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Feuilleton
13.11.2012
Lyrik als wirre Spielerei? Zu verspielt und substanzlos? Die Nobelpreisträgerin Herta Müller provoziert in ihrem Lyrikband „Vater telefoniert mit den Fliegen“ schon mit dem scheinbar banalen Titel. Der Lyrikband aus Zeitungsschnipseln „Vater telefoniert mit den Fliegen“ verkommt angesichts Herta Müllers Prosa über Rumänien zur Zeit Ceausescus scheinbar zur Banalität. Die Zeitungsschnitte, mit denen Herta Müller ihre Gedichte zusammensetzt, reflektieren jedoch hierauf: Ein Mensch macht sich ihm fremde Wörter zu eigen, um sich dann selber anderen gegenüber mitzuteilen. Anhand des Titels wird klar: Eine individuelle Umdeutung kann auch scheitern, wenn andere sich nicht mehr ohne Weiteres die Bedeutung einer Aussage erschließen können. Im Gedicht, nach dessen Ende der Band benannt ist, fällt zunächst auf, dass „Vater telefoniert mit den Fliegen“ nicht in einer Zeile steht. „Fliegen“ ist abgesetzt, es liegt ein Zeilensprung vor. Außerdem reimt sich „Fliegen“ unrein auf „lügen“. Hiermit korrespondiert die Rede von „Milch […] Teer, schwarz oder weiß“: Verfremdende Schwarz- Weißmalerei ist in der Sprache keine zuweilen eingesetzte manipulative Technik, sondern die Regel. Gebraucht man Sprache, droht man zu lügen. Dichtung obliegt es demnach, dies bewusst zu machen, wie der Zeilensprung zeigt: Die Fliegen als Kommunikationspartnerinnen sind entrückt, womit korrespondiert, dass sie eigentlich keine sind. Nur als solche können sie nicht belogen werden, denn: Ein Begriff von Wahrheit ist ihnen fremd. Sprache als Ausdrucksform kann noch nicht einmal sich selber gerecht werden, wie der unreine Reim „lügen“ und „Fliegen“ zeigt. Inwiefern man sich nun auf Sprache gewissermaßen verlassen kann, ist also wie in ihren Romanen Thema ihres Lyrikbandes, jedoch nicht bedrückend, sondern äußerst unterhaltsam und verspielt, wie sich schließlich am scheinbar banalen Titel des Bandes zeigt. Herta Müller, Vater telefoniert mit den Fliegen, Carl- Hanser-Verlag, 19,90 Euro. |