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 Wissenschaft
27.04.2009

Millionen Augen können nicht irren

Sternstaubgestöber im digitalen Himmel von GalaxyZoo.org

Eine neue Webseite erfreut Sternengucker auf der ganzen Welt. Auf galaxyzoo.org haben sich schon 200 000 Benutzer registriert. Sie helfen Wissenschaftlern, neue Galaxien zu entdecken und eine enorme Datenflut zu bewĂ€ltigen.

Gute Nachrichten fĂŒr Sterngucker, Hobbyastronomen und alle die, die in ihrem nĂ€chsten Leben gern Raumfahrer werden wĂŒrden – der Aussicht halber versteht sich: Mit GalaxyZoo.org hat sich im Internet eine neues Fenster zum Kosmos geöffnet und zwar eines mit astronomischer Suchtgefahr. Denn im Zoo der Galaxien darf jeder mitforschen, mitsuchen und mitfiebern. Das Portal entstand, um Galaxien zu klassifizieren, die bei der bisher grĂ¶ĂŸten Durchmusterung des Himmels, dem Sloan Digital Sky Survey (SDSS), fotografiert wurden.

Wie galaxyzoo.org funktioniert

Keine Maschine kann dies besser erledigen als das menschliche Gehirn, weil alle bisherigen Computeralgorithmen noch nicht leistungsfĂ€hig genug sind, um im PĂŒnktchenchaos der Galaxienbilder die fĂŒr Astronomen relevanten Strukturen auszumachen. Und so zĂ€hlen die Astronomen auf die Mitarbeit von Freiwilligen, um dem Datenberg Herr zu werden. Mittlerweile haben mehr als 200 000 registrierte „Zooites“ mit weit ĂŒber 20 Millionen Klicks zur Klassifizierung der Galaxien beigetragen. Erste wissenschaftliche Ergebnisse der freiwilligen virtuellen Forscher erschienen im August 2008.

Ob eine Galaxie Spiralarme hat oder nicht wollen die Astronomen wissen. Falls sie Spiralarme hat, wie viele sind es, und wie eng schmiegen sie sich um das Zentrum? Und wie hell leuchtet das Zentrum der Galaxie? Um all diese Fragen systematisch zu beantworten, prÀsentiert GalaxyZoo dem Zooite neben dem Foto der Galaxie anschauliche Buttons, sodass wenige Klicks jeden Himmelskörper ziemlich detailliert in eine Klasse einordnen. Da jede Galaxie von mehreren Nutzern begutachtet wird, wiegen einzelne FehleinschÀtzungen nicht allzu schwer. Der Wissenschaft schadet es also nicht gleich, wenn man sich mal nicht so sicher ist.

Forschen von zuhause aus

Umfangreiche Datenanalysen via Internet auf Millionen private Computer zu verteilen – die Idee ist nicht neu. Das erste Projekt dieser Art, SETI@home, hilft bereits seit 1999 Forschern der US-UniversitĂ€t Berkeley bei der Suche nach Signalen außerirdischer Intelligenz in den Radiowellen, die das Teleskop des Arecibo-Observatoriums empfĂ€ngt. Mithelfen kann dabei jeder, der sich ein kleines Programm auf seinem PC installiert. Dies lĂ€dt sich selbststĂ€ndig Datenpakete herunter und nutzt freie Rechner-KapazitĂ€ten zur Datenanalyse. SETI@home erbrachte bisher zwar keine eindeutigen Hinweise auf die Existenz außerirdischer Intelligenz, aber das Prinzip des „distributed computing“, der Auslagerung umfangreicher Datenanalysen auf Millionen privater Rechner, hat in zahlreichen Bereichen der Forschung Nachahmer gefunden: je nach persönlicher Neigung hat der mit PC und Internetanschluss gerĂŒstete moderne Mensch heute die Wahl zwischen Projekten, die sich mit der Klimaentwicklung im 21. Jahrhundert, der Suche nach Primzahlen, Gravitationswellen oder mit Proteinfaltung befassen. GalaxyZoo hat es anders als das verteilte Rechnen allerdings nicht auf die ProzessorkapazitĂ€ten der heimischen Computer, sondern auf die zerebralen FĂ€higkeiten der Nutzer selbst abgesehen.

Eine erste GalaxyZoo-Version ging Mitte 2007 online und diente der Evaluat ion der Methode. Schließlich mĂŒssen die Forscher wissen, wie zuverlĂ€ssig die Klassifizierung durch Laien ist, die lediglich gebeten werden, eine kurze Anleitung durchzulesen, bevor sie sich auf die Originalbilder des SDSS-Teleskops stĂŒrzen. Seit MĂ€rz 2009 lockt GalaxyZoo2 mit neuen Features, einer umfangreicheren InternetprĂ€senz samt Forum, in dem die Nutzer sich gegenseitig ihre schönsten FundstĂŒcke prĂ€sentieren können und einem Blog, in dem die Betreiber ihre Zooites ĂŒber die Ergebnisse der Klassifizierung auf dem Laufenden halten.

Gepflegter GrĂ¶ĂŸenwahn

Wer darauf hofft, dass mal ein Himmelsgebilde seinen Namen trĂ€gt, wird hier in GoldgrĂ€berstimmung verfallen: „Hanny‘s Voorwerp“ („Hannys Objekt“) ist eine unregelmĂ€ĂŸige grĂŒne Wolke, entdeckt von der niederlĂ€ndischen Grundschullehrerin Hanny van Arpel vom heimischen PC aus. Inzwischen ist die leicht gespenstisch anmutende Erscheinung unter Astronomen und Kosmologen in aller Munde, sogar genauere Untersuchungen mit dem Weltraumteleskop Hubble sind geplant. Möglicherweise handelt es sich bei dem geisterhaften Objekt um eine völlig neue Art Himmelskörper. Die lebhafte Diskussion um „Hanny‘s Voorwerp“ hat in den letzten fĂŒnf Monaten den Fleiß der Zooites befeuert – wer weiß, welche Dinge noch ihrer Entdeckung im digitalen Himmel harren? So lĂ€sst GalaxyZoo seinen Zooites viel Raum fĂŒr Phantasie – und auch fĂŒr ein wenig gepflegten GrĂ¶ĂŸenwahn.

von Helga Rietz
   

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