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 Feuilleton
20.11.2010

Gefangen in der Plastikstuhlkulisse

Sven Holm wagt eine moderne "Fidelio"-Neuinszenierung

Das Heidelberger Theater zeigt seit Anfang November eine mutige Neuinszenierung von "Fidelio". Neben der ĂĽberzeugenden musikalischen Darbietung, zwingt der Regisseur Sven Holm sein Publikum zum Nachdenken.

Das Heidelberger Theater zeigt seit Anfang November eine mutige Neuinszenierung von "Fidelio". Neben der ĂĽberzeugenden musikalischen Darbietung, zwingt der Regisseur Sven Holm sein Publikum zum Nachdenken.

Im Anfang war das Chaos. In der Mitte des Schauspiels, ein Haufen weiĂźer PlastikstĂĽhle. Menschen schälen sich aus diesem Chaos hervor, ihre Stimmen rezitieren Hölderlin. Ein ungewohntes BĂĽhnenbild empfängt das Publikum im Heidelberger Opernzelt. Das Parkett als Spielort, der Orchestergraben im RĂĽcken der Sänger, die BĂĽhne, mit einem GerĂĽst versperrt. An diesem StahlgerĂĽst montierte Monitore geben das Geschehen in der Plastikstuhlkulisse wieder.

Die Akteure sind in "ostalgisch" beigefarbene Anzüge und Kittel gehüllt. Unter dieser einheitlichen Hässlichkeit blitzen vereinzelt Versatzstücke bunter Individualität auf. Eine Videoprojektion verdeutlicht die Isolation der Kerkerhaft. Ein Bühnenbild, das die Stichworte der Inszenierung darstellt: Gefangenschaft, Überwachung und Uniformität. Drei Elemente, die die Freiheit ersticken.

Leonore will ihren Mann befreien

Die Geschichte der Oper Fidelio ist schnell erzählt: Der Revolutionär Florestan wird von seinem Widersacher und früheren Mitstreiter Pizarro in einem Kerker rechtswidrig gefangen gehalten. Florestans Frau Leonore erschleicht sich als Mann verkleidet das Vertrauen des Gefängnisvorstehers Rocco.

Unter dem Namen Fidelio versucht sie als Wächter Florestan aus der Gefangenschaft zu retten. Als sich der Ministers Don Fernando zum Gefängnisbesuch ankündigt, will Pizarro den Gefangenen loswerden und befiehlt Rocco ein Grab zu schaufeln. Leonore eilt ihrem Mann zu Hilfe.

Erkenntnis im Jutebeutel

Regisseur Sven Holm unterbricht das Originalstück des öfteren durch Textpassagen. Die stammen von dem Philosophen Jean-Jacques Rousseau, RAF-Mitglied Ulrike Meinhof oder auch Ex-Bundespräsident Horst Köhler. Dadurch wird das Publikum auf einer zweiten Ebene mit der Thematik Gefangenschaft, Widerstand und Freiheit konfrontiert. Eine Thematik, die – so verdeutlicht – in jeder Zeit und Gesellschaft eine Rolle spielt. Die Texte bekommen die Darsteller von einem bizarr wirkenden Mann – zusammen mit einem Apfel in einem Jutebeutel.

Später stellt sich heraus, dass es sich bei diesem Erkenntnisbringer um Don Fernando handelt, der sie später alle retten soll. Doch das Ende ist wenig glücklich: Don Fernando ein Retter, der das alte System bezwingt, um allen ein neues aufzuzwingen. So kämpfen die Hoffnung auf Freiheit und die Resignation ob der erneuten Unterdrückung im Finale der Oper um die Gunst des Publikums.

Nichts fĂĽr Freunde klassischer Inszenierungen

Eine interessante Neuinszenierung hat Sven Holm auf die Heidelberger BĂĽhne gebracht. Er versetzt die Oper aus ihrem Entstehungshintergrund – der Zeit des Napoleonischen Machtmissbrauchs – mit Hilfe eines gut durchdachten BĂĽhnenbilds von Elisa Limberg gekonnt in die heutige Zeit.

Dabei findet sich der Zuschauer nicht sofort in einer konkreten Systemkritik wieder. Es bleibt ihm selbst ĂĽberlassen, auf welchen Schauplatz der Welt er das StĂĽck projiziert. Manchem mag das zu abstrakt gewesen sein. Wer eine klassische Inszenierung wĂĽnscht, ist bei Holm an der falschen Adresse.

Ăśberzeugende Darbietung des musikalischen Ensembles

Unter der musikalischen Leitung von Dietger Holm glänzt vor allem das Orchester und insbesondere die Holzbläser mit Klarheit und Präzision. Besonders stark wirkt neben der gesanglichen Darbietung der Leonore (Yamina Maamar) der Bariton von Peter Felix Bauer, der dem Pizarro mit seiner Tiefe Macht verleiht. Auch der Florestan-Darsteller Winfrid Mikus berührt mit einem sanften Tenor in der Rolle des Gefangenen.

In den Sprechpartien wirken die Darsteller hingegen – bis auf wenige Ausnahmen wie Peter Felix Bauer – leider oft steif und unecht. Diese kleinen Aussetzer sind jedoch schnell vergessen, sobald das Publikum sich in den unendlichen Weiten der Kompositionen Ludwig van Beethovens verlieren darf.

von Julia Held
   

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