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Feuilleton
12.06.2012
Ohne unnötige Spielereien „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ im Theater Holger Schultze, neuer Intendant am Heidelberger Theater, landet gleich mit seiner ersten Inszenierung einen Volltreffer. Vier Protagonisten, ein Schauplatz, ein Tag. Aristoteles hätte an Eugene O‘Neills „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ seine Freude gehabt. Schon zu Beginn der 1940er Jahre geschrieben, wegen seiner autobiografischen Brisanz aber erst 1956 posthum in Stockholm uraufgeführt, wurde es auch aufgrund dieser Konzentration auf das Wesentliche schnell zu einem der beliebtesten und meistgespielten Stücke des amerikanischen Dramatikers. Nun ist es in einer Neuinszenierung noch bis zum 2. Juli im Theaterkino zu sehen. „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ ist die Geschichte der Tyrones und erzählt, mit deutlichen Anspielungen auf O‘Neills eigene Familie, von deren psychischen und physischen Zusammenbruch. Der Vater, James Tyrone, ist ein heruntergekommener Schauspieler, Geizhals und Trinker, seine Frau Mary ist dem Morphium verfallen und lebt in ihrer eigenen Welt. Und auch die Generation der Kinder hat es nicht besser getroffen: Der älteste Sohn Jamie kommt ganz nach seinem Vater, der jüngere Edmund ist, wie einst O‘Neill, an Tuberkulose erkrankt. Es ‚passiert‘ nicht viel im Verlauf des Stückes: Mary wird nach absolvierter Entziehungskur wieder rückfällig und Edmund bekommt seine endgültige Diagnose. Das eigentlich Spannende an O‘Neills Stück ist die Darstellung der inneren Zustände der schuldlos-schuldigen Figuren, ihr ständiges Schwanken zwischen Traum und Wirklichkeit, Zärtlichkeit und Aggression – und genau hier setzt Holger Schultzes erste Regiearbeit als neuer Intendant des Heidelberger Theaters an. Es ist eine puristische Inszenierung, die ganz ohne unnötige Spielereien auskommt und den Text und die psychischen Abgründe der Figuren in den Mittelpunkt stellt. Zum roten Faden wird dabei das Thema des Schauspielens, das in O‘Neills Text schon angelegt ist, in Schultzes Lesart aber noch stärker betont wird. Er macht die Schauspieler zu Figuren, die wiederum zu Schauspielern werden und nicht nur den anderen, sondern auch sich selbst permanent etwas vormachen – und sich dadurch in eine ausweglose Spirale von Schuldzuweisungen hineinspielen. Nanette Zimmermanns karges Bühnenbild hat zwar mit O‘Neills detailliert-naturalistischen Beschreibungen nichts zu tun, greift aber durch das Spiel mit Transparenz und Undurchsichtigkeit, Anwesenheit und Abwesenheit zentrale Ideen der Inszenierung wieder auf. Dass diese so überzeugend wirkt, liegt zu einem nicht geringen Teil an der Leistung des durchweg hervorragend besetzten Ensembles, das sich unprätentiös spielend in den Dienst des Stückes stellt. Zum Glücksfall des Abends wird Christina Rubruck, die eine wunderbar unvorhersehbare, mal herzliche, mal herrische Mary Tyrone spielt – an der Seite des nicht weniger eindrucksvollen Stefan Reck als ein zum Whisky und Melodrama neigender James Tyrone. |