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 Feuilleton
19.11.2011

Puppen und Spieler

Ibsens „Nora oder Ein Puppenheim“ im Nationaltheater Mannheim

Eine gnadenlose Studie über Fremdbestimmtheit durch Geld und Statusdenken mit dem ins Absurde gesteigerten Humor einer Satire. Das Nationaltheater Mannheim inszeniert Ibsens „Nora“ zeitgemäß und unterhaltsam.

Letzten Endes sind wir alle fremdbestimmt, denn Mensch sein bedeutet abhängig zu sein von anderen Menschen. Das fängt bereits bei der begrenzten Essensauswahl in der Mensa an. Wenn gesellschaftliche Zwänge überhandnehmen, mag einem das Leben wie ein Gefängnis erscheinen. Wie ein Puppenhaus, in dem man Puppe ist.

So ergeht es der Protagonistin Nora in Henrik Ibsens Drama „Nora oder Ein Puppenheim“. Sie ist die Frau des Juristen Thorvald Helmer, der kurz davor steht, eine Stelle als Bankdirektor anzutreten. Von ihrem Wesen könnten die Eheleute verschiedener nicht sein. Nora ist eine verspielte, fast kindliche Frau, die eine heimliche Leidenschaft für Süßigkeiten pflegt. Thorvald ist ein Musterbürokrat - steif, penibel und knauserig. Man möchte meinen, dass er sogar seine Socken bügelt. Das Einzige, das ihm Emotionen entlockt und ihn dabei regelrecht in Rage versetzt, ist von niederen Angestellten geduzt zu werden. Nora ist für Thorvald „Eigentum“, Spielzeug und Statusobjekt. Trotzdem liebt sie ihn.

Ohne Wissen des überkorrekten Thorvald fälschte Nora vor Jahren eine Bürgschaft und nahm so bei dem Rechtsanwalt Krogstad ein hohes Darlehen auf, um ihrem Mann eine Kur in Italien zu finanzieren. Der Gläubiger bemerkt die Urkundenfälschung und will sie zum eigenen Vorteil nutzen, denn er arbeitet in der Bank, in der Thorvald die Führung übernimmt, und soll bald entlassen werden. Als am Ende dieser oberflächliche Konflikt gelöst ist, wird Nora schließlich vollends bewusst, dass Thorvald sie nie wirklich geliebt hat. Er ist mit seiner Karriere verheiratet, gefangen in einem Netz aus gesellschaflichem Streben und Statusdenken.

Das Ensemble gewinnt Ibsens Drama eine humorvolle Seite ab. Minutenlang packen Thorsten Danner (Thorvald) und Hannah von Peinen (Nora) ein Geschenk aus, da Thorvald peinlich genau darauf achtet, das Geschenkpapier nicht zu zerreißen. Für absurd-komische Momente sorgt Klaus Rodewald als Doktor Rank, der einzige und sterbenskranke  Freund Thorvalds, der sich fatalistischer Melancholie hingibt.

Die Inszenierung des Nationaltheaters Mannheim unter Cilli Drexel konzentriert sich auf das Innenleben der Protagonistin, die immer hilfloser und panischer agiert. Begleitet werden die Angstzustände und Panikattacken von dissonanten Klängen, die immer schlimmer werden, je näher die Aufdeckung ihres Geheimnisses rückt. Der Zuschauer hat teil am Gemütszustand Noras, hört gewissermaßen ihren Schrecken.

Wurde der Schluss des Stücks bei den ersten Aufführungen im Jahr 1879 wegen der vorherrschenden Konventionen noch zu einem Happy End abgemildert, verschiebt Drexel ihn ins Drastische. Am Ende wird das einstige „Singvögelchen“ Nora zu einem Raubvogel, die sich menetekelhaft auch mehrfach ausgestopft im Bühnenbild finden lassen. Sie spielt nun und Thorvald ist mit einem Mal Puppe. So kehrt sich alles um und es wird klar: Wir sind alle im Puppenhaus gefangen. Und wir spielen alle mit.

von Lukas Spranger
   

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