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 Heidelberg
18.01.2011

Raubbau im Westjordanland

HeidelbergCement werden Verstöße gegen das Völkerrecht vorgeworfen

Eine hundertprozentige Tochterfirma von HeidelbergCement betreibt im Westjordanland einen Steinbruch. Menschenrechtsanwälte sehen darin einen Verstoß gegen internationales Recht. HeidelbergCement steht nun für seine Aktivitäten in der Kritik.

Eine hundertprozentige Tochterfirma von HeidelbergCement betreibt im Westjordanland einen Steinbruch. Menschenrechtsanwälte sehen darin einen Verstoß gegen internationales Recht. HeidelbergCement steht nun für seine Aktivitäten in der Kritik.

Der größte deutsche Baustoffhersteller, HeidelbergCement, baut in dem von Israel seit 1967 besetzten Westjordanland in dem Steinbruch Nahal Raba durch seine hundertprozentige Tochterfirma Hanson Israel Gestein ab.

Die abgebauten Rohstoffe werden einem Bericht des ARD-Magazins Panorama zufolge größtenteils nach Israel transportiert und dort unter anderem für den illegalen Bau israelischer Siedlungen auf palästinensischem Gebiet genutzt. Für den Betrieb des Steinbruchs hat Hanson Israel eine Abbaugenehmigung vom israelischen Staat erhalten, wie sich aus einer an den obersten israelischen Gerichtshof gerichteten Klageschrift der israelischen Nichtregierungsorganisation Yesh Din ergibt.

Die Anwälte von Yesh Din listen darin neben der Anlage von Hanson Israel noch einen Reihe von anderen Steinbrüchen und Minen auf, die von israelischen Firmen im von Israel besetzten Westjordanland betrieben werden. Der Klage zufolge verstoße der Abbau in diesen Anlagen gegen geltendes Völkerrecht, genauer gesagt gegen die Haager Landkriegsordnung und das IV. Genfer Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten. Diese verbieten die Ausbeutung von Wirtschaftsressourcen in einem besetzten Gebiet zugunsten des Besatzers. Völkerrechtliche Verträge binden transnationale Unternehmen nicht, sondern ausschließlich Staaten. Demnach wäre also Israel dazu verpflichtet, den Raubbau von Rohstoffen durch israelische Unternehmen zu verhindern. Die Anwälte von Yesh Din fordern in ihrer Klage deshalb die Einstellung des gesamten Raubbaus im Westjordanland.

Das Westjordanland und der Gazastreifen wurden 1995 durch ein Interimsabkommen in den Osloer Friedensverhandlungen als palästinensisches Autonomiegebiet festgelegt und dabei in drei Zonen (A-, B- und C-Zone) unterteilt. Wenngleich diese Aufteilung nur vorübergehend gelten soll, bis eine endgültige Lösung im Nahost-Konflikt erreicht ist, beansprucht Israel einen großen Teil der C-Zone dauerhaft für sich.

Zusätzlich errichtete Israel entlang der Grenze zum Westjordanland einen Sicherheitsstreifen, um sich selbst zu verteidigen, und baut dort neue Siedlungen. Die genauen Grenzen zwischen diesem Sicherheitsstreifen und dem Rest des Westjordanlandes sind nicht eindeutig festgelegt. Auch hatte Israel um seine Siedlungen in Ostjerusalem eine Mauer errichtet. Der Internationale Gerichtshof hatte das 2004 in einem Urteil als Verstoß gegen das Völkerrecht gewertet. Eine endgültige Einigung über für die Zugehörigkeit dieses Sicherheitsstreifens ist in den Friedensgesprächen noch nicht erreicht worden.

Allerdings soll im Westjordanland und im Gazastreifen laut Appellen der internationalen Gemeinschaft ein Palästinenserstaat entstehen, dessen später für die Entwicklung des Staates dringend benötigte Ressourcen nun immer knapper werden.

Der Abbau von Rohstoffen durch den deutschen Konzern steht überdies den offiziellen Friedensappellen aus Berlin entgegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte wiederholt betont, dass sie eine friedliche Zweistaatenlösung anstrebe und alle Handlungen unterlassen werden müssten, die die Entstehung eines künftigen Palästinenserstaats und damit den Frieden im Nahen Osten gefährdeten. Auf Anfragen der ARD Panorama-Redaktion beim Auswärtigen Amt zum Fall HeidelbergCement verwies das Amt auf die Haltung der Bundesregierung. Desweiteren lägen dem Amt keine eigenen Informationen zu diesem Fall vor.

Unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten stellt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit von Staaten für das Verhalten ihrer Unternehmen im Ausland. Unter Rechtswissenschaftlern findet derzeit eine lebhafte Debatte darüber statt, ob und inwieweit Staaten dazu verpflichtet sind, Bürger in anderen Ländern vor Menschenrechtsverletzungen durch ihre Unternehmen zu schützen. Völlig anerkannt ist, dass Staaten grundsätzlich in der Lage sind, das Verhalten ihrer Unternehmen im Ausland zu regulieren. Deutschland wäre also in der Lage, Aktivitäten wie die von HeidelbergCement zu verbieten.

Ob sie dazu auch verpflichtet sind, ist jedoch sehr umstritten. Zwar vertreten immer mehr Rechtswissenschaftler, dass eine solche Verpflichtung für die Heimatstaaten von transnationalen Unternehmen bestehe. Sie ergebe sich aus ihrer Freiheit, Auslandsaktivitäten ihrer eigenen Aktivitäten zu regulieren; der Verpflichtung aller Staaten, miteinander bei der Durchsetzung der Menschenrechte zu kooperieren; und dem Verbot, Beihilfe zu Menschenrechtsverletzungen durch andere Staaten zu leisten. Diese Ansicht hat sich im Völkerrecht aber bisher nicht durchsetzen können.

HeidelbergCement äußerte sich zu den Vorwürfen nicht. Der Konzern teilt aber über seine Webseite mit, dass es aufgrund eines „Desinvestitionsprogrammes“ seinen Standort in Israel verkaufen wolle. Das Unternehmen verfolge eine konsequente Veräußerung nicht-strategischer Geschäftseinheiten, um seine Schulden abzubauen. Der geplante Verkauf an das israelische Unternehmen Mashav Initiating and Development Ltd. war von den israelischen Wettbewerbsbehörden gestoppt worden. Der Konzern prüfe nun andere Möglichkeiten. Bis zum Verkauf werde der Abbau von Rohstoffen im Westjordanland durch die Tochterfirma von HeidelbergCement, Hanson Israel, allerdings fortgesetzt.

von Max Mayer
   

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