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 Heidelberg
13.02.2010

Rote Punkte überall

69er-Proteste gegen HSB-Fahrpreiserhöhungen

"Freie Fahrt zum Arbeitsplatz! Zahlt Bus und Straßenbahn aus Unternehmerprofiten!" Mit Parolen dieser Art demonstrierten im Juni 1969 Heidelberger Studierende gegen die Fahrpreiserhöhung im Öffentlichen Personennahverkehr.

Erstmals erschienen am 31. Januar 2000 in der ruprecht-Ausgabe 64

"Freie Fahrt zum Arbeitsplatz! Zahlt Bus und Straßenbahn aus Unternehmerprofiten!" Mit Parolen dieser Art demonstrierten im Juni 1969 Heidelberger Studierende gegen die Fahrpreiserhöhung im Öffentlichen Personennahverkehr. Mit einer viertägigen Blockade der Straßenbahnen und einem selbstorganisierten Ersatz-Verkehr durch private Autofahrer gelang es ihnen, die HSB zur Rücknahme der Preiserhöhungen zu bewegen.

Für einen Einzelfahrschein vom Uni-Platz nach Handschuhsheim bezahlte man 1966 noch 40 Pfennige – zwei Jahre später mußte man schon doppelt so viel berappen. Im Mai 1969 wurde bei der HSB eine Fahrpreiserhöhung beschlossen.

Die erste Ankündigung einer "Selbsthilfeaktion" des Heidelberger AStA ließ nicht lange auf sich warten. Die Rhein-Neckar-Zeitung berichtete am 23. Mai von "Störungen durch jugendliche Zuhörer" im Gemeinderat, die ihren Rausschmiß durch den damaligen Oberbürgermeister Zundel (SPD) mit einem "Am Bismarckplatz sehen wir uns wieder!" quittierten.

Bei einem Teach-In mit 800 Teilnehmern knapp drei Wochen später erklärten sich die meisten Hochschulgruppen mit den Blockadeplänen des Aktionskomitees aus Mitgliedern des AStA- und Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) einverstanden. Auch der konservative Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) versicherte Solidarität und sprach sich für eine "Guerilla-Taktik" bei den Demos in der Innenstadt aus.

Heidelberg - eine einzige Mitfahrzentrale

Die Vorbereitungen für die "Rote-Punkte-Aktion" begannen: Flugblätter wurden gedruckt und fleißig rote Punkte auf weißes Papier gemalt. Die Aktivisten hofften auf Unterstützung aus der Bevölkerung – mit den Roten Punkten sollten hilfsbereite Autofahrer ihr Fahrzeug kennzeichnen und für die Zeit der Blockade Mitfahrgelegenheiten anbieten.

Und tatsächlich stießen die Aktionen auf viel Sympathie. Vor allem Schüler und Lehrlinge beteiligten sich an den Blockaden, der Rote-Punkte-Verkehr funktionierte nach kurzen Anlaufschwierigkeiten fast reibungslos. Zumindest die ersten drei Protesttage lang herrschte an den Heidelberger Verkehrsknotenpunkten ein fröhlicher Ausnahmezustand: Schüler des Hölderlin- und des Bunsen-Gymnasiums malten neue Rote Punkte, Studis organisierten die Mitfahrer-Vermittlung ähnlich und besprühten Straßenbahnen, Hauswände und die HSB-Schaffner spielten Skat.

Verkehrsbetriebe beugen sich dem Druck

In den Morgenstunden des 18. Juni zogen dann, wie von OB Zundel angekündigt, vier Hundertschaften Bereitschaftspolizei an den Verkehrsknotenpunkten auf. Es kam zu keinem Knüppeleinsatz der Polizei – stattdessen wurden die Polizisten um 10 Uhr wieder abgezogen. Im Lauf des Tages ereigneten sich aber Rangeleien und insgesamt fünf Verkehrsunfälle, so daß die HSB den Verkehr schließlich vorläufig einstellte.

Angesichts der breiten Unterstützung aus der Bevölkerung und der Solidaritätserklärungen aus verschiedenen Betrieben setzten die Heidelberger Verkehrsbetriebe am 20. Juni den ursprünglichen Tarif wieder ein. Mit der Rücknahme der Tariferhöhung war lediglich der vom SDS als "Abfallprodukt" bezeichnete Teil der Kampagne umgesetzt worden. Weder wurden die Anfahrtskosten der Arbeiter und Angestellten von den Unternehmen übernommen, noch gelang es, „antikapitalistisches Bewußtsein” in die Massen zu tragen.

von Katrin Schwidefsky
   

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