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 Interview
06.07.2010

„Kein einziges Leben aufgeben“

Steffen Seibert über Entwicklungshilfe und Angelina Jolie

Der ZDF-Moderator Steffen Seibert berichtet über seine Arbeit als Unicef-Botschafter, Entwicklungshilfe und was er als Politiker tun würde. Wenige Wochen nach dem Gespräch kam heraus, dass Seibert neuer Sprecher der Bundesregierung wird.

Der ZDF-Moderator Steffen Seibert berichtet über seine Arbeit als Unicef-Botschafter, Entwicklungshilfe und was er als Politiker tun würde. Wenige Wochen nach dem Gespräch kam heraus, dass Seibert neuer Sprecher der Bundesregierung wird.

Das Gespräch führten Fiona Byrne und Manuela Peitz.


ruprecht: Waren Sie schon einmal in Heidelberg?

Steffen Seibert: Ich habe 2007 an der Uni einen Vortrag im Rahmen meiner Tätigkeit als Unicef-Botschafter gehalten. Ich war aber nie so oft hier, wie ich es mir wünsche, Heidelberg ist schon eine schöne Stadt.

Was sind die prägendsten Erinnerungen an ihre Studienzeit?

Ich habe in Hamburg und London Geschichte studiert. Meine Erinnerung sind aber leider alle nicht akademischer Art. Ich hatte ein sehr gutes Studentenleben, aber habe eigentlich das falsche studiert. Heute würde ich etwas ganz anderes studieren, aber damals war ich wohl nicht so schlau.

Was denn?

Etwas Konkreteres, nicht so etwas Unbestimmtes wie Geschichte.

Jura?

Nein, ganz bestimmt nicht. Manchmal dachte ich mir, ich hätte Archäologie oder Opernregie studieren sollen. Das wäre genau meine Welt gewesen. Das ist ja jetzt ein bisschen spät, aber das macht auch nichts.

Sie haben sicherlich schon vom Bildungsstreik gehört.

Ja, da haben meine Kinder dran teilgenommen, die gehen aber noch zur Schule.

Wenn Sie Student wären, würden Sie auch daran teilnehmen?

Das würde ich mir im Einzelfall überlegen. Streik um des Streikens willen, da würde ich nicht mitmachen. Wenn ich aber wüsste, dass die Ausstattung schlecht ist und die Studiengebühren nichts bringen, dann würde ich mitmachen. Ich glaube aber nicht, dass das wirklich an allen Fakultäten der Fall ist.

Der Streik richtet sich ja hauptsächlich gegen die Umsetzung des Bachelor- und Master-Systems.

Was den Sinn und Verstand dieser Reformen betrifft, bin ich auch skeptisch. Die Verschulung des Studiums halte ich für unsinnig.

Können Sie Unterschiede zwischen Ihrer Generation und der Heutigen feststellen?

Meine Generation war von einer extremen Sorglosigkeit geprägt. Das muss man gerechterweise sagen. Teilweise haben manche sehr lange studiert. Heute merkt man schon in der Oberstufe viel Druck, eine große Zielstrebigkeit und dass man da schon Praktika sammelt. Das ist teilweise gut, teilweise schlecht. Manchmal tritt so eine Art Schockstarre ein: "Oh Gott, hoffentlich kriege ich das alles hin!" Ich möchte gerne etwas von der Leichtigkeit zurückgeben, die meine Generation noch besaß. Aber ich weiß, da habe ich leicht reden!

Wenn Sie für einen Monat den Posten eines Politikers übernehmen könnten, wer würden Sie sein wollen und was würden Sie machen?

Wenn schon, dann wäre ich natürlich Bundeskanzler! Ich würde versuchen, den Leuten klarzumachen, dass es nicht immer leichter und besser werden kann. Dass wir uns alle zusammen auf einige Einschränkungen einstellen müssen und herausfinden müssen, wie trotz dieser Einschränkungen ein glückliches gemeinschaftliches Leben möglich ist. Das wären so eine Art „Blut, Schweiß und Tränen“-Reden.

Seit 2002 sind Sie Unicef-Botschafter. Woher rührt Ihr Interesse, sich sozial zu engagieren?

Mein Interesse für Entwicklungspolitik war schon immer groß und Unicef ist praktische Entwicklungsarbeit. Außerdem habe ich drei Kinder. Wenn man die eigenen Kinder in idealen Verhältnissen aufwachsen sieht, will man es anderen Kindern auch ermöglichen in besseren Verhältnissen aufzuwachsen.

Was sind die Aufgaben eines Unicef-Botschafters?

Öffentlichkeit herstellen und Unicef bekannt machen! Ich versuche den Menschen durch Vorträge klarzumachen, dass es sich lohnt, Unicef zu unterstützen.

Was unterscheidet denn Sie von, sagen wir mal Angelina Jolie?

Bei manchen Prominenten hat man das Gefühl, dass da nicht so viel dahintersteht und das sie das machen, um ein gutes Image aufzubauen. Ich kenne Angelina Jolie nicht und weiß nicht was sie so denkt, aber selbst wenn es nur PR wäre, wäre es nicht das Schlechteste. Sie tut zumindest etwas. Im Chanel-Kostüm durch Flüchtlingslager zu stöckeln ist nicht ideal, aber meines Wissens macht sie das auch nicht. Sie hat eine bestimmte Wirkung. Wenn Sie ihre Medienpräsenz für Flüchtlinge nutzt, ist das besser, als wenn sie nur einkaufen ginge. Sie wirkt auf mich auf jeden Fall nicht dumm. Aber davon gibt es in Hollywood ja viele.

Wie stehen Sie denn zum Thema Adoption von Kindern aus anderen Kontinenten?

Adoption ist ein sehr persönliches Thema. Kinder aus Ländern „herauszuadoptieren“ und zu sagen, dann helfe ich nur einem Kind, finde ich nicht gut. Ich würde versuchen zum Beispiel einem bestimmten Dorf, also einer ganzen Gemeinschaft zu helfen. Das ist auch ein Grundsatz von Unicef, weswegen es dort auch keine Einzel-Patenschaften gibt.

Gerade Studenten haben nicht viel Geld. Was kann der Einzelne tun, außer Spenden?

Zumindest darüber reden und dafür sorgen, dass Hunger und Armut nicht hinter einer Mauer des Schweigens verschwinden. Man darf sich nicht daran gewöhnen, dass bestimmte Verhältnisse so sind, wie sie sind. Man sollte ruhig auch mal zornig werden und sich denken "Nein, so geht das jetzt nicht!" Das kann man auch als Student. Außerdem sind studierte Menschen später eher in einflussreichen Positionen. Dort braucht man erst recht Menschen, die nicht alles hinnehmen.

Haben Sie eine besonders prägende Erinnerung an eine Ihrer Reisen?

Ich denke häufig an einen ehemaliger Kindersoldaten aus Angola. Der Junge macht jetzt von Unicef unterstützt eine Schreinerlehre in einer Werkstatt. Er sprach völlig nüchtern davon, wie er vier Jahre lang Kindersoldat Leute umgebracht hat. Das klingt jetzt pathetisch, aber man darf kein einziges Leben abschreiben. Selbst das Leben eines Kindersoldaten kann noch eine ganz andere Wendung nehmen.

Wie sieht für Sie sinnvolle Entwicklungshilfe aus?

Man muss die Kräfte in einem Land stärken und positive Entwicklungen fördern, die dort schon existieren. Wir dürfen unser wirtschaftliches Interesse nicht in den Vordergrund rücken. Das heißt nicht, dass wir keines haben dürfen. Wir sollten aber Entwicklungshilfe nicht aus primär wirtschaftlichen Gründen betreiben.

Könnten Sie sich vorstellen, nur noch für Unicef zu arbeiten?

Später vielleicht, ja. Aber ich bin nicht der Typ, den man für drei Jahre nach Uganda schicken könnte. Da hätten meine Kinder auch noch mitzureden!

Herr Seibert, vielen Dank für das Gespräch.

 

von Fiona Byrne und Manuela Peitz
   

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