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13.11.2011
Engagement beim Häuserbau „Habitat for Humanity“ baut Unterkünfte für Notleidende in den USA Mit der Hilfe von Freiwilligen versucht die Organisation, Menschen, die von Armut oder Naturkatastrophen betroffen sind, ein neues Zuhause und neue Perspektiven zu geben. Dabei müssen die Betroffenen aber auch selbst anpacken: Durch ihre eigene Arbeit zahlen einen Teil der Baukosten. Im Frühjahr haben Tornados und Überflutungen im Süden der USA wieder schwere Schäden angerichtet. Am stärksten war Alabama betroffen. Das Mississippidelta wird regelmäßig von tropischen Stürmen heimgesucht und ist eines der fruchtbarsten Gebiete der Welt - aber gleichzeitig auch eine der ärmsten Regionen der USA. Der Anteil der afroamerikanischen Bevölkerung beträgt mehr als 70 Prozent. Nahezu die Hälfte der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. In manchen Orten ist der Zustand der Wohnhäuser desaströs. Manche Häuserzüge machen den Eindruck, als könne der kleinste Windstoß sie zum Einsturz bringen. In den Wänden klaffen Löcher. Anstatt aus Glas bestehen manche Fenster nur aus Alufolie. Die weltweit arbeitende Organisation „Habitat for Humanity“ versucht seit fast drei Jahrzehnten, die Wohnsituation der Menschen in dieser Gegend zu verbessern. Mit der Hilfe der Bedürftigen selbst, mit anderen Freiwilligen und gespendetem Material baut die Organisation einfache Häuser, sodass die Menschen nicht mehr in Barakken wohnen müssen. Das Prinzip ist simpel: Jeder Einwohner einer Gemeinde, in der es eine Habitat-Niederlassung gibt, kann sich für ein neues Haus bewerben. Das neue Haus zahlt man 10 bis 25 Jahre lang zinsfrei ab. Die monatlichen Raten liegen bei rund 200 US-Dollar im Monat. Das entspricht einer marktüblichen Miete, die man auch für eines der verfallenden Häuser zahlen müsste. Darüber hinaus verpflichten sich die Besitzer, 400 Arbeitsstunden bei Habitat abzuleisten - entweder durch Bauarbeiten am eigenen Haus oder als Helfer bei anderen Projekten in der Nähe. Familienmitglieder und Freunde können mithelfen. Die restliche Arbeitszeit spenden Freiwillige. Die Bewerberliste für den Hauserwerb ist lang. Ob man ein Haus von Habitat bekommt oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren wie Familiengröße oder Einkommen ab. Das Habitatprojekt steht zwar theoretisch allen offen, die Bewerber sind jedoch überwiegend Schwarze. “Neulich hat sich allerdings auch eine weiße Person für ein Haus beworben“, erzählt Matt Sutton, der Chef der Habitat Niederlassung in Clarksdale, Mississippi. „Bisher war sie die einzige Weiße unter Tausenden von Bewerbern. Sie hat ein Haus bekommen, weil sie wie alle anderen auch die Kriterien erfüllt hat.“ Die Helfer kommen von überall her, auch aus Deutschland. Die Agentur für Freiwilligenarbeit „Social Footprint“ arbeitet mit Habitat zusammen und ensendet regelmäßig Helfer in deren Häuserbauprojekte. Die Günderin von „Social Footprint“, Anja Thießen, fährt seit zehn Jahren mit Gruppen von Erst- und Zweitsemestern der European Business School in Oestrich-Winkel zwei bis drei Mal im Jahr nach Clarksdale. Die Studenten helfen eine Woche lang mit, die Habitat-Häuser zu bauen. Währenddessen arbeiten die Teilnehmer hauptsächlich auf dem Bau oder helfen in der lokalen Suppenküche oder Grundschule aus. Ausflüge ins Mississippidelta, Museen oder ein Abend in Memphis gehören ebenfalls dazu. Meine „Social-Footprint“-Gruppe half beim Bau des Hauses für Laverne und ihre Kinder und Enkel. Laverne ist Altenpflegerin und arbeitet im Altenheim in der Nachtschicht. Nachdem sie morgens um sieben Uhr Feierabend hat, kommt sie auf die Baustelle, um dort bis 16 Uhr zu helfen - solange, bis ihr Haus fertig gebaut ist. Neben der Baustelle steht ein Habitat-Haus, das bereits fertig gebaut ist. Darin wohnt der 13-jährige Enrique, der von allen nur „Mookie“ genannt, mit seiner Familie. Das alte Haus seiner Eltern hatte überall Löcher in den Wänden, sodass sich dort Kakerlaken und anderes Ungeziefer eingenistet hatten. Die Käfer krochen dem Jungen nachts ins Ohr und mussten mehrmals vom Notarzt aus seinem Gehörgang entfernt werden. Nach mehreren Aufenthalten in der Notaufnahme hielt er es im Ungeziefer verseuchten Haus nicht mehr aus, sodass er vor drei Jahren die umfangreichen Unterlagen für das neue Haus selbst ausfüllte und eine Zusage von Habitat erhielt. Enriques Mutter Sharon arbeitet sehr viel, um die Familie zu ernähren. Sie konnte sich kein normales Haus leisten. Enrique selbst hilft auch heute noch in Habitat-Projekten mit, obwohl sein Haus längst fertig ist. Denn er ist dankbar für die rasche und recht unkomplizierte Hilfe. In seinem Haus wohnt er nun mit seiner Familie – ohne die Insektenmitbewohner. Auf der Baustelle sind immer ein bis zwei Profis mit dabei, die die Freiwilligen anleiten. Die Profis werden bezahlt, nehmen aber von Habitat meist weniger Geld, als für einen Auftrag in der Privatwirtschaft. Das Material wird aus Spenden finanziert, die Freiwilligen wiederum spenden ihre Zeit und Arbeitskraft. Manche schneiden Rigips Platten zu und verschrauben sie, streichen die Wände oder graben das Fundament aus - und das mit Schaufeln, nicht etwa mit Baggern. Die Habitat-Häuser bestehen aus einem Holzgestell, Isolation und Rigipsplatten. Da es in der Regel im Bundesstaat Mississippi nicht sehr kalt, sondern eher heiß wird, gibt es eine Klimaanlage - und vor allem ein funktionsfähiges Bad. Das ist für die meisten keine Selbstverständigkeit. Dort ist nicht überall beliebt. In manchen Gegenden gab es Widerstand in der Bevölkerung. Aus Jonestown wurde Habitat regelrecht rausgemobbt. Dort fühlten sich die Gangs, die dort regieren, von den „Außenseitern“ auf den Schlips getreten. Habitat baut dort zwar weiterhin, jedoch außerhalb der Stadt. In Clarksdale jedoch lassen die Gangs Habitat in Ruhe. Die meisten Bewohner von Clarksdale schätzen deren Arbeit und respektieren die Freiwilligen - egal welche Hautfarbe sie haben oder wo sie herkommen. In Clarksdale ist allein Matt Sutton dafür zuständig. Das Habiat-Projekt ist nicht auf einen bestimmten Zeitraum befristet oder auf eine bestimmte Häuseranzahl begrenzt und kann theoretisch solange weiterlaufen, wie es Spenden, Freiwillige und natürlich auch Bedürftige gibt. Dass die Zahl von Letzteren in Clarksdale sinkt, ist aber leider nicht zu erwarten. |