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10.01.2012

Mad Circus – Eine Ballade von Liebe und Tod

Spanische Zeitgeschichte als surrealistisches Chaos

Clown Javier versteht keinen Spaß / Foto: Verleih

Álex de la Iglesias neuester Film schrammt haarscharf an der Grenze zum Splatter vorbei. Doch vor allem ist Mad Circus eine Ode an den schwarzen Humor und voll von sarkastischer Übertreibung, Extremen und auch bitterer Süße.

Der Film beginnt Ende der 1930er Jahre. In Spanien tobt der Bürgerkrieg, doch in einem Zirkus lassen sich zwei Clowns wenig davon beeindrucken. Ambitioniert widmen sie sich ihrer Arbeit in der Manege, bis republikanische Truppen die Vorstellung unterbrechen und sie für den Kampf gegen Diktator Franco rekrutieren. Es folgt ein gnadenloses Gemetzel à la „Inglourious Basterds“. Schließlich findet sich einer der Clowns als Zwangsarbeiter mit seinem Sohn Javier im „Valle de los Caídos“, dem „Tal der Gefallenen“, wieder. Javiers Vater legt sich mit einem Offizier an, worauf dieser ihn vor den Augen seines Sohnes erschießt. Javier gelingt zwar die Flucht, aber die Erlebnisse prägen und verfolgen ihn.

Jahre später findet Javier (Carlos Areces) Arbeit in einem Madrider Zirkus – als trauriger Clown. Als ihn sein Kollege und Gegenspieler, der lustige Clown Sergio (Antonio de la Torre), nach seinen beruflichen Beweggründen fragt, antwortet Javier: „Wäre ich nicht Clown, würde ich wohl als Amokläufer enden.“ Sergio, im wahren Leben ein drakonischer und brutaler Egoman, geht es nicht anders. Die extra fette Schicht Theaterschminke kann bei beiden nicht über die Anspannung und den Jähzorn hinwegtäuschen, die sich hinter ihren Masken verbergen.   

Sie befinden sich in der späten Franco-Ära und Repression beherrscht das Land. Doch statt im Zirkus eine friedliche Parallelwelt fernab der Schrecken des diktatorischen Alltags entstehen zu lassen, erliegen beide der Eitelkeit und Herrschsucht, auf denen das System beruht. Dies zeichnet sich ab in ihrem eifersüchtigen Kampf um die bezaubernde Akrobatin Natalia (Carolina Bang). Sie ist die Freundin von Sergio, findet aber auch Gefallen an Javier, der ihrem Charme ebenfalls erliegt. Darauf entspinnt sich von Neuem ein bestialisches, wenngleich äußerst ästhetisch inszeniertes Gemetzel.

In dem verbissenen Kampf der beiden Kontrahenten und dem Chaos im Zirkus spiegelt sich somit das Dasein einer von Repression und Widerstand gebeutelten Gesellschaft wieder.

Die eigentlich Verantwortlichen für das Ganze spielen im Film eher eine Nebenrolle. Franco, inzwischen ein tattriger Greis, wird sogar fast als liebenswürdig dargestellt, wenn er seine Offiziere zu mehr Menschlichkeit auffordert.

Geschickt verbindet Regisseur Álex de la Iglesia metaphorische Fiktion und Realität, indem er zwischen die bunten, barock überladenen Wirrungen regelmäßig schwarz-weiße Wochenschauberichte, wie die Verfolgungen des legendären Diebes und Franco-Gegners „El Lute“ einblendet.

Einen nahezu surrealistischen Moment erschafft Iglesia, als Javier durch die Straßen Madrids irrt und vor ihm die Wucht einer Explosion ein Auto über ein mehrstöckiges Gebäude schleudert. Hier lebt der baskische Regisseur ausnahmsweise nicht seine Actionfantasien aus, sondern stellt das 1973 von der ETA auf Francos Regierungschef Luis Carrero Blanco verübte Attentat nach und kommentiert es ironisch, wenn er Javier die Attentäter „Von welchem Zirkus seid ihr?“ fragen lässt.

Bezeichnenderweise werden die blutrünstigen Szenen mit den Zuckergussballaden des Schlagersängers Raphael unterlegt. Dabei kann es schon einmal passieren, dass einem das Lachen wegen moralischer Bedenken im Hals stecken bleibt.

Sollte das passieren, bitte einmal locker machen. Denn genau darauf zielt Iglesias Humor ab: das Lachen über menschliche Eitelkeiten, den Stolz, die Schwächen und ziemlich finstere, doch im Rahmen des Erträglichen bleibende Fantasien. Nicht zuletzt sorgt auch ein wunderbar tragikomischer Carlos Areces als Hauptdarsteller immer wieder für heitere Momente. 

Bei den internationalen Filmfestspielen in Venedig kassierte der Film den Silbernen Löwen für die beste Regie und die Osella für das beste Drehbuch. Die Jury leitete Quentin Tarantino. Auch beim spanischen Publikum kam der Film gut an und wurde bei der Verleihung des Goya-Filmpreises in 15 Kategorien nominiert.


Note: Drei von vier Rupis

Der Film (Trailer) ist im Karlstor-Kino am 10. und am 18. Januar um 21 Uhr zu sehen.

von Anne-Kathrin Glaser
   

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