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Feuilleton


Sie fliegen wieder ...

Der vierte Band des Joe Bar Teams

Der vierte Band des Joe Bar Teams, Europas bester gegenwärtiger Funny, ist endlich in einem vierten Album erhältlich, und, um es vorweg zu nehmen, das Warten hat sich gelohnt. Zwar gibt es statt der sonstigen "Einseiter" eine komplett durch das Album gehende Geschichte, aber trotzdem kommt immer noch am Ende jeder Seite eine Pointe, die ihresgleichen sucht.

Die Story zum Comic ist schnell eklärt: Sie schildert (vor allem) Motorraderlebnisse vierer Franzosen, die seit dem zweiten Band um drei Nachwuchsfahrer aufgestockt wurden. Basislager der sieben "Asphaltcowboys" bildet dabei Joes Bar, der mit Tat und Rat dem Team hilft, die besten Strecken, d.h. mit möglichst wenigen Ampeln und Zebrastreifen quer durch die Stadt, zu finden. Im vierten Band erfährt der Leser aber auch noch vieles über das private Leben der drei Jungen, die alle in einer Werbeagentur arbeiten, und dort z.B. mit Bürostuhlrennen für ein angenehmes Arbeitsklima sorgen. Zu verdanken ist dies alles dem französischen Duo Christian Debarre und Stéphan Deteindre, der Debarre seit dem zweiten Album mit Text und Zeichnungen unterstützt.

Joe Bar Team ist nicht einfach ein Comic für Motorradliebhaber, obwohl das Team unter diesen einen schon legendären Ruf hat und unter anderem auch in Motorradzeitschriften erscheint. Nein, es ist mehr: so finden sich z.B. im Internet zahlreiche Seiten unter dem Suchbegriff "Joe Bar Team", und zwar nicht nur Webseiten über den Comic, sondern vor allem Seiten von Motorradclubs oder einfach nur Freunden, die gemäß dem Motto des Joe Bar Teams leben: Nur ein Sieg zählt! Und der wird notfalls mit einer Mischung aus Sprit und Nitroglyzerinmethol erzwungen. Einzige Opfer, die bei solchen waghalsigen Experimenten zu beklagen sind, sind entweder die Piloten selber, deren Maschinen meistens die Torturen nicht überleben, oder Radarfallen, die in Feuer aufgehen, wenn selbst aufgebohrte Mopeds mit 140 km/h über eine Landstraße fliegen. (jr)

Erhältlich ist das Album (wie schon seine drei Vorgänger) für 16,80 DM bei der Ehapa Comic Collection.


Einer kommt nach Deutschland...

Hubert Habig inszeniert Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür"

Kann Wolfgang Borcherts "Draußen vor der Tür", jenes Nachkriegsstück von 1946, heute noch gespielt werden? Und wichtiger: Kann es nach einem halben Jahrhundert noch Menschen ansprechen? Daß es das kann, haben Hubert Habig (Regie) und Christian Schönfelder (Dramaturgie) mit ihrer Adaption "Draußen [vor der Tür]" bewiesen.

Die Inszenierung im Zwinger3 verknüpft Borcherts "Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will" mit der Idee des "Universal Soldiers": Der Soldat Beckmann ist als "einer von denen" charakterisiert, er steht bei Borchert exemplarisch für den deutschen Heimkehrersoldaten, der versucht, sich in einer Welt zurechtzufinden, die nicht mehr die seine ist, die den Bezug zu ihm ebenso verloren hat wie er zu ihr.

Die Adaption hebt Beckmanns Exemplarcharakter darüber noch hinaus: Er ist auch der Soldat, der im Vietnamkrieg gekämpft hat, in Bolivien, Kuwait oder Sarajewo, er bewegt sich durch die Kriege der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts, wobei sich die Handlung von Szene zu Szene auf die Gegenwart zuschiebt und dem Zuschauer damit immer näher rückt. Beckmann ist auch der ewige Verlierer, wobei es keine Rolle spielt, ob er im Krieg auf der Seite der "Sieger" steht. Beckmann ist einer und jeder, nie derselbe, aber immer der gleiche.

Diese Idee ist szenisch hervorragend umgesetzt: Nacheinander schlüpfen fünf verschiedene Schauspieler (Gedeon Berger, Felix Würgler, Uwe Neumann, Johannes Szilvássy und Massoud Baygan) in die Beckmann-Rolle. Die Figuren werden austauschbar und verschmelzen dadurch zu der Figur des "Universal Soldiers". Wer eben noch Beckmann als "der Andere" gegenübergestanden hatte (als Antworter, "Alter-Ego", aber auch als der Gegner an der Front, Ermordeter oder Mörder), verwandelt sich im nächsten Moment selbst in Beckmann, indem er seinen Mantel und die Gasmaskenbrille übernimmt.

Einer von ihnen ist jener "backman" aus dem Vietnamkrieg, der unerwünscht in das Eßzimmer seines Generals platzt, um ihm die Verantwortung für die Massaker an der Zivilbevölkerung "zurückzugeben".

Die Szene gewinnt dadurch an Kraft, daß sie gewollt in einer sanft-seichten Seifenopernstimmung beginnt - die Ami-Familie ist extrem überzogen dargestellt - und sich auf den grausigen Alptraum Beckmanns hin beklemmend zuspitzt. Dessen Schilderung wirkt - selbst gekürzt und verändert - gerade vor dem amerikanischen Kitsch-Hintergrund umso erschreckender. Die Szene bewegt sich als ein bizarrer Balance-Akt zwischen Belustigung, peinlicher Berührung und Grauen.

Schade, daß das Stück gegen Ende gravierend vom Original-Text abweicht, ohne daß hier wie in den anderen Fällen die Aktualisierung Anlaß dazu gegeben hätte. Wenn Beckmann an der Seite des traurigen Gottes die Rampe hinauf dem Licht entgegenläuft, läßt das die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit des Ausgangs des Borchert-Stückes vermissen. Dort ist "der alte Mann, der sich Gott nennt" abwesend, und Beckmanns Ruf "Gibt denn keiner, keiner Antwort???" verhallt verzweifelt in der Leere.

Gelungen ist dagegen eine Art Vorspiel zu Beginn: Fünf Männer zielen mit Steinen in einen Wassereimer, sehr schnell entwickelt sich aus dem Spiel ein Streit: Der Krieg kann überall entstehen, und der Verlierer wird auf den Namen Beckmann getauft, jedesmal von neuem.

Schauspielerisch überzeugen vor allem Massoud Baygan in seiner Rolle als Bestattungsunternehmer, als der überfressene Tod, der ununterbrochen rülpsen muß, und sein Gegenpart Felix Würgler als altgewordener Gott, der ohnmächtig um seine verlorenen Kinder trauert. Gut gelöst ist auch die schauspielerische Darstellung der personifizierten Elbe. Wie stellt man auf der Bühne einen Fluß dar, der in weiblicher Gestalt in Erscheinung treten muß? Eine Röhre in der Seitenwand der Bühne bildet die Quelle, aus der sie "strömt", Daniela Zähl kommt die Rolle der Elbe zu, mit nassen Lappen verschleudert sie ihr Wasser, während sie sich über die Holzbohlen rollt.

"Draußen [vor der Tür]" ist Theater, wie es sein sollte. Es führt uns die ungemütliche Welt des Regens und der Kälte vor Augen, die Welt des Ausgegrenztseins, die wir irgendwie alle schon einmal erlebt haben. (cw)

"Draußen [vor der Tür]" im Zwinger3: 13.05. und 15.05., jeweils 20 Uhr; 14.05., 11 Uhr


Ein verlorener Sohn?

"Der Held der westlichen Welt" im Stadttheater

In einer dunklen Nacht, alleingelassen von den Männern, die zu einer Totenwache gehen, kommt der dahergelaufene Christopher (Christy) Mahon der jungen Kneipenwirtin Pegeen als Gesellschafter gerade recht.

Sie überzeugt ihren Vater Michael, James Flaherty, den Fremden, als Schankburschen anzustellen. Christys zögerliches Geständnis, er habe seinen Vater im Streit umgebracht, sorgt jedoch keineswegs für Entsetzen und Ablehnung, sondern läßt die Achtung der Dorfbewohner beträchtlich steigen. Die unvorhergesehene Bestätigung verleitet den jungen Mann dazu, immer phantasievollere Einzelheiten zum besten zu geben, um sich das Interesse der Leute zu sichern. Dies ist nur der Anfang der Erfolgsgeschichte von John Millington Synges "Held der westlichen Welt": Im Licht der allgemeinen Bewunderung entwickelt sich Christy zu einem Frauenschwarm und erfolgreichen Sportler. Doch bevor es zu einer Hochzeit mit Pegeen kommt, taucht sein totgeglaubter Vater auf. Lediglich dessen Kopfverband liefert einen kleinen Echtheitsbeweis für die Geschichte, rettet Christy aber auch nicht, denn als der Vater die Vorkommnisse aus seiner Perspektive schildert, erscheint alles in neuem Licht. Die Stimmung im Dorf schlägt um, und plötzlich ist die Witwe Quin, deren Zuneigung Christy zurückwies, seine einzige Verbündete.

Die irische Tragikomödie wurde Ende des letzten Jahrhunderts geschrieben, ihr Thema ist jedoch zeitlos: Ein bisher unscheinbarer junger Mann wird durch eine Verzweiflungstat unverhofft zum Helden, erst die grenzenlose Bewunderung der Allgemeinheit verhilft ihm zu Selbstbewußtsein und Erfolg. Doch so schnell, wie er zum Helden gemacht wurde, wird er wieder fallengelassen. Alle Versuche, sein Ansehen zurückzuerlangen, schlagen fehl. Er ist gebrandmarkt als Versager. Fazit: Ein sehr amüsantes Schauspiel, dessen Akteure überzeugen. (mi)

"Der Held der westlichen Welt" im Stadttheater Heidelberg: 15. 05., 20 Uhr; 25.05., 20 Uhr


Emanzipation auf dem Campus

Premiere von David Mamets "Oleanna" im Nationaltheater Mannheim

Auf nicht restlos gefüllten Rängen erlebten die Besucher in Mannheim eine beeindruckende Inszenierung des 1992 uraufgeführten Dramas um den spätestens seit Wortmanns "Campus" wieder hochaktuellen "political correctness"- Konflikt.

Carol, eine vom Lernstoff überforderte Studentin, sucht das Büro ihres Dozenten (John) auf, um das Resultat ihrer Seminararbeit zu erfahren. John versucht, Carol schonend die Ungenügsamkeit der Arbeit klarzumachen und reagiert verständnisvoll auf deren Verzweiflung. Carol ist ihm sympatisch, und er bietet ihr seine Hilfe an. Er möchte sie unterrichten und verspricht ihr als Belohnung eine Eins in ihrer Arbeit. Unterbrochen wird der Dialog mehrmals vom Läuten des Telefons, Gespräche mit Frau und Rechtsanwalt lassen den Zuschauer von der anstehenden Professur auf Lebenszeit und einem geplanten Hauskauf erfahren. Etwa vier Wochen später liegt gegen John eine Anzeige wegen "paternaler Überheblichkeiten", "Sexismus" und "pornographischer Redeweise" vor. Carol, zuvor noch verschüchtert, erscheint im zweiten Akt deutlich verändert. Ihr Auftreten ist entschlossen, ihre Erscheinung auffällig. John, dessen Professur in weite Ferne gerückt ist,wirkt zerstreut und verunsichert. Mit Unverständnis reagiert er auf die Vorwürfe Carols und hofft, die bestehenden Mißverständnisse in einem Gespräch klären zu können. Carol jedoch ist für seine behutsamen Appelle an ihr Gewissen und Mitleid völlig unempfänglich. In ihrer fanatischen Selbstge-rechtheit und den emanzipatorischen Zielen ihrer "Gruppe" gefangen, ist sie immun gegen jegliche Anrufung des Gefühls. John hält sie fest, um sie zum Bleiben zu bewegen, was ihm wenig später eine Anzeige wegen versuchter Vergewaltigung einbringt. Im dritten Akt signalisiert Carol John bei einer erneuten Begegnung die mögliche Revidierung ihrer Aussage, verlangt jedoch die Änderung des verbindlichen Bücherkanons, einschließlich seines eigenen Buches, aufgrund darin enthaltener frauenbeleidigender Äußerungen. Die sich bisher rein verbal äußernde Aggression schlägt in Handgreiflichkeiten um. Die Möglichkeit zum Kompromiß ist für John endgültig gestorben, und alle aufgestaute Wut und Enttäuschung bricht orkanartig aus ihm hervor...

Werner Galas (John) und Susanne Weckerle (Carol) beeindrucken in dem neunzigminütigen Stück durch faszinierendes Verständnis der Nuancen von Mamets Sprache. Bewußt wissen sie, Pausen auszukosten, um einzelne Aussagen zu intensivieren, und verfahren ebenso geschickt bei der pointierten Setzung einzelner Wortfetzen. Vortrefflich gelingt es ihnen dadurch, genau den Ton der kontinuierlich in der Luft liegenden Spannung zu treffen. Das karge, in blau gehaltene Bühnenbild zwingt den Zuschauer zu völliger Konzentration auf den Dialog, hinter dem sich ein ungeheurer Facettenreichtum verbirgt. Wort für Wort öffnen sich neue Türen in den Charakteren, und nach und nach erforscht der Zuschauer die subtilen Zusammenhänge, gelingt die Formung eines Gesamtbildes.

Das zentrale Thema der "political correctness" erscheint in einer erschreckenden Karrikatur, doch wird nicht Partei bezogen. Am Ende steht ein Unentschieden: John hat den für ihn sehr wichtigen materiellen Gewinn, sein Prestige und sein Haus verloren; doch auch Carol erreicht nicht ihr Ziel, die Änderung des Bücherkanons. Ihr neues Selbstbewußtsein entbehrt jeglicher Empathie, der sich menschlicher Fehlbarkeit durchaus bewußte John verliert die Pfeiler seiner bisherigen Existenz und offenbart die Unbeständigkeit materieller Werte. Das Stück wirft viele Fragen auf und öffnet eine Diskussionsbasis für die kritische Betrachtung zentraler Themengebiete der Gegenwart. Absolut sehenswert! (ko)

"Oleanna" im Nationaltheater Mannheim: 18.05., 20 Uhr; 30.05., 19 Uhr


ruprecht goes to the movies

Filmtips - und vor allem Meinungen

(in Klammern die Anzahl der ruprechte)

ruprechts Notenskala:

kein ruprecht - nicht empfehlenswert
ein ruprecht - mäßig
zwei ruprechts - ordentlich
drei ruprechts - empfehlenswert
vier ruprechts - begeisternd

Auf der Jagd (2)

Die Fortsetzungs-Manie in Hollywood nimmt kein Ende. Nach Axel Foley (Eddie Murphy) und John McLane (Bruce Willis), die bereits ihre dritte Fortsetzung absolviert haben, darf nun auch Tommy Lee Jones als Samuel Gerard wieder auferstehen. (Alle, die bisher Harrison Ford für den Helden des ersten Teils "Auf der Flucht" hielten, werden in "Auf der Jagd" eines Besseren belehrt.)

Das Abenteuer beginnt dieses Mal mit einem Routine-Job: Sam soll einen Gefangenentransport von Chicago nach New York begleiten. Im Flugzeug befindet sich unter anderem der wegen brutalen Mordes an zwei Geheimagenten verurteilte Mark Roberts (Wesley Snipes), der nach einer Notlandung des Fliegers - verursacht durch einen Mordanschlag, der ihm galt - die Gelegenheit zur Flucht ergreift. Dies wiederum ermöglicht es dem Chief Deputy Gerard, mit seinem bewährten Team mal wieder erbitterte Jagd auf einen Entflohenen zu machen, der verzweifelt versucht, seine Unschuld zu beweisen.

Für Action-Fans ein durchaus unterhaltsamer Film, wenn auch etwas verdorben durch die vielen coolen Sprüche. (mi)

Mister Magoo (-)

Leslie Nielsen ist an sich ja ein Garant für gelungene Filme, die vor allem durch ihre Komik bestechen, aber "Mr. Magoo" unterbietet alle Grenzen. Der Film ist so schlecht, daß erst der Abspann mit seiner Auflistung der mißlungenen Szenen dem Zuschauer ein müdes Lächeln entlockt. Aber das ist keinen Besuch im Kino wert, auch nicht wenn Nielsen in der Rolle des stark kurzsichtigen Mr. Magoo tolpatschig von einem Mißgeschick ins nächste stolpert und damit letztendlich immer als Gewinner dasteht. Und die Story ist nicht einmal so schlecht: Ein gestohlener Rubin gelangt unwissentlich in seinen Besitz und wird von Gaunern und Polizei gesucht. Jedoch ist es Stanley Tong, ein Vertreter des rasanten Hong-Kong-Kinos, nicht gelungen, diese Geschichte halbwegs packend dem Zuschauer zu vermitteln. Slapstick-Szenen wechseln sich mit Action-Sequenzen ab, aber was in "Police Story 4" einen guten Film hervorbrachte, wirkt in "Mr. Magoo" nur schlecht. Selbst ein Auftritt Malcolm McDowells als, was sonst, Bösewicht kann keine Sympathien der Zuschauer gewinnen, und so fragt man sich danach, wieso man nicht einfach zu Hause geblieben ist. (jr)

Der Strand von Trouville (4)

Der schüchterne Philosoph und Klavierlehrer Lukas (Boris Aljinocic) verliebt sich Hals über Kopf in Nathalie, eine rothaarige Schönheit, deren Telefonnummer er nach dem ersten Rendezvous leider verliert. Mit dem Mut des Verzweifelten macht er sich auf die Suche nach ihr in einer fremden Stadt. Dreh- und Angelpunkt ist dabei ein gigantisches Einkaufszentrum, das Lukas zu einem neuen Lebensraum und -inhalt wird. Um sich über Wasser zu halten, arbeitet er hier als Wurstverkäufer und lernt nebenbei die Käsehäppchenanbieterin Elenor (Katja Zinsmeister) und deren Bruder Bill (Lars Rudolph) kennen, der täglich über einem Puzzle namens "Strand von Trouville" brütet. Außerdem gibt es da noch die freche und wechselhafte Parfümverkäuferin Alice, die sich unsterblich in Lukas verliebt. Doch Gefühle zuzulassen fällt ihr schwer, denn er kann Nathalie nicht vergessen. Trotzdem nimmt Alice in Lukas' Leben immer mehr Nathalies Rolle ein, und auch er scheint nicht länger abgeneigt. Doch als er seiner ehemals Angebeteten wiederbegegnet, droht die neue Liebe zu Alice, die daraufhin nach Trouville flüchtet, zu zerbrechen. Für wen wird sich Lukas entscheiden?

Endlich mal Ehrlichkeit auf der Leinwand, fernab jeglicher Mainstream- Gefühlsduselei. Der Regisseur Michael Hofmann hat in seinem Debütfilm die Kamera nicht vor Schwächen und Häßlichkeit der Charaktere halt machen lassen, sondern schafft mit großer Einfühlsamkeit authentische Helden, die der Zuschauer von nebenan zu kennen scheint. Das Einkaufszentrum als Mikrokosmos eröffnet dem Zuschauer eine kleine Welt voll symbolischer Dichte. Liebe und Verletzlichkeit bestimmen den Alltag der Protagonisten, aber auch der Humor kommt nicht zu kurz und zeigt sich von seiner schwärzesten Seite. Das Ganze wird stimmungsvoll von den "Sternen"und "Tocotronic" untermalt. (et)


Karl!!!

Großer, nicht der Große

Vom 30. April bis zum 3. Mai fanden auch in diesem Jahr wieder die Heidelberger Film- und Videotage zum nunmehr achten Mal (zum dritten Mal im Kommunalen Kino im Karlstorbahnhof) statt. Die Film- und Videotage sollen vor allem Nachwuchs-Filmemachern ein Forum bieten, in dem sie ihre Produktionen vorstellen und mit anderen Filmemachern ins Gespräch kommen können. Außerdem wird ein mit 1000 DM dotierter Preis an den vom Publikum auserkorenen besten Film vergeben.

Aus 150 Einsendungen hatte die Jury 63 Filme vorausgewählt, die in neun Blocks gezeigt wurden und vom Publikum bewertet werden konnten. Grundsätzlich kann jeder Nachwuchsfilmemacher am Festival teilnehmen; nicht Perfektion und Kommerz, sondern Originalität und Idee sollen im Vordergrund stehen. Dieses Jahr hatten die Organisatoren erstmals ein Zeitlimit - 40 Minuten - für die Filme angesetzt, um so das Augenmerk stärker auf Kurzfilme zu richten. Außerdem hatte man auf eine thematische Festlegung der einzelnen Blöcke verzichtet, so daß Dokumentar-, Kurz- und Animationsfilme gleichberechtigt nebeneinander standen. Der Professionalitätsgrad der Filme ist ebenfalls sehr unterschiedlich: Neben Experimentals und Erstlingswerken sind Abschlußfilme aus Filmhochschulen zu finden - eine faire Konkurrenz? Die Auswahl zeigte, daß geistreiche Erstlingswerke durchaus neben technisch perfekten Diplomabschlußarbeiten bestehen können. Unerwarteterweise gelangten drei Dokumentarfilme in die Endausscheidung, wodurch sich der Finale-Block zu einem wahren Marathon entwickelte. Wieviele Engel können auf einer Nadelspitze tanzen? von Carsten Fiebeler (Potsdam) dokumentiert Jugendliche im Strafvollzug im gekonnten Wechsel zwischen Hoffnungslosigkeit und der Poesie von Knastmusik. Wer ist der Letzte - Who's last in line von Uli Gaulke (Berlin) ist die Dokumentation eines schizophrenen kubanischen Trompeters, die den zweiten Platz in der Auswahl wohl hauptsächlich dem sympathischen Lachen eben dieses Trompeters und einigen poetischen Worten des Klinikchefs verdankt. Im einzigen in der Endausscheidung vertretenen Animationsfilm von Alain Gsponer (Ludwigsburg) zerschlägt Heidi in drei Minuten mit wenigen brutalen Handlungen das Klischee vom braven Schweizer Mädel. Auch Fake! von Sebastian Peterson (Berlin) erfüllte die Forderung nach Originalität; nichts an dem Film ist "neu", aber er ist ein postmoderner Zusammenschnitt aus Sprüchen und Typen der Werbung, der durchaus seinen Reiz hat. Als Publikumsfavorit wurde schließlich der 17-minütige Mooman von Nils Loof (Hannover) mit dem "Großen Karl" ausgezeichnet. Zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, begegnen sich, sprechen miteinander, küssen oder schlagen sich, das weiß man vorher nie so genau, und sie selbst wissen das auch nie so genau. Sie treffen sich im Bus, im Supermarkt oder im Tapetenmuseum, in stets banalen, aber oft absurden Situationen, mit denen Loof den Zuschauer in jeder Minute neu verblüfft. Ein Film, der die Auszeichnung verdient hat; ob es nächstes Jahr dann ein Nils Loof Retro-Intro geben wird? Wir warten schon gespannt darauf. (cw)


Multiplizierende Kinositze

Wann beginnt das Buhlen um die Kinogänger ?

Wer auf den Heidelberger Bahnhofsplatz tritt, sieht erst einmal gelb: Bulldozer graben die Erde auf, Baumaschinen machen Lärm und Gestank, der Verkehr muß umgeleitet werden. Der Ausbau des Firmensitzes der Heidelberger Druckmaschinen ist nur das erste einer ganzen Reihe von Großprojekten in Bergheim: die Pläne gehen vom Abriß des AZ zugunsten eines Wohnkomplexes bis zu gleich mehreren Großprojekten in Hauptbahnhofnähe. Unmittelbar steht nun der Baubeginn des langangekündigten Heidelberger Multiplex bevor.

Schon 1996 beschloß der Heidelberger Gemeinderat, die UFA ein Multiplex auf dem Gelände des Unterwegs-Theaters bauen zu lassen. Inzwischen sind laut UFA auch die grundstücksrechtlichen Streitigkeiten beigelegt, die den Baubeginn um zwei Jahre verzögert hatten. Im Frühjahr, spätestens Sommer nächsten Jahres werden die Bagger anrücken.

Der Bau von Multiplexkinos boomt. In den letzten acht Jahren sind in Deutschland 62 dieser Vergnügungsriesen, die manchmal bis zu 15 Säle mit insgesamt etwa 5000 Sitzplätzen beherbergen, aus dem Boden geschossen. Das Besondere dieser Kinos ist aber weniger die Programmvielfalt, denn die großen Säle zahlen sich nur aus, wenn sie massenweise besucht werden: Also wird vornehmlich Massenware gespielt. Wichtig ist vor allem das Drumherum: In den großzügigen Foyers sind Restaurants und Verkaufsstände zu finden, Einkaufszentren oder ähnliche Anziehungspunkte sind meist nicht weit, und die Kinosäle selbst sind mit der neuesten Technik ausgestattet. Entsprechend hoch sind die Eintrittspreise.

Braucht Heidelberg ein Multiplex? Für die Investoren könnte die Lage günstiger nicht sein, obwohl die Region schon zwei Großkinos hat: Seit Jahren führt Heidelberg die Liste der Städte mit den eifrigsten Kinogängern an. Die Programmvielfalt ist ausgeprägt, die Kinolandschaft gewachsen. Doch das Geschäft ist ein Kampf hart an der Rentabilitätsgrenze: Bleiben Publikumsmagneten wie "Titanic" aus, sind auch in Heidelberg die Säle nur halb gefüllt.

Die Heidelberger Stadtväter erteilten der UFA den Zuschlag nur, weil die bereit war, zahlreiche Auflagen mitzufinanzieren. So wird der Komplex auch Wohnungen, einen Supermarkt "der etwas gehobeneren Preisklasse", ein Jugendhotel sowie einen Bürgersaal einschließen. Vor allem soll das Unterwegs-Theater ausgebaut werden. Die Kosten der UFA allein für das Theater sollen ca. 1 Million Mark betragen - alles in allem eine bürgerfreundliche Lösung.

Bei der Zahl der Kinositzplätze war der Heidelberger Gemeinderat verhältnismäßig zurückhaltend: Sie wurde auf 1800 beschränkt. UFA-Projektleiter Vogel meint: "Eigentlich handelt es sich bei dem Heidelberger Projekt um ein Multiplexchen. Wir hätten es größer gebaut." Daß das Multiplex die Zahl der Heidelberger Kinositze auf einen Schlag fast verdoppelt und in Viernheim schon ein anderes Multiplex existiert, an das zumindest das autofahrende Publikum bereits gewöhnt ist, läßt die UFA nicht an der Rentabilität ihres Projektes zweifeln: "Heidelberg verträgt noch mehr Sitze,", sagt Vogel dazu, "Multiplexkinos ziehen besonders Leute an, die bisher lieber zu Hause geblieben sind." Die alten Heidelberger Lichtspieltheater sieht er deswegen nicht gefährdet. Ein Kinosterben hält er für unwahrscheinlich. Diese Auffassung teilt das Stadtplanungsamt: In Freiburg habe das Multiplexprojekt schließlich auch nicht zu großen Veränderungen der Kinolandschaft geführt, so der zuständige Sachbearbeiter Vierneisel.

Doch es gibt auch andere Beispiele: Seitdem in Nürnberg das Cinecitta, ein Multiplex der Oberklasse, eröffnet hat, haben die beiden alten großen Kinos, das Admiral und das Atlantik, nur noch selten volle Säle. Der für das Atlantik zuständige Leiter Egenolf ist sich deshalb sicher, daß es so nicht lange weitergehen kann. Ob das die Schließung zur Folge haben könnte, wollte er aber nicht bestätigen. "Die Multiplexkinos haben einen Staubsaugereffekt. Die Zuschauer werden von den alten Kinos abgesogen", meint Frau Güß, Pressesprecherin der UFA in Düsseldorf, der auch das Atlantik angehört. Herr Egenolf, der die UFA-Kinos in Süddeutschland betreut, hält die Situation von Heidelberg und Nürnberg aber nur für begrenzt vergleichbar: Nürnberg sei viel größer und habe ein anderes Publikum.

Frau Maurer, der das Gloria-Kino in der Hauptstraße gehört, ist sich sicher, daß sich die Kinolandschaft Heidelbergs sehr verändern wird. "Wir sind davon überzeugt, daß die UFA nicht alle ihre Kinos halten wird." Das Gloria werde zumindest Einbußen davontragen. Denn wenn Lux und Harmonie auch zu Programmkinos werden, wird ein Wettbewerb um das Filmkunstpublikum ausbrechen. "Wenn das Multiplex gebaut ist, wird es in der Stadt regelmäßig zwei Kopien eines Films geben. Und davon muß noch nicht einmal eine bei uns laufen." Denn zwar hat die Stadt von der UFA einen Bestandsschutz für das Gloria gefordert, aber nicht ausgeführt, was das zu bedeuten habe. Frau Maurer fühlt sich von der Stadt unfair behandelt, hofft aber, daß ihr Kino nach der Multiplex-Eröffnung bestehen kann: "Immerhin haben wir die Altstadtlage und unser Stammpublikum."

Gebaut wird das Heidelberger Multiplexkino auf jeden Fall - und zumindest das Unterwegs-Theater hat großes Interesse daran, daß dies bald geschieht. Denn da der Zuschauerraum in der ehemaligen Autowerkstatt, wo das Tanzensemble spielt, inzwischen baufällig geworden ist, wird das Theater seinem Namen mehr gerecht, als ihm lieb ist: Ein Jahr lang gastierte die Truppe im Zwinger Theater, ein Tanzfestival Anfang Juni findet in der Klingenteichhalle statt. Konzentriertes Arbeiten ist aber auf Dauer so unmöglich, und die verbesserten Spielbedingungen als Teil des Multiplex werden heiß ersehnt. (gan)


ruprecht on the record

Musiktips

Herbert Grönemeyer: Bleibt alles anders

Das Titelstück "Bleibt alles anders" wird als erste Auskopplung aus der neuen CD von Herbert Grönemeyer in allen deutschen Radiosendern rauf und runter gespielt - ein Zeichen für Qualität? Beim ersten Hinhören wirkt besonders der Text und eigentlich auch die mit neuester Soundtechnik bearbeitete Musik für Grönemeyer-Hörer etwas befremdend. Versucht sich der Autor da an einem neumodischen Stil und verkalkuliert sich, indem er alte und neue Effekte dilettantisch vermengt? Beim Zuhören wird klar, daß er weder laienhaft noch gekünstelt ans Werk ging, sondern mit "Bleibt alles anders" eine eigene und sehr homogene Interpretation geschaffen hat, die einerseits völlig neu und andererseits typisch Grönemeyer ist. Die übrigen Stücke auf der CD knüpfen in ihrer Ästhetik nahtlos an den Titelsong an, der den interessantesten und reifsten Grönemeyer ankündigt, den es je gab. (rk)

Tobsucht: Zum Lachen in den Keller gehen

Wenn selbst Grönemeyer, die gute alte Ruhrpottcurrywurst, ein bißchen Avantgarde in seine Texte und Klänge mischt und der fantastische Thomas nicht nur mit Nina Hagen einen betont leisen Song produziert, sondern der auch noch im Radio alle zwei Tage einmal gesendet wird: dann ist vielleicht der richtige Moment gekommen für eine Band, die nicht nur auf den Ideenklau poppiger Samples setzt. Tobsucht sind sieben Musiker aus Darmstadt, "Zum Lachen in den Keller gehen" ihre neue Single. Der Text ist so tief, daß er das Hirn nicht wie ein Ohrwurm mit Schleimspuren verklebt, sondern der Kopf weiter rapt. Leider wird die Single wohl trotzdem kein Hit werden, denn wenn die Masse der Musikbegeisterten ihr gutes Geld für Scheiben von Guildo Thomas Bohlen oder dem Musikantenstadel ausgibt, kann kein Song Erfolg haben, der im Refrain unlösbare Probleme stellt.

Eigentlich schade, daß auf der Single kein Platz für eine Liveversion war. "Zum Lachen in den Keller gehen" hört sich an, als seien die beiden Versionen auf der Scheibe nur zwei von vielen möglichen Interpretationen, und genauso wirkt das etwas schnellere "Engel jagen", das ein bißchen an Selig und vom Text an einen Drogen-"Tatort" erinnert. Solche Fähigkeit zur Abwechslung ist ein sicheres Zeichen für eine Band, die man auch gerne mal undigitalisiert erleben würde. (gan)

Scott Weiland: 12 Bar Blues

An dieser Platte ist vieles verwunderlich, vor allem, daß sie überhaupt entstanden ist. Scott Weiland, seines Zeichens Sänger der Stone Temple Pilots, hat sich nach mehreren abgebrochenen Drogentherapien endlich aufgerafft. Doch bevor er sich wieder seiner Band zuwendet, läßt er uns alle wissen, durch welche Hölle er gegangen ist. 12 Bar Blues ist das Tagebuch eines Junkies, eine Achterbahnfahrt ohne Sicherheitsbügel. Verstörende Low-Fi Krachpassagen wechseln sich mit zärtlichen Streicherarrangements ab, die Stimmungen kippen unvermittelt und lassen einen verunsicherten, aber zunehmend faszinierten Hörer zurück. Weiland nutzt verschiedenste Genres, mal lasziven Rythm 'n Blues, dann wieder relaxten Hip Hop oder intime Akustikmomente. Bei alledem hat er zum Glück sein Gespür für eingängige Melodien nicht verloren, mancher Song entwickelt sich gar zum Ohrwurm. Ein ehrliches, faszinierendes Album. (jba)


Kino

für Arme

Ein schöner Sommerabend und Ebbe im Portemonnaie? Das Studi-Kino hilft: DM 3,50 für Ersttäter, 3,- für Wiederholungstäter.

MOVIE

jeden Mittwoch um 19.30 Uhr im HS 13 in der Neuen Uni:

13.05. Die Cannes-Rolle
20.05. Ganz oder gar nicht
27.05. Kolya
03.06. Scream
10.06. Jenseits der Stille
17.06. Men in Black
24.06. Knockin' on Heaven's Door
01.07. Die Hochzeit meines besten Freundes
08.07. Nuovo Cinema Paradiso

KINO IM FELD

jeden Donnerstag um 20.30 Uhr in der Aula INF 684:

14.05. Der Krieg der Knöpfe
21.05. Out of Rosenheim
28.05. Der Morgen stirbt nie
04.06. Die neuen Leiden des jungen W.
11.06. Yellow Submarine
18.06. Der Mieter
25.06. Die üblichen Verdächtigen
02.07. Alexis Sorbas
09.07. Der Postmann
16.07. Der letzte Kaiser


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