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 Interview
11.04.2011

15 Semester für alle

Martin Sonneborn über seine "schmierig-populistische" Partei

Foto: Alexander Klinke, Wikimedia Commons

Martin Sonneborn, ehemals Chefredakteur des Satire-Magazins Titanic und Gründer der ebenfalls satirisch motivierten Partei „Die PARTEI“, las im DAI aus seinem „PARTEI-Buch“ und sprach über Wahlkampf, Maueraufbau und Machtübernahme.

Das Gespräch führten Xiaolei Mu und Josie Kerstan


Martin Sonneborn (*1965), studierte 15 Semester lang Publizistik, Germanistik und Politikwissenschaft im Münster, Wien und Berlin. Von 2000 bis 2005 war er Chefredakteur der Titanic. Während dieser Tätigkeit betätigte er sich des Öfteren als inoffizieller „Wahlkampfhelfer“, bevor er 2004 zusammen mit anderen Redaktionsmitgliedern der Titanic seine eigene Partei die PARTEI (Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative) gründete, deren Hauptanliegen der Wiederaufbau der Mauer ist. In dem im DAI vorgestellten „PARTEI-Buch“ beschreibt er den Weg einer kleinen, populistischen, schmierigen Partei an die Macht – oder jedenfalls auf den Stimmzettel.


ruprecht: Was verstehen Sie unter guter Satire?

Martin Sonneborn: Satire braucht ein aggressives Moment. Das ist am wichtigsten und es ist glaube ich das, was es unterscheidet von Klamauk oder Comedy, aber auch vom Kabarett.

Sehen Sie eine klare Grenze zwischen guter Satire und schlechtem Geschmack?

Nein, ich glaube nicht, dass das abgegrenzt werden kann. Gute Satire kann auch von schlechtem Geschmack getragen sein. Es gibt viele Dinge, die wir gemacht haben, die Leute als Dinge von schlechtem Geschmack bezeichnen würden, aber mein Gott: Geschmack ist halt Geschmackssache.

Kann man das Satiremachen erlernen?

Ich glaube, man muss eine Grundvoraussetzung mitbringen: Sich für Komik interessieren. Man kann sehr viel lernen, aber man sollte natürlich ein Grundinteresse für Beleidigungen, Ärgern und Satire mit sich bringen.

Auf welchen satirischen Streich sind Sie persönlich besonders stolz?

Der erfolgreichste und folgenreichste war wahrscheinlich die WM-Bestechung. Wie die FAZ mal ausgerechnet hat, hat der unserem Land 2,6 Milliarden Euro Bruttosozialproduktzuwachs gebracht. Und wie ich aus der Schilderung einer Hebamme weiß, auch einen kleinen Baby-Boom. Die hat erzählt, dass sie im Jahr 2007 im Sommer plötzlich keine freien Termine mehr hatte und hat dann mal nachgefragt und festgestellt, dass nach dem Spiel Deutschland – Schweden viele Kinder gezeugt worden sind. Und das ist mehr als man von einem kleinen Satiremagazin erwarten kann: Bruttosozialprodukt und Baby-Boom – super!

Gibt es einen satirischen Streich, der Ihnen peinlich ist?

Ich glaube nicht, mir fällt keiner ein.

Was war so der schlimmste Rüffel, den Ihnen Ihre Aktionen je eingetragen haben?

Wieder diese WM-Bestechung, denn ich musste mich mit einem Anwalt von Franz Beckenbauer und vom deutschen Fußballbund treffen. Da stand für einen kurzen Moment eine Schadensersatzklagesumme von 600 Millionen D-Mark im Raum. Das ist natürlich keine geringe Summe für einen Titanic-Chefredakteur und deswegen habe ich damals eine Erklärung unterzeichnet. Die hat der Anwalt vorbereitet und durch das Unterzeichnen verpflichtete ich mich, Zeit meines Lebens nicht mehr Einfluss zu nehmen auf die Vergabe von FIFA-Turnieren durch das Versenden von Bestechungsfaxen. Aber die Preise sind ja jetzt viel höher als damals. Heute kann man Stimmen für 1,5 Millionen Euro oder 2,7 Millionen Euro kaufen. Nein, dann wären wir eh raus. Unser Korb hat damals 130 D-Mark gekostet.

Also hat die FIFA von Ihnen nichts mehr zu befürchten.

Nein. Aber ich habe ein Buch geschrieben und mein Wissen weitergegeben. Es wissen jetzt 5000 Leute in diesem Land, wie man besticht, und ich hoffe, dass die Tradition auch weiter fortgeführt wird.

Sie haben schon erwähnt, dass Sie in der Titanic eine Anwältin haben. Wie oft kriegt sie eigentlich Ärger oder hat zu tun?

Sie hat keinen Ärger. Sie kommt einmal im Monat und geht mit uns das Heft durch und sagt dann: „Das müsst ihr anders formulieren, das muss raus, das darf man nicht machen,...“ Wir machen es natürlich trotzdem und sie muss uns dann vor Gericht raushauen.

Sie erzählten in Ihrer Lesung auch, dass Sie bei Ihren Recherche­aktionen öfter die Identität fremder Menschen annehmen. Ist das nicht illegal?

Satire wird vom Grundgesetz gedeckt in einem Paragraphen, der die Kunstfreiheit sichert. Insofern ist es nicht ganz einfach, uns da in die Parade zu fahren. Wenn jemand sich vor laufender Kamera bewegt und plaudert, geht man davon aus, dass die Person damit stillschweigendes Einverständnis signalisiert. Wenn man sich dann hinterher in einer Satiresendung wiedersieht, hat man schlechte Karten, dann dagegen zu klagen. Das Mitschneiden von Telefonanrufen ist verboten, aber meistens haben die Betroffenen kein Interesse zu klagen und das Ganze noch öffentlichkeitswirksamer aufzuziehen. In Titanic sind es halt 60.000 Leute, die das lesen, wenn jemand klagt, dann passiert es ganz schnell, dass der Rest der Presse auch darüber berichtet, und dann ist das eine viel größere Peinlichkeit für den Betroffenen.

Warum heißt die Titanic eigentlich Titanic?

Weil zum Schluss der Name „Devot“ durchgefallen ist und der Name „Sonne“ schon geschützt war. Das waren andere Möglichkeiten, die man ins Auge gefasst hat. „Sonne“ deshalb, weil man dann Rubriken, mit dem Namen „Sonne scheiße“ oder „was für die anderen konzipiert war“ hätte einführen können.

Aber hat der Name auch noch eine tiefere Bedeutung?

Der Schriftzug ist symbolisch aufsteigend. Das soll die Untergangsstimmung eines Luxusdampfers symbolisiren,

Damit können wir was anfangen. Was halten sie eigentlich von der derzeitigen Hochschulpolitik? Und hat die PARTEI auch entsprechende Programme?

Die Hochschulsituation ist natürlich verheerend. Man müsste mehr Geld dort hinein pumpen. Unser Programm sieht vor, dass wir junge Studenten 15 Semester studieren lassen und pro Monat mit 1000 Euro alimentieren. Und ich würde das weniger verschulen. Mehr Freiheit, mehr Geld und nach 15 Semestern ab in die Produktion.

Was bedeutet Produktion?

Bergbau. Fließband. Je nachdem. Arztpraxis.

Also wäre es möglich bei Ihnen, 15 Semester ergebnislos zu studieren und dennoch alimentiert zu werden?

Ja sicher. Klingt da etwa Skeptizismus durch?

Woher soll denn das ganze Geld herkommen?

Wieso? Wir müssen die Bundeswehr nicht so aufblähen. Nicht so viel in Waffen investieren oder Flotten unterhalten.

Wie kann ein interessierter Leser bei der Titanic als Redakteur anfangen?


Zuerst sollte man sie lesen. Dann kann man anfangen, an die offenen Rubriken zu schreiben. Das sind „Briefe an die Leser“ und die Rubrik „Fachmann für Kenner“. Leute aus ganz Deutschland schicken ihre Beiträge dafür und wenn man mehrere Texte im Heft hat, dann wird man eingeladen zu einem Praktikum oder einem Volontariat. Anschließend bleibt man dort, wird Redakteur, Chefredakteur und Herausgeber zum Schluss.

Was ist ihrer Meinung nach die größte politische Errungenschaft, die Altkanzler Kohl jemals vollbracht hat?


Dass er sich den Spitznamen Birne angeeignete, den die TITANIC für ihn erdacht hat. Es gibt Anzeigen der CDU, da beißt Kanzler Kohl in eine Birne und versucht spielerisch mit dem Namen umzugehen. Ich glaube, das ist der Name, der ihn sympathisch gemacht hat, und deswegen haben die Deutschen ihn sechzehn Jahre lang ertragen.

Wie viel Millimeter Schminke trägt ihrer Meinung nach Angela Merkel bei ihren öffentlichen Auftritten?

Ich weiß nicht ob das noch Make-up ist oder eher so zementartiges Gemisch, das man gar nicht mehr abnehmen muss zwischendurch. Die Welt am Sonntag hat mal herausgefunden, dass die CDU Bilder von Angela Merkel zum Herunterladen für Wahlkämpfer und Journalisten anbietet. Die sind unter einer Internetadresse zu finden gewesen, die so ähnlich hieß wie: www.angelamerkel-wahlkampf.de/nachher. Da hat ein Journalist bei der CDU angerufen und nachgefragt, ob es auch ein „/vorher“ gäbe. Darauf haben sie gedruckst und haben auf die Werbeagentur Erricson verwiesen. Es gab großes Gestottere bis der Chef kam. Er meinte, dass da kaum etwas verändert wurde. Sie sei aus dem Urlaub wiedergekommen und hätte wunderbar ausgesehen. Nur eine kleine Hautunreinheit, die sie wegmachen mussten. Herausgekommen sind natürlich diese extrem durch Photoshop geschönten Werbeplakate, mit denen sich das Merkel an die Macht geputscht hat und die dringend durch die PARTEI entfernt gehört.

 

   

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