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 Feuilleton
19.12.2012

Leben für die Glotze

Unterhaltsame Mediensatire: „Alles Gold was glänzt“

Kulturpessimismus: Trash-TV in der Unterschicht. / Foto: Florian Merdes

Milan Peschel inszeniert das laute Stück von Mario Salazar im Zwinger-Theater: Das Ergebnis macht Spaß und nervt zugleich.

Ungemütlicher kann man sich eine Behausung kaum vorstellen: ein Sammelsurium aus unbezogenen Matratzen, Sperrholzpaletten, großen Kartons und Ikeatüten. Und dann erst die Bewohner ebendieser Behausung! Eine vierköpfige Familie plus Großvater – doch von einträchtigem Beisammensein kann nicht die Rede sein, obwohl man hier vor dem Aufstand der Anarchisten geschützt ist, der draußen alles verwüstet.

Innen wird geschrien, gezankt, aneinander vorbei geredet und dabei eine Beziehungslosigkeit zum Ausdruck gebracht, dass der Zuschauer sich manches mal lieber ins Chaos „da draußen“ flüchten möchte. Familie Neumann spart nicht daran, das Klischee einer „Asi-Familie“ zu erfüllen.

Sohn Robin (Volker Muthmann) spielt den ganzen Tag Computer und kann zwischen Realität und Fiktion nicht mehr unterscheiden. Vater Walters (Michael Kamp) einzige Leidenschaft ist das Puzzeln. Die Arbeitslosigkeit des Straßenbahnfahrers ist Mutter Iris (Christina Rubruck), die ohne den Fernseher nicht leben kann, das ganze Jahr nicht aufgefallen. Tochter Marianne (Karen Dahmen), die große Träume hat, wird eines Tages auf den Strich geschickt, wo sie es sogar dem dicken Nachbarn (Olaf Weißenberg) besorgen muss, während Opa Erich (Roland Bayer) in seiner Ostalgie Pirouetten dreht und seinen Selbstmord ankündigt.  Mariannes afghanischer Freund Ahmed (Dominik Lindhorst), zeigt seine romantische Seite: er droht, sich in die Luft zu sprengen, sollte sie ihn nicht heiraten.

Was die Familie verbindet, ist die allabendliche Sendung „Alles Gold was glänzt“, eine überspitzte Form des Unterschichtenfernsehens der verkommenen Werte. In der TV-Show können „Asis und Arbeitslose“ einen Fließbandjob gewinnen, wenn sie nicht vorher eines grausamen Todes sterben.

Die Welt ist also aus den Fugen geraten und draußen wie drinnen wird ein Kampf aller gegen alle geführt. Auf unangenehme Weise wird der Zuschauer penetrant daran erinnert, dass er derartige Kämpfe stets auch im eigenen Leben führt.

Umso verwunderlicher, dass das Stück von Mario Salazar, von Milan Peschel in Heidelberg zur Uraufführung gebracht, durchaus heitere Seiten beinhaltet. Und den Mündern der Darsteller entschlüpfen so viele Wahrheiten, dass man nicht weiß, welchen man glauben soll. Im Überlebenskampf der Familie werden die existenziellen Fragen des Lebens, der Liebe und des Sinns aufgeworfen und zugleich verschiedene Gesellschaftsmodelle abgehandelt.

Der satirisch überspitzte Verriss moderner Medienkultur und kapitalistischer Konsumgesellschaft wirkt wie ein auf die Bühne gebrachter Mix aus „TV-Glotzer“ von Nina Hagen und dem Film „Free Rainer“ von Hans Weingartner, in dem Milan Peschel übrigens eine Hauptrolle spielte. Leider etwas klischeehaft, dafür aber lustig.

von Antonia Felber
   

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