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 Wissenschaft
18.12.2012

Strahlende Aussichten

Das Mekka der Ionenstrahlentherapie in Heidelberg

Ein Bestrahlungsplatz umgeben von einem Teil der Gantry. / Foto: Universität Heidelberg

Es ist ein wahrhaft gigantisches Projekt. Eine Bestrahlungsmaschinerie der Größe eines Fußballstadions, die von der Planung bis zur Behandlung des ersten Patienten 119 Millionen Euro kostete und das auf dem Gebiet der Tumorbekämpfung eine Sonderrolle innehat.

Anfang der 90er Jahre begann bereits die Planung einer Ionenstrahlenanlage in Heidelberg und als 2004 die ersten Schritte zur Errichtung des Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT) unternommen wurden, sollten weitere fünf vergehen, bis der erste Krebspatient behandelt werden konnte.

Die Erwartungen an das HIT sind groß; so verspicht sich das Uniklinikum mit den erzeugten Ionenstrahlen Tumore unschädlich machen zu können, die zuvor als nicht behandelbar galten.

Am Anfang der riesigen Ionenstrahlmaschine steht zunächst ein Gas. Im Falle von Protonen wird Wasserstoff, im Falle von Sauerstoff- oder Kohlestoffionen Kohlenstoffdioxid solange erhitzt bis der sogenannte vierte Aggregatzustand erreicht ist, der Plasma genannt wird.

In diesem Zustand werden die Ionen der Gase extrahiert und mittels Linearbeschleunigern und einem Kreisbahnbeschleuniger auf die gewünschte Geschwindigkeit gebracht. Die Geschwindigkeit kann bis zu drei Vierteln der Lichtgeschwindigkeit betragen, wird aber je nach Patient reguliert. Je schneller ein Ion ist, desto mehr Energie hat es und desto tiefer kann es in das Gewebe eines Patienten eintreten.

Die notwendigen Informationen werden in einem Computertomographen über ein Rasterscan-Verfahren erhalten. Durch die Bestimmung der Tumorlage kann anschließend auf die erforderliche Ionengeschwindigkeit geschlossen werden.

Auch die Ionenart wird von Fall zu Fall ausgewählt. Schwerionen wie Kohlenstoff etwa werden verstärkt bei strahlenunempfindlichen Tumoren eingesetzt. Durch ihre höhere Masse können sie mehr Schaden anrichten. „Sie verursachen vor allem massive Schäden an der Tumor-DNA“, so Professor Thomas Haberer, der technische Direktor des HIT. Eine krankhafte Proliferation des Tumorgewebes kann somit unterbunden werden.

Ein gebündelter Ionenstrahl soll sein zerstörerisches Potenzial natürlich lediglich am Tumorgewebe des Patienten ausüben.

Um dies sicherzustellen, werden Patienten auf einem Behandlungstisch fixiert. Die Lage des Tisches wird von Robotern definiert. Diese erhalten wiederum ihre Informationen von einer Röntgenanlage, die die Position des Tumorziels mit dem ursprünglichen Bestrahlungsplan aus dem Tomographen abgleicht.

Eine solche Kontrolle erfolgt etwa 100?000 Mal pro Sekunde und legt den Grundstein für ein äußerst hohes Maß an Sicherheit. Sollte es dennoch zu Abweichungen kommen, kann die Bestrahlung sehr schnell innerhalb einer Millisekunde unterbrochen werden.

Gegenüber bislang eingesetzten Strahlenarten wie etwa der Photonenstrahlung beim Röntgenverfahren haben Ionenstrahlen zudem den Vorteil, dass sie sehr gut präzisiert werden können; es findet nur eine minimale seitliche Streuung statt. Außerdem machen sich die Forscher den sogenannten Bragg-Peak der Ionenstrahlen zunutze: Erst am gewünschten, definierten Ende des Strahls entfalten die Teilchen ihre Energie und konzentrieren so ihr zerstörerisches Potential auf das erkrankte Zielgewebe.

Der ganze Stolz liegt allerdings auf der Gantry. Die riesige Stahlkonstruktion ist weltweit einzigartig und hat die Fähigkeit, Strahlenbündel zu lenken. Eine Patientenbestrahlung ist daher aus allen Richtungen möglich.
In Kooperation mit dem beweglichen Tisch können so Bestrahlungen durchgeführt werden, um auch schlecht zugängliche Tumore zu erreichen.

Ein Problem gibt es nach Haberer dennoch beim jungen Therapiezentrum. Während die Hälfte der 119 Millionen für das Projekt vom Bundesministerium für Forschung geschultert wurde, musste die andere Hälfte vom Uniklinikum per Kredit gestemmt werden.

Jetzige Ionenstrahlentherapien kosten den Krankenkassen pro Patient etwa 20?000 Euro. Ein Betrag, der zunächst hoch erscheint, aber oftmals unterhalb der Kosten von gängigen Chemotherapien und aufwendigen Operationen liegt.
Aus diesem Grund wird derzeit mit den Krankenkassen über eine Erhöhung der Kosten verhandelt. Auch eine schnellere Therapie wäre möglich. So könnte eine größere Zahl an Patienten behandelt und folglich auch mehr Geld gespart werden.

Studien über die langfristigen Erfolge der innovativen Therapiemethode laufen noch. Erste Ergebnisse machen aber Mut. So scheint es, dass der gigantische Koloss inmitten des Neuenheimer Feldes eine Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Krebstherapie sicher hat.

von Arne Schoch
   

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