18.01.2011
Erst diskutiert, dann frequentiert
Das Kulturhaus Karlstorbahnhof feiert sein 15-jähriges Bestehen
Wie es für „Teenager“ üblich ist, wurde der Jahrestag ausgelassen gefeiert – mit einem eindrucksvollen Kulturprogramm. Doch ohne die Heidelberger würde der Karlstor weder als Kulturhaus noch als Bahnhofsgebäude existieren.
Wie es für „Teenager“ üblich ist, wurde der Jahrestag ausgelassen gefeiert – mit einem eindrucksvollen Kulturprogramm. Doch ohne die Heidelberger würde der Karlstor weder als Kulturhaus noch als Bahnhofsgebäude existieren.
Bereits 1872 setzten sich 400 Bürger für den Bau einer Güterstation am Karlstor ein. Sie wollten durch diesen Bau die Infrastruktur verbessern sowie Wirtschaft und Tourismus ankurbeln. Ihr Wunsch wurde 1873 durchgesetzt.
Ein Jahrhundert später war der Karlstorbahnhof wieder Brennpunkt der Bürgerdiskussionen. „Als der Bahnhof 1977 stillgelegt wurde, erhitzten sich die Gemüter über den zukünftigen Nutzen des Gebäudes“, so Ingrid Wolschin, seit zwölf Jahren Geschäftsführerin des Karlstorbahnhofs. „Erst sollte es abgerissen werden, dann wurde es aber unter Denkmalschutz gestellt.“ Drei Jahre später kaufte die Stadt das ehemalige Bahnhofsgebäude und die städtische Verwaltung zog ein. „Damals war die politische Landschaft noch nicht gegeben“, sagt Patrick Dengl von der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Politische, kulturelle und kreative Gruppen in Heidelberg befürworteten zu dieser Zeit aber schon die Gründung eines Kulturhauses: Sein Fundament bildeten das Eine-Welt-Zentrum, Vorläufer des Karlstorkinos, der freie Theaterverein und das Kulturcafé, in dem zum Beispiel die Musikveranstaltungen organisiert werden.
„Längst gab es schon in anderen Studentenstädten Zentren dieser Art, aber die Mehrheit in Heidelberg war gegen alternative Kultur. Die bürgerlichen Parteien befürchteten, dass sich in eben diesem dann linke subversive Gruppen aufhalten würden“, so die Geschäftsführerin, „schließlich gab es auch in Heidelberg die Studentenrevolte.“ Erst als acht Personen der Grün-Alternativen Liste in den Stadtrat einzogen, war Licht am Ende des Tunnels zu sehen: 1984 ergab sich endlich eine knappe Mehrheit für das Förderprogramm „Alternative Kultur.“ Somit konnte die damalige Oberbürgermeisterin Beate Weber die Gründung des Kulturhauses durchsetzen.
Trotz seines heutigen festen Standbeins in der Kulturlandschaft Heidelbergs ist der Karlstorbahnhof immer noch unterfinanziert. „Kritiker halten es nicht für berechtigt, dass er den größten Zuschuss in der freien Kultur bekommt. Dabei ziehen sie aber nicht seine hohen Besucherzahlen und die Vielfalt der Aufgaben in Betracht. Neben dem Kulturprogramm im Saal ist der Karlstorbahnhof Kristallisationspunkt der interkulturellen Arbeit, mit dem „TiKK“-Zentrum der freien Theatergruppen der Region und dem Kommunalen Kino“, stellt Wolschin fest.
Geldprobleme des Karlstorbahnhofs spiegeln sich auch in der Mitarbeiteranzahl wider. Von zwölf Festangestellten haben nur zwei eine volle Stelle. „Es können nicht mehr Vollzeitstellen finanziert werden“, so Dengl, „darum arbeiten die Teilzeitkräfte hier auch mehr, als sie eigentlich müssten. „Zusätzlich gibt es 60 bis 70 Arbeitskräfte, die abends bei Veranstaltungen aushelfen. Anfangs waren die Veranstaltungen selten ausfinanziert. Laut Dengl lag das hauptsächlich daran, „dass die Veranstalter sehr idealistisch waren. Unser Programm war zwar sehr gut, hatte die Leute aber wenig interessiert.“
Idealismus hin oder her – das Veranstaltungsangebot musste sich ändern. Von nun an stellten die Programmmacher eine vielfältigere Auswahl an Events zusammen, um so ein größeres Publikum anzusprechen. „Besonders durch Rainer Kern und Martin Müller hat die Qualität der Veranstaltungen zugenommen.“ Diese buchen nicht nur bekannte Künstler, sondern auch solche, die in Deutschland noch relativ unbekannt sind. „Der Knackpunkt ist, die Künstler zu kriegen, bevor sie groß werden“, weiß Dengl, „erst kürzlich sind wieder „We Are Scientists“ bei uns aufgetreten. Hier hatten sie auch vor ein paar Jahren ihr erstes Deutschlandkonzert gegeben.“ Die beiden Pressesprecher sind sich einig, dass es nicht unbedingt darum gehe, viel Geld zu machen, „sondern darum, dem Publikum ein Programm mit hoher Qualität zu bieten.“
Direkte Konkurrenz sei kaum vorhanden. Der Karlstorbahnhof komme durch sein musikalisches Profil anderen Veranstaltern nicht so schnell in die Quere. Bereits vor sieben bis acht Jahren legten die Leute hinter den Kulissen einen Schwerpunkt auf Gitarrenmusik - „und das, als Indie kaum jemanden interessierte.“ Als Konkurrenten sehen sie andere Konzertveranstalter in Heidelberg oder der Region nicht. „Schließlich soll es hier ja noch andere Lokalitäten geben, die interessante Veranstaltungen anbieten. Das macht eine Region ja erst attraktiv!“, ist Weber überzeugt.
Konkurrenz war auch bei der Geburtstagsreihe kein Them. Ausverkaufte und erfolgreiche Veranstaltungen scheinen die Betreiber des Kulturhauses zufrieden zu stellen. Anlässlich des Jubiläums bespielten Künstler aus aller Welt ganz Heidelberg, unter anderem auch das Schloss und die Heiliggeistkirche. Zum Abschluss gab Philipp Poisel letzten Samstag ein Konzert – sein persönliches Geburtstagsgeschenk an den Karlstorbahnhof.
von Corinna Lenz und Jin Jlussi