Dies ist ein Archiv der ruprecht-Webseiten, wie sie bis zum 12.10.2013 bestanden. Die aktuelle Seite findet sich auf https://www.ruprecht.deruprecht/Schlagloch-doppelkeks-Jubiläum
Am 13.10. feiern wir 25 Jahre ruprecht/Schlagloch
und 10 Jahre doppelkeks [...mehr]
ruprecht auf Facebook
Unsere
Fan-Seite
Andere Studizeitungen
ruprechts Liste von
Studierendenzeitungen im deutschsprachigen Raum
ruprecht-RSS
ruprecht-Nachrichten per
RSS-Feed
Feuilleton
16.11.2011
Mechanismen der Macht „Ammen“ zeichnet ein dĂĽsteres Gesellschaftsbild Daniel Goetschs StĂĽck behandelt Macht, Kontrolle, UnterdrĂĽckung und VerfĂĽhrung. Die Parabel fasziniert und verwirrt zugleich. Das kleine Dorf Ammen, von dem nie gesagt wird, wo es liegt, ist ein dĂĽsterer Ort. Als der junge Keno, orientierungslos und ohne konkrete Pläne fĂĽr seine Zukunft, eines Tages zurĂĽckkehrt, um sein Diplom zu feiern, stellt er fest, dass ihm sein Heimatort fremd geworden ist. Einst herrschten dort Chaos und Gewalt, ein Brandanschlag war der Höhepunkt der Brutalität. Keno, der die Täter kannte, aber an dem Anschlag nicht beteiligt gewesen war, hatte kurz darauf das Dorf verlassen. Nun herrscht Frieden, Ruhe und Ordnung – doch zu einem hohen Preis. Die Dorfbewohner haben ein System der totalen Ăśberwachung und Bestrafung jeder Abweichung geschaffen. Es wird beherrscht von einem mysteriösen Ombudsmann, der unsichtbar bleibt und wie ein Diktator mit seiner Clique gehorsamer Gefolgsleute regiert. Diese Gruppe besteht aus dem Dorfschullehrer, dem Autohändler, der Bioteeverkäuferin und ausgerechnet Kenos Mutter. Sie organisiert Versammlungen und hält Gericht ĂĽber jeden, den sie als Störenfried sieht. „Verantwortung heiĂźt keine Ausrede“, „Solidarität heiĂźt zupacken“ und „Verzeihen heiĂźt Vergessen“, sind ihre wohlklingenden Parolen, hinter denen nichts anderes steht als eine neue Gewaltherrschaft. Keno versteht all das nicht. Er zweifelt daran und flĂĽchtet zu seiner Jugendliebe. Sie fĂĽrchtet das System, ohne es jedoch wie er in Frage zu stellen – zu sehr schätzt sie, wie alle anderen, die Sicherheit, die es bietet. „Ammen“ ist damit eine Parabel ĂĽber totalitäre Strukturen und Denkmuster und darĂĽber, wie sie sich auch in positivem Gewand in eine Gesellschaft einschleichen können. Es zeigt, wie MachtausÂĂĽbung und UnterdrĂĽckung funktionieren, selbst wenn sie scheinbar dem Guten dienen. Dies wird auch durch eine raffinierte Symbolik deutlich gemacht: Wie ein roter Faden durchziehen religiöse Elemente das StĂĽck, welche allerdings in einer verfälschten Form zum Ausdruck kommen. So tragen die Dorfbewohner wie zum Zeichen ihrer Unschuld Schafsmasken, die wohl an die seelische Reinheit des Lamm Gottes erinnern sollen. Einmal sitzen sie gar mit EngelsflĂĽgeln und teilen Brot und Wein. Mehrfach ertönt eine leicht abgewandelte Form des „Vater Unser“, in der aber nicht Gott, sondern der ĂĽbermächtige Ombudsmann angebetet wird. Auch dies ist wieder eine Anspielung an den Personenkult in totalitären Systemen. Die Botschaft des StĂĽckes wird deutlich und alle Schauspieler ĂĽberzeugen in ihren Rollen. Mit sechs Darstellern, zwei groĂźen drehbaren WĂĽrfeln und verstörenden FilmeinspielÂungen gelingt es dem StĂĽck, eine Atmosphäre der Beklommenheit zu schaffen. So werden immer wieder Videosequenzen eingespielt, die teils schon vorher – in einem nächtlichen Wald – gedreht worden waren, teils live während der AuffĂĽhrung des StĂĽcks in einem der beiden Kästen gefilmt werden. Zudem werden sie durch eine beklemmende Filmmusik begleitet, welche das GefĂĽhl des beständigen Unbehagens untermalte. Die Handlung ist allerdings manchmal verwirrend. Das liegt an Personen ĂĽber die gesprochen wird, die aber nicht auftauchen und an einigen Begriffen, die nicht näher erläutert werden. Das StĂĽck, das noch bis Ende Dezember im Zwinger zu sehen ist, ist somit durchaus interessant. Man darf jedoch nicht erwarten, alles zu verstehen. |