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02.12.2011

Spanien wählt den Wechsel

Historischer Sieg für Rajoy und herbe Niederlage für Zapateros Sozialisten

Eine antifaschistische Gruppe demonstriert bei strömendem Regen gegen den bevorstehenden Rechtsrutsch. Doch die meisten Spanier entschieden sich anders. / Foto: Julia Wink

Der neue Ministerpräsident Spaniens heißt Mariano Rajoy. Bei den Parlamentswahlen setzte sich der rechtsgerichtete Kandidat wie erwartet gegen seinen Gegner Alfredo Rubalcaba von den Sozialisten durch. Letztere erzielten das schlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte.

Wie erwartet, gewann Mariano Rajoy am 20. November die Wahl. Kurz nach Mitternacht stand das amtliche Endergebnis fest: Die rechtsgerichtete Partido Populista (PP) erreichte mit 44,6 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament und das beste Wahlergebnis der Parteigeschichte. Die amtierende Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) erlitt hingegen eine desaströse Wahlschlappe. Nur 28,7 Prozent votierten für die Sozialisten, die damit ein Drittel ihrer Sitze im Parlament verloren.

Das Ergebnis zeigt vor allem eins: Die Spanier wollten einen Wandel. Gleichzeitig scheint es, dass die PP alles deswegen gewählt wurde, um die Regierung Zapatero „abzustrafen“. Diese Annahme unterstützt auch eine Studie des CSI vom Oktober. In dieser bejahren nur 21 Prozent der Befragten die Frage, ob die PP anstelle der PSOE während der vergangenen Jahre die Probleme des Landes besser hätte lösen können. Die Mehrheit von 63 Prozent war dagegen der Ansicht, dass die PP bei der Problemlösung gleich gut oder schlechter abgeschnitten hätte.

Nachdem der amtierende Regierungschef José Luis Rodriguez Zapatero (PSOE) im Juli die Vorziehung der Parlamentswahlen bekannt gegeben hatte, schritten die Bürger Spaniens am 20. November vier Monate früher als regulär zur Wahl. Die Wahlen wurden vorgezogen, da Zapateros Regierung eindeutig das Vertrauen und die Zustimmung des Volkes verloren hatte. Die Spanier trauten ihrer Regierung nicht mehr zu, die schwerwiegenden Probleme des Landes lösen zu können.

Zapatero selbst gab bereits im Juli bekannt, dass er für eine dritte Amtszeit nicht mehr kandidieren würde. Stattdessen sollte Amtskollege Alfredo Pérez Rubalcaba für die PSOE antreten. Der 60-jährige studierte Chemiker, der bereits seit der Demokratisierung des Landes nach dem Tod des Diktators Franco im Jahre 1975 politisch aktiv ist, war Innenminister und Vizeregierungschef der Regierung Zapatero und damit dessen „Wunschkandidat”.

Rubalcaba wurden jedoch von Beginn an keine hohen Chancen beigemessen, denn laut zahlreicher Umfragen seit Juli wurde den Populisten stets ein durchschnittlicher Vorsprung von knapp 15 Prozent vor der PSOE bescheinigt. Auch eine Studie des Centro de Investigaciones Sociológicas (CIS) vom Oktober 2011 bekräftigte diesen Trend: Auf die Frage, welche Partei die Befragten wählen würde, wenn am folgenden Tag Wahlen stattfinden würden, gaben nur 18 Prozent an, für die PSOE stimmen zu wollen, während 31 Prozent die PP unterstützten wollten. Auch eine Woche vor der Wahl hatten sich diese Werte gemäß einer Umfrage der spanischen Tageszeitung „El País“ nicht verändert.

Als Favorit galt daher bereits lange vor der Wahl der PP-Kandidat Mariano Rajoy. Der 56-Jährige verfügt wie Rubalcaba über langjährige politische Erfahrung. Er ist seit 1989 Parlamentsabgeordneter und leitete unter der PP-geführten Regierung von Jose Maria Aznar von 2001 bis 2004 das Innenministerium. Nach der Abwahl Aznars wurde er PP-Parteivorsitzender. Nachdem er in sämtlichen Umfragen weit vor Rubalcaba lag, kürte ihn die konservative Tageszeitung „La Razón“ nach dem TV-Duell am 7. November bereits inoffiziell zum neuen Regierungschef.

Der PP wird nicht notwendigerweise zugetraut, die Probleme des Landes besser in den Griff zu bekommen. Schon seit Monaten befürchten viele, dass Spanien als nächstes durch den Euro-Rettungsschirm gestützt werden muss. Zu den Problemen zählen außerdem die hohe Staatsverschuldung und die Arbeitslosigkeit. Die Verschuldung liegt derzeit bei rund 61 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Arbeitslosenquote liegt bei derzeit 22,6 Prozent. Mit fast fünf Millionen Arbeitslosen hat Spanien nicht nur einen historischen Höchststand erreicht, sondern weist zudem die höchste Quote aller EU-Staaten auf. Besonders prekär ist die extrem hohe Jugendarbeitslosenquote. Die liegt aktuell bei 45 Prozent und treibt viele junge Spanier zu Protestmärschen auf die Straßen und bewegt viele zum Auswandern.

Schuld an der prekären Lage ist nicht einmal die hohe Schuldenqoute von 61 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Schuldenquote derzeit bei rund 83 Prozent. Die Schwierigkeiten resultieren aus der lahmenden spanische Wirtschaft, die derzeit keinerlei Wachstum erzielt. Die Kernpfeiler der spanischen Volkswirtschaft, der Tourismus und der Bausektor, befinden sich in einer tiefen Krise. Darüber hinaus hinkt Spanien auch in zentralen und zukunftswichtigen Bereichen wie Bildung und Forschung hinterher.

Trotz der Feierstimmung im Lager der PP, ist die Stimmung im Land eher verhalten und getrübt an diesem regnerischen Wahlsonntag. Klar ist, dass den politischen Wechsel allein nicht die gravierenden Probleme löst und die ökonomische Krise nicht beenden wird. Im Gegenteil. Unter der rechtsgerichteten Regierung drohen sogar Rückschritte in der Gleichstellungs- und Sozialpolitik. Zudem stellt der neue Ministerpräsident Rajoy die Existenz des Klimawandels in Frage, weshalb auch bei der Umweltpolitik kaum Fortschritte zu erwarten sind.

Der nüchterne Rajoy appellierte nach seiner Wahl an die Solidarität der Bürger und kündigte „schwierige Zeiten“ an. Schon vor der Wahl warnte hat er vor zu hohen Erwartungen: „Es wird keine Wunder geben.“ Ein Indiz dafür, dass auch seine Partei keinen soliden Lösungsansatz für die Probleme bieten kann? Viele Beobachter interpretieren dies so. Denn wie er die Krise lösen will, hat Rajoy nie genau definiert.

So beabsichtigt die PP zwar nächstes Jahr 30 Millionen Euro im Haushalt einzusparen, doch wo gespart werden soll, bleibt unklar. Klar ist, dass Rajoy sich ab Dezember den Problemen des Landes stellen muss. Die Spanier erwarten von ihm vor allem, dass er Arbeitsplätze schafft. Die EU hingegen will, dass er durch die Fortführung des von Zapatero eingeschlagenen Sparkurses die Märkte beruhigt. Ob er damit erfolgreicher sein wird als sein Vorgänger, wird sich zeigen.

von Julia Wink
   

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