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 Feuilleton
27.04.2009

Gartenarbeit statt Russendisko

Der russisch-deutsche Schriftsteller Wladimir Kaminer im Interview

Nach seiner Lesung im Karlstorbahnhof trafen wir das Multitalent, das neben dem Bestseller "Russendisko" noch 13 weitere BĂĽcher verfasste, zum Gespräch ĂĽber kostspielige Ehefrauen, Gartenarbeit und sein Bild von der deutschen Gesellschaft. 

Wladimir Kaminer wurde 1967 in Moskau geboren und kam 1990 nach Berlin, wo er bis heute lebt. Neben seinem wohl berühmtesten Werk „Russendisko“ schrieb er bislang noch 13 andere Bücher. Zudem legt er in seinem Berliner Club „Café Burger“ russische Discokracher auf. Nach seiner Lesung im Karlstorbahnhof trafen wir das Multitalent zum Gespräch.


Herr Kaminer, warum schreiben Sie Ihre Geschichten auf Deutsch und nicht in Ihrer Muttersprache Russisch?
Ich habe nie auf Russisch geschrieben. Das wĂĽrde hier auch keiner verstehen (grinst). Deutsch ist hierzulande nach wie vor fast die einzige Sprache, die gelesen wird. Jeder Schriftsteller, der in Deutschland lebt und in einer anderen Sprache schreibt, ist schlecht dran.

Wären Sie auch Schriftsteller geworden, wenn sie Deutscher wären?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich bin nicht in Deutschland geboren. Ich kenne mich selbst nur als ein Produkt einer kulturellen Identität aus der Sowjetunion. Ich stamme aus einer Art geschlossenen Räumlichkeit, lebte in sehr engen Räumen. Als Autor war ich auf diese Geschichte angewiesen. Wer in der Sowjetunion etwas erzählen konnte, war der Boss, weil wir alle in einer Art Streichholzschachtel lebten. Wenn ich in Deutschland auf die Welt gekommen wäre, wäre ich wahrscheinlich Gärtner geworden oder so etwas.

Wie lange haben Sie gebraucht, um sich das Geld für eine russische Ehefrau zusammen zu sparen? In „Russendisko“ schreiben Sie, dass die Unterhaltskosten für eine russische Ehefrau sehr hoch sind: Sie möchte Schmuck, Kleidung, Gesangsunterricht.
In meinem Fall war das anders. Eine russische Frau hat mich aufgebaut. Damals arbeitete ich in einem spanischen Restaurant. Zuvor war ich Langzeitarbeitsloser. Während dieser Zeit lernte ich meine jetzige Frau kennen. Sie hat mich aufgebaut. So musste ich nicht sparen, um eine russische Frau heiraten zu können.

Was fĂĽr ein Bild haben Sie  von der deutschen Gesellschaft?
Die Deutschen sind hellhörig, was um sie herum passiert. Es kann doch nicht sein, dass die deutsche Gesellschaft rückständiger und konservativer ist als die amerikanische. Nur durch die Wahl des neuen U.S. Präsidenten ist Amerika
linker als die Deutschen. Das darf nicht passieren.

Ende September sind Bundestagswahlen. Vielleicht ändert sich dann an dieser Situation etwas…
Auch ich habe mich für die Bundestagswahl bei ein paar Parteien einspannen lassen. Aber nicht aus irgendwelchen politischen Überzeugungen, sondern um der Dämonisierung der linken Szene etwas entgegen zu setzen. Ich engagiere mich für „die Linke“, weil sie neu ist und auf Grund ihrer Inhalte. Eigentlich war meine Idee, für jede Partei eine Wahlveranstaltung zu machen.

Eine seltsame Idee.
Mir schwebt ein flexibler Umgang mit der Politik vor. Beispielsweise steht die CDU fĂĽr Atomenergie und die GrĂĽnen gegen Kernkraft. In den Gebieten, in den die CDU regiert, sollten dann Atomkraftwerke stehen und dort wo die GrĂĽnen erfolgreich sind, keine Atomkraftwerke. (Kaminer lacht verschmitzt).

Herr Kaminer, vielen Dank für das Gespräch.

von Michael Bachmann
   

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