimmen. (jpb)

Andreas Holschuh: "Unterderhand". Mit einem Nachwort von Sven Limbeck. Heidelberg: Elfenbein-Verlag 1996, geb., DM 18.-


Sport


In der Bärenhöhle

Rugby-Hochschulmeisterschaften

Im Regen, in der Kälte. Im Matsch.Rugby pflügt alles um, den Rasen, den Körper. Den Gegner.Und wenn der Boden dann noch aufweicht, Klumpen schon lange nicht mehr grünen Rasens an den Stollenschuhen kleben, wird das Spiel zum Kampf. Kampf um Bälle, Punkte, Siege. Das gelang der Heidelberger Rugby - Hochschulmannschaft bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften des vergangenen Wochenendes in Trier überaus bravourös. Stark ersatzgeschwächt und mit vielen Neulingen wagten sie sich mit zwei Mannschaften, in denen jedoch nur ein Bundesligaspieler der sehr erfolgreichen Heidelberger Rugbyszene mitspielte, in die Höhle des Bären. Viele andere waren durch Nachholspiele ihrer Vereinsmannschaften gebunden. Warfen sich also in das Bärengehege, auf Souvenirsammlung nach blauen Flecken, Prellungen, Schürfwunden. Die Mannschaft trägt die Leiden. Die Mannschaft trägt die Freuden. Nach letztjährigem Turniersieg war unter diesen Voraussetzungen leider nur ein dritter Platz möglich. Große Freude trotzdem. Überraschung auch, weil schon im ersten Match zwei der besten Spieler verletzungsbedingt ausfielen. Aber man hatte glücklicherweise noch die zweite Mannschaft als Ersatzteillager, die somit schon nach der ersten Runde aufgeben mußte, mit Platz 20 der Wertung von insgesamt 22 Mannschaften. Im Dienst der Mannschaft. Im Dienst der Universität. Haufen von Knochen, Muskeln, Fleisch im Kampf um den Sieg. Zweimal sieben Minuten Konditionskrieg pro Spiel, sieben Spieler pro Mannschaft auf der Größe eines Fußballfeldes. Freiräume. Das Siebener-System fordert den Spieler, bis er über seine Zunge stolpert. Und trotzdem hatten sie noch Luft für einen 8:7 Sieg im Spiel um Platz drei gegen Göttingen. Die beiden Erstplazierten, die FU Berlin mit zahlreichen Nationalspielern vor Braunschweig, waren dabei jenseits von Gut und Böse, vielleicht aber auch einfach nur ein bißchen weniger betäubt von dem Fest Samstagnacht. (rot)

Spieler: Morsch, Hecht, Bechtel, Kühne, Zech, Pencuni, Ueberle, Botacelli, Morales, Thiel, Pritchett, William, Steinmann, Vogel


Badewannenspiele

Der Finaltag des Uni- Fußballturniers mit begossenen Siegern

Brücken bauen können sie ja. Der Fluß ist dabei das Mittelfeld, doch vor dem Tor war dann der Mörtel alle. Zumindest für die Equipe von Quietscheentchen. Vielleicht hätte man doch nicht nur in der Badewanne proben sollen. Leeres Gekicke, Stein um Stein, ohne das andere Ufer zu finden. Tore sind so wirklich nicht zu erzielen.

Dafür hat ihnen dann auch der Gegner am Finaltag des Uni-Fußballturniers, die Mannen von Badesalz, das Netz lotterig geschossen. Die Maschen geweitet, den Sechzehnmeterraum umgepflügt. Kurz gesagt: Gewonnen.

Die professionellen gelben Trikots, treu in der Farbe des Badewannenspielzeugs, waren für Quietscheentchen da nur noch Selbstdarstellung. Auch die im Übermut des Sieges eingewechselte völlig stumpfe, weil humpelnde Spitze von Badesalz tat dem Torrausch überhaupt keinen Abbruch. Flaschen vorher, Flaschen nachher. Siegestaumel und Verliererfrust ertränkt im Alkohol des Sommerfestes. Und doch nur Spiel um Platz drei. Unwichtig. Verdient aber für die Mannschaft von Badesalz, die im Halbfinale zwei Elfmeter - einen davon während des Elfmeterschießens - nicht über die Torlinie brachte.

Überbrückt wurde dann auch im Finale, überhaupt ja eine der beiden wichtigsten Tugenden eines Fußballspieles. Die andere: Den Rhythmus finden, womit Fußballmannschaften ja generell die ersten 15 Minuten beschäftigt sind. Manche finden ihn nie, nicht nur in Manchester. Im Nirvana der Fußballpsychologie.

Rekord ist, wenn man obengenanntes Wundermittel des Sieges schon in der 12. Minute entdeckt, den Taktstab sogar schwingt wie ein Dirigent sein Stöckchen. Dann fallen die Tore, greift sich der Torwart die Hände blutig. Verfängt sich in den Maschen, aus denen er andauernd den Ball befreien muß. 12, 26, 33. Drei Zahlen, drei Tore. Den Spielern des Equipo Infernale scheuert der Besen der knallorange trikotierten Straßenkehrer von Wacker Weststadt die Füße wund, branden in unfair hoher Tonlage die schrillen Schreie einer verzückten Wacker-Weststadt-Fangemeinde entgegen.

Und dann setzt auch noch leichter Nieselregen ein. Wäscht die Siegesträume der dem Inferno sehr nahen Equipe in die Kanalisation zu den erfolglosen Brückenbauern dieser Fußballwelt. Versumpft sie im weichgetretenen Rasen des Uni-Stadions. Mitleid? Nicht von ungefähr werden beide Finalbegegnungen am Sommerfest des Sportinstitutes ausgetragen. Alkohol ist zum Träumeflicken da. Und zum Feiern. Schließlich ist alles nur ein Spiel. (rot)


Finale Verlierer

Handball-Hochschulmeisterschaften

Ein leicht ziehendes Geräusch. Dumpf, ein bißchen klebrig. Die Hände sind harzig, um den kleinen Ball besser greifen zu können. Das Geräusch, wenn sich der Ball aus der Hand löst. Handball. Dann ein dumpfer Knall, trocken, an der schaumstoffgepolsterten Querwand der Turnhalle zwischen zwei Holzpfosten. Tor. Kraftvolle Zielgenauigkeit, die Flugbahn des Balles unmöglich zurückzuverfolgen. Dem Torwart bleibt oft nur das Glück des Tüchtigen zur Abwehr.

31 Mal war dieser kurze Knall im Heidelberger Tor bei der Finalbegegnung der deutschen Handball-Hochschulmeisterschaften letztes Wochenende im Sportinstitut zu hören. Nur 22 Mal auf gegnerischer Seite, im Stuttgarter Tor. Knall der Niederlage, Melodie des Sieges. 22:31 der Endstand im Spiel Heidelberg gegen Stuttgart, deren Mannschaft nun bereits zum dritten Mal in Folge den Titel gewann. Das war das Ende. Der Anfang: Vier Mannschaften-Bremen, Stuttgart, Göttingen, Heidelberg - hatten sich bei den Herren für die Endrunde qualifiziert. Hieraus wurden die Halbfinal- und Finalbegegnungen ausgelost. Heidelberg setzte sich gegen Göttingen durch, Stuttgart gewann gegen Bremen.

Quietschender Ton der auf dem Hallenboden rutschenden Haut, Schweißflecken zu Boden gegangener Spieler glänzten im Licht der Hallenbeleuchtung. Hitze des Gefechts, Kampf einer Begegnung, die jedoch nur in der ersten Hälfte spannungsgeladen war. In der Halbzeitpause war noch alles offen. 10:12, nur ein knapper Rückstand. Siegeswille, gepusht vom rhythmischen Klatschen auf den Zuschauerrängen. Trotzdem unterliefen Heidelberg unzählige Fehlwürfe, krachendes Holz schrie ihre Wucht hinaus. Den Frust auch, wieder nur den Pfosten getroffen zu haben. Trotzdem scheiterten sie immer wieder an einem allerdings überragend agierenden Stuttgarter Torhüter.

In der zweiten Halbzeit dann stand die Stuttgarter Abwehrreihe zu sicher. Aggressivität. Spieler gegen Spieler, Kampf um Quadratzentimeter. Hart, rauh. Ohne Raum. Ohne Durchkommen. Nur Fernwürfe führten zum Erfolg, doch die schnellen Konter der Stuttgarter besiegelten das Schicksal der Heidelberger.

Bei den Damen traten Konstanz, Gießen, Heidelberg und Halle an. Gießen schoß Halle aus dem Turnier, Heidelberg gelang ein Sieg gegen Konstanz. Spielerischer war der Rhythmus hier, ohne die Brechstange des Wollens und Doch-nicht-Könnens.

Die Finalbegegnung dann war ausgeglichen. Spannung hat die Macht zur Unterhaltung, und spielerischer Gleichwertigkeit ist ein Garant für Spannung, Zuschauer haben die Macht, den Takt vorzugeben, den Rhythmus von Händen, Flaschen, Trommeln dem Spiel aufzuzwingen. Die Kraft für ein gutes Spiel hervorzuzaubern. Den Willen hervorzuzerren, die Nerven in ständiger Anspannung zu halten. Faszination eines Wechselspiels. Anfeuerung, um einem 0:5 Rückstand nach einer Viertelstunde ein 8:8 entgegenzusetzen, trotz drei nicht verwandelter Siebenmeter. Trotz zahlreicher Fehlwürfe weit über das Tor, oft aber auch an den Pfosten, das Lattenkreuz. Ächzendes Holz, Geräusch des Frustes. Trotz einer überragenden Torhüterin der Gießenerinnen. Dieser haben die Heidelbergerinnen auch ihre knappe 14:15 Niederlage zu verdanken. (rot)


Verschiedenes


Zugehört!

Termine

Malkurs

Wer schon immer bewundernd vor Picasso und Monet stand, sollte am 22.- 26. 7. ins Montpellier-Haus gehen. Dort findet täglich von 9-18 Uhr ein Malkurs von L'ART Quotidien statt. Informationen unter 162969.

Höllenkurs

"Der gute Gott und die Hölle" lautet der Vortrag in der Katholischen Studentengemeinde am 3. Juli, 20 Uhr.

Zukunftskurs

Wer sich zu über die Abschaffung der Garderobe in der UB aufregt, der kann jetzt wenigstens gleich von dort aus die Sause machen: Der neue Mitfahrcomputer hilft jedem, möglichst schnell weg zu kommen.

Linkskurs

Zwei Jahre und kein bißchen weise: Die AG Junge GenossInnen feiert am 13. 7. ab 18 Uhr ihren 2. Geburtstag im Qirl (alter OEG-Bahnhof, Gneisenaustr.12) Mal nicht nur Politik, sondern auch Musik, Kultur.

Pflichtkurs

Nicht nur die Frauen, die Karriere an der Uni machen wollen, sollten am 11. /., 20 Uhr im Hörsaal 1 sein. Das Frauenbüro lädt ein zur Podiumsdiskussion über Nachwuchsförderung.

Lila Kurs

Volles Haus wie immer wird am 8. 7. um 19 Uhr im Marstall sein: Das AFLR ruft zur Frauen-Vollversammlung. Anschließend spielt die Frauenband Catch A Chill.


Hoppla!

Berichtigung

Auch ruprecht-RedakteurInnen machen Fehler: Unter dem Artikel "Zahltag" plant Schlag, Nr. 42, Seite 1 wurde Markus Jakovac (mj) als Autor angegeben. Er hat diesen Artikel jedoch nicht geschrieben und identifiziert sich auch nicht mit dessen Inhalt.

Die Redaktion


Personals

von uns für uns von Euch für Euch

gz! Du hast wirklich den Rekord gebrochen. Respekt! - hn

Welt! Die FSK, das sind verkappte Kommunisten. - jr

gz! Wir sind hier in einem stalinistischen Einheitsverein. - mj

Hobbes! Sorg mal dafür, daß Dein Herrchen wieder fitter wird! - gz

Patrick! Am Montagmittag schieben wir Dich dann ins Zimmer 'Verbrauchte Redakteure'. - G.

mj! Was machen wir, wenn die roten Truppen bei uns einmarschieren? - jr

Claudio! Noch vier Monate. Die Welt wartet auf Dich! - Ugo

Michi! Zeig der Umwelt wieder mal Dein Lächeln. - Jannis

Römer & Mailänder! Habt Ihr ordentlich gefetet, während ich das Wochenende geschuftet habe?! - G.

ru.! Ich telefoniere seit Wochen wie ein Blöder. - MS

gz! Ich bin überhaupt kein Chauvist! - jr

bpe! - Keine Angst, die "Tyrannin und Diktatorin" (Zitat: mj) hat ihre Sklaven unter Kontrolle. - gz


Impressum

dieser Zeitung

ruprecht, die Heidelberger Student(inn)en Zeitung, erscheint drei Mal im Semester, jeweils Anfang Mai, Juni, und Juli, bzw. November, Dezember und Februar. Die Redaktion versteht ruprecht als unabhängiges Organ, das keiner Gruppierung oder Weltanschauung verpflichtet ist. MitarbeiterInnen und RedakteurIinnen sind willkommen; die Redaktion trifft sich während des Semesters jeden Montag um 20 Uhr im Haus der Fachschaften in der Lauerstr. 1, 3. Stock. Für namentlich gekennzeichnete Artikel übernimmt der/die Autor(in) die Verantwortung.

V.i.S.d.P.: Gundula Zilm, Schiffgasse 9, 69117 Heidelberg

Redaktionsadresse: ruprecht, Kaiserstraße 57, 69115 Heidelberg, Tel./Fax 06221/542458, e-mail: ruprecht @urz.uni-heidelberg.de

Layout- u. Organisationsleitung: gz, hn

Graphiken: hn, jr, gz

Druck: Caro-Druck, Frankfurt a.M.

Auflage: 12.000

Die Redaktion:

Jens Peter Blinne (jpb; Kultur), Julia Bonstein (jb), Matthias Breitinger (mab), Helge Cramer (hpc), Hedwig Ebinger (hee; Anzeigenakquisition), Thilo Elsässer (te), Markus Jakovac (mj), Lena Kempmann (lk; Heidelberg), Marcus Müller (mm; Letzte), Harald Nikolaus (hn; Hochschule), Jannis Radeleff (jr; Anzeigenlayout), Robert Thielicke (rot; Sport), Klaus Werle (kw), Felix Wiesler(fw), Gundula Zilm (gz)

Freie Mitarbeiter(innen): Timm Beichelt (tb), Katharina Hausmann (kaha), Matthias Krebs (mk), Gabriel Neumann (gan), Patrick Palmer (papa; Fotos), Kirsten-Heike Pistel (khp), Jakob Ulmschneider (ju), Saskia Wirth (saw)

Red.-Schluß für Nr. 44: 21.10.1996

ISSN: 0947-9570

Internet: ruprecht, Anzeigenpreise und Leserbriefe unter http://www.rzuser. uni-heidelberg.de/~ed6.


Die Letzte - in Auszügen


Biete Zimmer: Heißer Tip!

Glosse natürlich

Kennen Sie den Witz von dem Pelzmantelvertreter in der Sahara? Ungefähr so fühle ich mich bei meiner sommerlichen Suche nach einem Nachmieter für mein Zimmer. Nicht, daß es ein schlechtes Zimmer wäre, das bestimmt nicht. Nur leider ist es sehr klein, liegt direkt unter dem Dach und hat ein Fenster nach Süden. Ich müßte also den potentiellen Mieter nicht ausgerechnet dadurch tödlich beleidigen, daß ich ihn für so dumm halte, an einem dieser Heidelberger rekordverdächtigen Hitzetage den schweißbetropften Mietvertrag zu unterschreiben und hier einzuziehen. Ebensogut könnte ich vor seinen Augen sein Auto mit einer Brechstange neu designen und anschließend so tun als wäre nichts.

Natürlich: Totalgeschlossene Jalousien PLUS gekipptes Fenster PLUS sperrangelweit geöffnete Tür PLUS Ventilator auf Stufe Drei PLUS eine eiskalte Dusche alle zehn Minuten - diese von mir im Laufe von vier Semestern ausgetüftelte "Idealkombination" macht das Ganze, naja, ich will nicht gerade von "erträglich" reden, aber es erlaubt mir immerhin einige Minuten, in denen ich mir nicht ununterbrochen den Schweiß mit einem vor lauter Schweißabwischen eklig säuerlich riechenden Handtuch abwischen muß. Es sind dann nämlich nur noch 27 Grad Celsius, allerdings leider nur nachts. Wenn ich dann ganz, ganz ruhig daliege, mich nicht bewege, nicht denke, nicht atme, spüre ich beinahe so etwas wie Lebensqualität.

Selbstverständlich hat das Zimmer nicht nur Nachteile: Ein Vorteil zum Beispiel ist, daß man im Sommer nichts arbeiten muß. Ich beispielsweise finde meinen ganzen Daseinssinn darin, den Davidkampf gegen die Goliathhitze zu führen, leider mit entgegengesetztem Resultat. Erschöpft, schwitzend und glutrot im Gesicht falle ich dann nach einem Tag an der Hitzefront auf die Sonnenbank, die vorgibt, mein Bett zu sein, und schließe fix und fertig die Augen. Der Kühlschrank ist leer, Bücher und Mitschriften verstauben alleingelassen im Regal, alle Freunde haben vergessen, daß es mich gibt, und meine Freundin geht mit einem anderen ins Bett: Keine Zeit für Nebensächlichkeiten. Die Hitze fordert ihren Tribut.

Also, haben Sie Interesse? Das Zimmer kostet nur 220 DM - WARMMIETE... (kw)


Konfitüre extra

schon wieder Glosse

Einer ging hin und schrieb: "Scheiß Musik". So und nicht anders schrieb er, und damit nähern wir uns bereits zu diesem frühen Zeitpunkt rapide dem Kern der Sache. Zuvor allerdings präsentieren wir Ihnen erstmals die redaktionelle Top 5-Chartsliste: 1.) Cranberries: Zombie. 2.) H-Blockx: Risin' High. 3.) Fool's Garden: Lemon Tree. Außerdem Sting und - in memoriam bpe - simply ALLES von Van Morrison. Sie sehen: Bei uns gibt's kein wildes Abrocken, dazu sind wir alle viel zu sympathische Durchschnittsmenschen. Wir stellen alle bildungsmäßige Überhebung hintan und kümmern uns um die wesentlichen Dinge. Sepultura und "Music from Schulmädchenreport", Jazz und Klassik pfeifen wir aus und kreischen wir nieder, denn sowas wollen wir einfach nicht. Und das ist ja auch völlig verständlich. Sie sehen: Was wir im ruprecht rezensieren, würden wir uns selbst nie anhören.

Sie sehen aber auch: ich bin ein wenig vom Thema abgewichen. Entschuldigung. "Scheiß Musik", da waren wir stehengeblieben. Würden Sie das auch so schreiben? Oder eher "Scheißmusik"? - Klar, ich auch. Aber das ist ja noch einfach.Denn sollen wir auch schreiben: "Die Musik ist Scheiße"? Das wohl kaum, denn die Musik IST ja nicht SCHEISSE. Verstehen Sie, worauf ich hinauswill? Ich will einen Vorschlag zur Neuregelung der Rechtschreibung machen, und zwar auf dem Gebiet der Fäkalsprache. Im zuletztangeführten Beispiel ist es ja seit Jahr und Tag nicht mehr die substantivische Vorstellung, die prävalent ist, wenn man so etwas sagt (und besonders nicht bei einer so zauberhaft immateriellen Sache wie Musik): übelriechend, unfarben, und was sich sonst noch finden ließe an normativem Gewörter. Aber entschuldigen Sie, ich will das zugegeben etwas unglücklich gewählte Beispiel nicht zusätzlich, haha, breittreten. Ich plädiere jedenfalls nachdrücklich dafür, endlich der eigentlichen und längst vorherrschenden adjektivischen Vorstellung Bahn zu brechen und Recht widerfahren zu lassen. Noch viel virulenter wird das in "Das finde ich Scheiße". Sähe das klein geschrieben nicht viel besser aus? Und denken Sie an: "Du machst mir angst": das wird ja auch nicht groß geschrieben. Dabei wäre hier die entitäre Vorstellung von Angst als etwas Produziertem noch ziemlich sinnvoll, vergleichbar etwa mit "Du machst mir ein Kind". Ist das soweit verständlich? Dann danke ich für Ihre Aufmerksamkeit. Oder war Ihnen das zu marginal? Dann folgendes: Wer die Welt verbessern will, sollte lieber klein anfangen, sonst wird er schnell zum Exponenten einer Neuen Verschwurbelung, wie ich Ihnen leider sagen muß! (Nelly Sax)


*Zur ruprecht-Titelseite