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Hochschule
31.12.2012
Doch kein Ausbeutungswerk? Von wegen! Unser Bericht über die Arbeitsbedingungen beim Heidelberger Studentenwerk sorgt für Aufsehen Die Rhein-Neckar-Zeitung wollte bei ihrer Berichterstattung über das 90-jährige Jubiläum des Studentenwerkes im Dezember nicht ignorant wirken und veröffentlichte eine Antwort auf die Vorwürfe aus unserem Artikel. Allerdings lässt diese jede Reflexion vermissen. „In der Gastronomie bekommen die Minijobber oft nur sechs Euro“, lautet die Begründung von Ulrike Leiblein, Geschäfsführerin des Studentenwerks Heidelberg, im Artikel der Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ) für die Bezahlung mit 8,06 Euro pro Stunde für die studentischen Beschäftigten. Und das, obwohl diese Bezahlung eigentlich rechtlich ausgeschlossen ist. Nur die 1999 gegründete Hochschulservice GmbH (HSG), eine Tochtergesellschaft, macht dies möglich. Ansonsten müssten die Studierenden nach dem Tarifvertrag der Länder bezahlt werden, der ihnen mindestens 9,42 pro Stunde brächte.
In der Gastronomie dürften aber unabhängig davon 8,06 das untere Ende der Gehaltsleiter darstellen, wie ein Blick nach Nordrhein-Westfalen (NRW) zeigt: Dort wurde am 1. Sepember 2012 seitens der Landesregierung ein Mindestlohn von 8,17 Euro eingeführt. Dass in einer wohlhabenden Stadt wie Heidelberg im großen Stil der Mindestlohn von NRW so weit unterboten wird, ist eher nicht zu erwarten. Wenn doch gibt es dafür nur zwei Erklärungen: Entweder handelt es sich um ein sehr kleines Restaurant, dessen Betreiber um ihre Existenz kämpfen. Dies trifft auf das Studentenwerk Heidelberg, einem großen Betrieb unter Trägerschaft des Landes, nicht zu. Die Alternative ist schlussendlich, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmer ausbeutet. Doch im Gegensatz zu den studentischen Beschäftigten, die kaum Trinkgeld erhalten, kommt oftmals noch ein solches hinzu.
Besonders paradox ist beim Studentenwerk hierbei: Indem es durch die HSG den Tarifvertrag umgeht, senkt es für die Studierenden nicht nur den Stundenlohn, sondern bringt sie auch um ihr Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. So lässt es die Studierenden für jeden Arbeitstag einen neuen Vertrag unterschreiben. Liegt jemand krank im Bett, entfällt für ihn der Lohn völlig. Diese moderne Tagelöhnerei passt also nicht zur eigentlichen Aufgabe des Studentenwerks, sich für die sozialen Belange der Studierenden einzusetzen.
Kritik auch von anderen Seiten
In einer Pressemitteilung äußerte sich der Heidelberger Stadtrat Matthias Michalski (SPD) am 28. Dezember dazu: "Tarifverträge sind nicht dazu da, dass man Tochtergesellschaften gründet, um diese zu umgehen." Er fordert daher weiter: "Das Land und die zuständige Ministerin Bauer dürfen als politischer und finanzieller Partner nicht zuschauen, wie das hohe Gut der Sozialpartnerschaft durch die Hintertür ausgehöhlt wird."
Auch beim Dachverband der über 50 Studentenwerke Deutschlands, dem Deutschen Studentenwerk, machte der ruprecht-Artikel die Runde: Am 12. Dezember fand in Bonn die PR-Tagung Krisenkommunikation vom Deutschen Studentenwerk statt. Dort wurde als Anschauungsbeispiel auch der ruprecht-Artikel „Das Ausbeutungswerk“ behandelt (siehe Foto). Beste Voraussetzungen für die Geschäftsführerin, Ulrike Leiblein, zu wissen, wie sie mit dem entstehenden öffentlichen Druck umgehen soll. Im Nachgang veranlasste sie prompt eine Gegendarstellung in Campus HD, dem Hausblatt des Studentenwerks Heidelberg, die in der kommenden Januar-Ausgabe der Campus HD erscheinen soll.
Ob diese allerdings in einem sachlichen Umgang mündet, darf bezweifelt werden. Es wäre jedenfalls sehr überraschend, wenn sich in Campus HD auch studentische Beschäftigte zu Wort melden, die, wie der Student, der in unserem Artikel erwähnt wurde, Angst haben, sich mit ihrem Namen zu äußern. Er befürchtet, keine Tageseinsätze mehr zu erhalten, wenn er vom Studentenwerk Lohnfortzahlung im Krankheitsfall einfordert. Von einem großen Klärungsbedarf seitens der Beschäftigten hingegen war nichts zu spüren, als die Ausgaben des ruprecht an den Mensen auslagen und verteilt wurden. Dafür sah man jedoch das ein oder andere versteckte Lächeln im Vorbeigehen. Ebenso wurde der Artikel auf der Seite des Arbeitskreises Gewerkschafter aus Aachen auf deren Webseite verlinkt.
Im Vorfeld des Artikels „Das Ausbeutungswerk“ sagte Leiblein kurzerhand das Gespräch am 7. Dezember ab. Bemühungen des Redakteurs, ein Treffen am 8. Dezember vor Druck der Zeitung anzuberaumen, fanden kein positives Echo. Gegen Jahresende sei aufgrund der Fülle von Terminen zu viel zu tun, und die Ferien stünden an. Daraufhin gab es eine sehr lose Einigung für ein Gespräch zu Beginn des Jahres 2013, für das dem Studentenwerk am 13. Dezember ein Fragenkatalog zugesendet wurde. Noch hat sich Leiblein nicht zurückgemeldet.
Für die Kollegen von der RNZ hatte Leiblein allerdings dennoch Zeit: Diese veröffentlichte anlässlich des 90. Geburtstages des Heidelberger Studentenwerkes einen Jubiläumsartikel, sahen sich aber wohl in einer schwierigen Situation: Wie einen Jubelartikel schreiben, wenn doch gleichzeitig diese Vorwürfe im Raum stehen, ohne dabei ignorant zu wirken? Daher entschied sich der zuständige Redakteur kurzerhand dazu, einfach mal bei Leiblein anzuklopfen und sie um ihre Meinung zu befragen.
"Höchstmögliche Flexibilität" für die studentischen Arbeitskräfte
Der Redakteur der RNZ hat Leiblein offenkundig nicht nach der Saisonarbeit in der Triplexmensa gefragt, oder wie es sich mit der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für Studierende verhält. Leiblein konnte sich stattdessen in der RNZ mit dem Verweis darauf, die Studierenden als Arbeitnehmer wollten die „höchstmögliche Flexibilität“, aus der Affäre ziehen.
Was auf den ersten Blick einleuchtet, wird immer zweifelhafter bei genauerem Hinsehen in die Rahmenvereinbarung zwischen den studentischen Arbeitnehmern und der HSG. Dort ist davon die Rede, dass die HSG die Studierenden bei der Finanzierung des Studiums unterstützen möchte. Wenn nun Leibleins Behauptung richtig wäre, die Studierenden bei der HSG legten mehr Wert auf Flexibilität als auf Krankengeld, hieße das nur eines: Die HSG leistet zur Studienfinanzierung keinen Beitrag, denn bei der HSG arbeitet nur der, der es sich leisten kann, krankheitsbedingt auch mal einen Monat kein Geld zu verdienen. Zumal tarifliche Bezahlung und Flexibilität einander nicht ausschließen: Das Studentenwerk und seine Arbeitnehmer können auch in einem tariflichen Arbeitsverhältnis einvernehmlich vereinbaren, dass beschäftigte Studierende vor einer Klausur etwa ein paar Stunden weniger arbeiten als danach.
Der ruprecht-Artikel vom 11. Dezember handelt jedoch in erster Linie davon, wie alle Beschäftigten, auch die nicht-studentischen, unter den Bedingungen leiden, durch Saisonarbeit und Tagelöhnerei verängstigt sind, rechtswidrig bezahlt und ihrer Mitbestimmungsrechte beraubt werden. In der RNZ konnte Leiblein trotzdem die Debatte einzig auf die studentischen Arbeitnehmer lenken. Immerhin soll es nun im Januar ein Gespräch geben, und es winkt nun nach der Euroeinführung wieder eine Lohnerhöhung.
Journalitisch grenzt der Artikel in der RNZ an eine Frechheit: Leiblein kann behaupten, dass Tagelöhner-Vertragskonstrukt der HSG hätte Verdi mitkonzipiert, obwohl Verdi gegenüber dem ruprecht die prekären Beschäftigungsverhältnisse noch heftig kritisiert hatte. Gefragt wurde Verdi hierzu anscheinend nicht. Leiblein behauptet außerdem, der Personalrat des Studentenwerkes hätte sich von kritischen Äußerungen in besagtem ruprecht-Artikel distanziert, in denen er ein von Kündigungsangst geprägtes Arbeitsklima beschreibt. Doch dazu durfte sich der Personalrat des Studentenwerkes in der RNZ wohl auch nicht selber äußern. Der Personalrat erklärte auf Nachfrage eigenen Angaben zufolge Leiblein nur, dass er den Artikel nicht veranlasst habe. So oder so hätte jedoch Leiblein schon einmal gute Vorsätze für das neue Jahr: Gleiches Geld für gleiche Arbeit und Krankengeld für alle!
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