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29.01.2010

Der gläserne Fluggast

Ist der Einsatz von Körperscannern gerechtfertigt?

Nach dem fehlgeschlagenen Anschlag eines US-amerikanischen Fluggastes im Dezember ist erneut eine Debatte um den Einsatz von Körperscannern ausgebrochen. Wir fragten zwei Experten, was sie davon halten.

Nach dem fehlgeschlagenen Bombenanschlag am 27. Dezember 2009 an Bord eines Flugzeugs in Detroit (USA) ist in Deutschland erneut eine große Sicherheitsdebatte ausgebrochen, in deren Mittelpunkt der Einsatz sogenannter Körperscanner steht. Diese fertigen mithilfe von Wärmestrahlung ein dreidimensionales Bild des menschlichen Körpers an, um unter der Kleidung versteckte, gefährliche Gegenstände sichtbar zu machen. Ihr Einsatz bei Fluggastkontrollen soll die Terrorgefahr verringern.

JA

Sandra Pfeifer

Leiterin der Stabsstelle Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundespolizei

Bei den Tests wollen wir feststellen, ob es leistungsfähige Scanner gibt, die nicht gesundheitsschädlich sind und die Intimsphäre, das Persönlichkeitsrecht, wahren. Es gibt bereits Scanner, die nur Silhouetten abbilden. Ob ein Dozent der Heidelberger Hochschulen oder Michelle Hunziker durch den Scanner geht, ist völlig egal, man sieht keinen Unterschied.

Tragen beide nichts Verbotenes, wie eine Schußwaffe, ein Messer oder Sprengstoff am Körper, so erscheint ein grün blinkendes "OKAY". Ist dem nicht so, zeigt der Bildschirm ein Strichmännchen, bei dem die Stelle, an der etwas versteckt ist, farblich hervorgehoben ist. Die Kontrollkraft kann dann gezielt ausschließlich diese Körperregion abtasten.

Mir erscheint in der Diskussion des Für und Wider zum Bodyscanner noch etwas wichtig. Wer mit dem Flugzeug reist, wird bei der Kontrolle oft am gesamten Körper angefasst. Das ist vermutlich für die meisten Reisenden ein äußerst unangenehmes Gefühl. Der Bodyscanner kann diesen Eingriff abschwächen oder sogar verhindern. Ich bin sicher, dass der Scanner unter Wahrung ethischer und gesundheitlicher Aspekte, aber auch unter Berücksichtigung des bereits erwähnten Persönlichkeitsrechts ein geeignetes Mittel sein kann, um den Flugverkehr noch sicherer zu machen und die Kontrollen insgesamt angenehmer zu gestalten.

Es gibt Kritiker, die entgegnen, dass der Bodyscanner nur ein weiteres technisches Mittel sei, das lediglich vordergründig Sicherheit bieten könne. Er ziele schließlich nur auf die Suche von Gegenständen ab. Diese Kritik teile ich, denn Technik allein bietet keine Sicherheit. Vielmehr steht weiterhin der Mensch im Mittelpunkt. Technische Hilfsmittel wie der Bodyscanner sollen die Arbeit lediglich unterstützen.

Deshalb gehört der gezielte Einsatz von Polizeistreifen an allen Flughäfen zum Alltag. Daneben setzt die Bundespolizei auf den Erfahrungsaustausch mit anderen. So diskutieren wir mit israelischen Kollegen Methoden, die den Flugverkehr noch sicherer machen. Dazu gehört auch die Erstellung von Täterprofilen.

Es kann also in puncto Sicherheit nur darum gehen, dass der Mensch durch die Technik unterstützt wird. Bundespolizisten und Luftsicherheitsassistenten kontrollieren täglich mehr als eine Viertelmillion Reisende. Seit dem 11. September 2001 wissen wir alle, dass es beim Thema Luftsicherheit nicht nur um die Reisenden im Flieger geht, sondern auch um die Sicherheit aller Menschen und der Infrastruktur am Boden. Der Bodyscanner kann dabei helfen.

NEIN

Jörg Klingbeil

Datenschutzbeauftragter Baden-Württemberg


Die Diskussion um den Einsatz von sogenannten Nacktscannern an Flughäfen nach dem kürzlich gescheiterten Attentat auf ein amerikanisches Linienflugzeug scheint mir typisch deutsch: Kaum wird eine Gefährdung der Inneren Sicherheit ausgemacht, rufen die Sicherheitspolitiker (fast) aller Parteien reflexhaft nach neuen Eingriffsbefugnissen und vor allem technischen Maßnahmen. Terror durch Technik besiegen, scheint die Devise zu sein.

Hierbei sollte am Beginn jeder neuen Überlegung zunächst einmal die nüchterne Ursachenforschung stehen; dabei geht es neben den Hintergründen der Fanatisierung des Täters um ganz banale Fragen: Wie konnte der Attentäter trotz eindeutiger Warnhinweise gegenüber amerikanischen Sicherheitsbehörden überhaupt an Bord gelangen? Waren die Kontrollen gründlich genug? Reicht das hierfür eingesetzte Personal aus und war es fachlich hinreichend geschult?

Und in die Zukunft gerichtet: Wer kann noch den Überblick behalten, wenn die Sicherheitsbehörden immer mehr Informationen anhäufen und untereinander austauschen, wie das jetzt angedacht wird? Wenn selbst konkrete Hinweise in der Fülle des Materials untergehen, macht es kaum Sinn, den "Heuhaufen zu vergrößern", in dem man die Stecknadel suchen will (um den Bundesdatenschutzbeauftragten zu zitieren); ein Sicherheitszuwachs ist erfahrungsgemäß hiervon nicht zu erwarten.

Wenn die Gefahr wirklich so groß ist wie behauptet: Warum muss man – wie die Polizeigewerkschaft zu Recht moniert hat – bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen Messer und Flüssigkeiten abgeben und kann sich dann wenige Meter danach in den Duty-Free-Shops mit Rasierklingen und Zubehör zum Bombenbasteln eindecken? Warum müssen Flüssigkeiten in einer speziellen Plastiktüte vorgezeigt werden, wenn sich niemand dafür interessiert, was für eine Flüssigkeit in dem Behältnis ist?

Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist meine Position eindeutig: Der Einsatz von "Nacktscannern" im wahrsten Sinn des Wortes, das heißt von Geräten, die Menschen so gut wie nackt zeigen, wäre unverhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich mehr als fraglich. Allerdings werden bereits Geräte entwickelt, die den menschlichen Körper nur schemenhaft oder symbolisch abbilden.

Aber auch diese Scanner können körperliche Besonderheiten wie künstliche Darmausgänge und Brustprothesen (noch) nicht von Kunststoffbehältern mit Flüssigsprengstoff unterscheiden. Dementsprechend wären mehr Fluggäste als heute gezwungen, ihre besonderen körperlichen Merkmale vor dem Abflug offenzulegen. In jedem Fall wären eine spezifische gesetzliche Regelung und eine deutliche Eingrenzung des Anwendungsbereichs auf bestimmte Verbindungen und Passagiere erforderlich. Einen massenhaften und flächendeckenden Einsatz darf es nicht geben.

Unabhängig davon müssen gesundheitliche Risiken, die nach den Aussagen der Strahlenschutzkommission für Vielflieger beim Scannereinsatz bestehen, zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Auch die Angst vor dem Terror kann nicht jede Verletzung der Privatsphäre rechtfertigen.

von Stephanie Müller, Ronja Ritthaler und Max Mayer
   

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