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 Hochschule
06.07.2010

Uni will Imame ausbilden

Islamische Vorbeter sollen an deutschen Unis in die Lehre

Anfang des Jahres schlug der Wissenschaftsrat vor, an mehreren Standorten in Deutschland Zentren für islamisch-theologische Forschung aufzubauen. Auch die Uni Heidelberg hat sich zusammen mit der Uni Freiburg dafür beworben.

Anfang des Jahres schlug der Wissenschaftsrat vor, an mehreren Standorten in Deutschland Zentren für islamisch-theologische Forschung aufzubauen. Auch die Uni Heidelberg hat sich zusammen mit der Uni Freiburg dafür beworben.

Pastor, Priester oder Rabbi – alle werden in theologischen Abteilungen an deutschen Universitäten ausgebildet. Nur nicht die Imame, die muslimischen Vorbeter. Sie studieren meist im Ausland, auch weil an deutschen Unis solche Ausbildungsmöglichkeiten bisher fehlen. Mehrere Bundesländer wollen nun islamischen Religionsunterricht als Unterrichtsfach einrichten. Auch hierfür fehlt eine Ausbildungseinrichtung in Deutschland. Das soll sich jetzt ändern.

Der Wissenschaftsrat, der Bund und Länder bei der inhaltlichen und strukturellen Gestaltung der Unis unterstützt, hat Ende Januar vorgeschlagen, zwei oder drei große islamisch-theologische Forschungszentren zu errichten. Dabei kommen Unis in Frage, die bereits Theologie, Religions- oder Islamwissenschaft anbieten und mit der neuen Theologie zusammenarbeiten sollen. „Heidelberg weist sich durch die großen Erfahrungen im interreligiösen Dialog aus“, teilte Uni-Pressesprecherin Marietta Fuhrmann-Koch mit.

Neben Religions- und Islamwissenschaft gibt es hier auch eine Abteilung für evangelische Theologie. Das katholisch-theologische Institut der Uni Freiburg trägt das Konzept mit. Auch die Heidelberger Hochschule für Jüdische Studien ist miteingebunden. Sie versteht sich als Modell: „Hier an der Hochschule klappt der Spagat sehr gut“, betont Desirée Martin, Sprecherin der Hochschule für Jüdische Studien. Mit dem „Spagat“ meint sie die Balance zwischen wissenschaftlicher Forschung und Vermittlung normativer theologischer Inhalte.

Diese Ausbildung von Forschern, jüdischen Religionslehrern und Rabbinern funktioniert seit mehr als 30 Jahren. Für das islamisch-theologische Zentrum sind sieben Professuren geplant. Darüber hinaus hat das Ausbildungszentrum für Imame und islamische Religionslehrer noch einige Hürden zu nehmen: Hochschulen und Politik sind sich uneinig darüber, wer Träger der Einrichtung sein sollte.

Im Gegensatz zu den christlichen Religionsgemeinschaften gibt es bei den Muslimen in Deutschland noch keinen rechtlich anerkannten Verband, der über Lehrinhalte entscheiden und für alle Muslime in Deutschland sprechen kann. Zu unterschiedlich sind die religiösen Strömungen und Meinungen. Daher fordern der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus und sein Wissenschaftsminister Peter Frankenberg einen „Rat für islamische Studien“ als Kooperationspartner einzurichten. Dieser soll die Religionsgemeinschaft repräsentieren und sich aus Mitgliedern muslimischer Gemeinden und Verbände zusammensetzen. Dieses Gremium ist für die Landesregierung die Voraussetzung, einen Fachbereich für islamische Theologie einzurichten. Konkretere Pläne, wie die Institute zusammenarbeiten sollen, gibt es ebenfalls noch nicht.

Das Heidelberger Rektorat gibt sich derzeit bedeckt, um im Wettbewerb mit Tübingen nicht ins Hintertreffen zu geraten. Das Konzept der Unis Heidelberg und Freiburg sei interreligiös und interkulturell ausgerichtet, teilte eine Sprecherin mit. Darin sehen auch die an der Planung beteiligten Institute Anknüpfungspunkte: „Man denke nur einmal an die enge gemeinsame Geschichte der drei Weltreligionen“, sagt Jan Christian Gertz, Dekan der Theologischen Fakultät.

Auch wenn das gemeinsame Konzept der Heidelberger und Freiburger inhaltlich noch ausgestaltet werden kann, ist jetzt die Politik am Zug: Stuttgart muss nun entscheiden, wer den Zuschlag erhält, damit die Universitäten weiter planen können. Die Entscheidung soll in den kommenden vier Wochen fallen. Heidelberg, Freiburg und Tübingen warten.



Ein Kommentar von Benjamin Weineck

Der Wissenschaftsrat hat die Zeichen der Zeit erkannt und sie richtig gelesen: Man kann nicht über Integration sprechen, ohne Muslimen die Ausbildung ihres kultischen Personals zu ermöglichen. Aber wer sagt, dass die Moscheegemeinden dann ihre Imame auch von diesen neuen Zentren holen?

Diese Frage geht über die inhaltliche Planung der Ausbildungsstätten hinaus und sollte bedacht werden. Denn daran hängt auch die Frage danach, ob die unterschiedlichen Glaubensrichtungen der Muslime in Deutschland in den sieben Professuren überhaupt zum Ausdruck kommen können, wenn es die Glaubensgemeinschaften sind, die das Personal rekrutieren.

Grabenkämpfe sind programmiert. Und warum muss es überhaupt ein neues „Zentrum“ sein, anstatt schon bestehende Strukturen zu stärken? Wenn die Erforschung islamischer Theologie als so wichtig erachtet wird, warum verfügt das Seminar für Islamwissenschaft nur über zwei Professuren? Wieso ist die hiesige Religionswissenschaft nicht in die Planung eingebunden?

Diese Unstimmigkeiten gilt es schnellstens auszuräumen. Denn wenn bald das Geld fließt, kommt zu konzeptionellen Herausforderungen der Zeitmangel hinzu.

von Benjamin Weineck
   

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