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09.04.2013

„Allah Unser“

Ein Musterbeispiel für christlich-muslimischen Dialog von zwei Wiener Studentinnen

Alisa Ljajic (links) und Britta Mühl (rechts) mit ihrem gemeinsamen Buch. / Quelle: editiona

Kaum eine Frage wird mit so vielen Emotionen, Vorurteilen und Missverständnissen diskutiert wie diese: Wie ist in einer christlich geprägten Kultur ein Zusammenleben mit einer immer größer werdenden muslimischen Glaubensgemeinschaft möglich? Dass dies auch ohne eine oktroyierte christliche Leitkultur geht, zeigen Britta Mühl und Alisa Ljajic in „Allah Unser“. 

Die Geschichte klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Britta Mühl (geboren 1990) aus Zell an der Mosel, eine katholische Theologiestudentin in Wien trifft Alisa Ljajic (geboren 1985), eine überzeugte, aber offene Muslimin und serbisch-österreichische Studentin der Kultur- und Sozialanthropologie zufällig im Zug nach Budapest. Spontan entwickelt sich ein Gespräch darüber, worin sich Christentum und Islam ähneln und unterscheiden. Dieses haben sie in dem Buch "Allah Unser" festgehalten. Ihr Ziel: Es soll „zu Verständnis und Frieden zwischen unseren Religionen beitragen“. Sie wissen, welche Gefahren dies birgt: „Sollte sich dadurch jemand in seinen Anschauungen und religiösen Empfindungen verletzt fühlen, bitten wir ihn um Entschuldigung.“

 

"Allah Unser" besteht aus fünf Kapiteln: In den ersten vier stellen Mühl und Ljajic dar, worin bei den Themen "Leben nach dem Tod", "Sinn des Lebens", "Liebe" und "Leid" in Christentum und Islam Gemeinsamkeiten und Unterschiede liegen. Dabei betrachten dies beide von der Warte aus, wie ihnen ihr Glaube die Kraft gab, um einschneidende Erlebnisse in ihrem Leben wie den Krieg in Bosnien 1991 zu bewältigen. Einen rein theologischen Vergleich zwischen Bibel- und Koranstellen sucht man meist vergeblich.

 

In „Liebe“ zum Beispiel erklären die Autorinnen, wie sie trotz anfänglicher Skepsis zu ihrem jetzigen Partner gefunden haben und wie ihnen ihr Glaube dabei hilft, dass sie die Beziehung zu ihren Partnern überhaupt führen können. „Es gibt immer wieder Punkte in Benedikts und meiner Beziehung, an denen sich uns die Frage aufdrängt, ob wir uns nicht besser trennen sollten. In solchen Momenten denke ich an die Beziehung zwischen Gott und mir. Ich bin kein perfekter Mensch, ich mache genug Fehler, für die mich andere Menschen nicht gerade schätzen. Trotzdem liebt mich Gott so, wie ich bin“, so Mühl. Ljajic nennt einen Hadith, in dem auch diese Parallele gezogen wird: "So wie Mann und Frau in gegenseitiger Beziehung stehen, ist auch das Verhältnis zwischen Allah und seinem Diener zu verstehen." Aufgrund solcher gemeinsamen Sichtweisen sagt Mühl im Nachwort: „Diese Reise hat mich gelehrt, dass vor allen Überlegenheitsansprüchen, die Religionen geltend machen, die Begegnung zählt. Die Glaubensinhalte mögen sich unterscheiden, aber in der Weise, wie wir unseren Glauben leben liegt eine große Nähe, aus der in unserem Fall eine tiefe Freundschaft wurde.“

 

„Trotzdem hatten wir beide auch Vorbehalte“

 

Im wichtigsten fünften Kapitel „Vorbehalte“ meistern sie aber erst die größte Herausforderung bravurös: Anstatt zu leugnen, dass sie selbst nach dem langen Gespräch noch Vorbehalte gegenüber der anderen Religion hatten, bekennen sie sich dazu. „In diesen Gedanken lag etwas die Welt Verbindendes. Trotzdem hatten wir beide auch Vorbehalte, die dadurch, dass wir unseren Glauben und vieles von unseren Lebenserfahrungen in der jeweils anderen wiederfanden, nicht kleiner wurden. Vorbehalte, die wir zuerst nicht auszusprechen wagten, vielleicht weil sie uns platt erschienen durch den vielfachen Gebrauch im öffentlichen Dialog zwischen Christentum und Islam.“

 

Was heißt „Allah Unser“?

 

Mit Blick darauf ist auch der Titel „Allah Unser“ in Anspielung auf das „Vater Unser“ zu verstehen: Die theologische Differenz schlechthin zwischen Christentum und Islam ist die Dreifaltigkeit. Im Koran gilt dies als Bruch mit dem Monotheismus. Zugleich gibt es aber auch gerade bei Jesus sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen Bibel und Koran, was Ljajic auch mit Blick auf die Jungfrauengeburt erwähnt, wenn sie aus dem Koran (3, 47) zitiert: „‚Herr, wie sollte ich ein Kind bekommen, wo mich kein Mensch berührt hat?‘, sagte Meryem [Maria] zu Dschibril [Gabriel]. ‚So ist Allah‘, antwortete Dschibril. ‚Er erschafft, was er will. Wenn er eine Sache beschließt, dann sagt er zu ihr nur: Sei! Und da ist sie.‘“ Aufgrund dessen ist Jesus im Koran auch als einzige Person das Wort Gottes (4, 171), aber eben nicht Gottes Sohn. Die Bedeutung von Jesus im Koran macht die Sache dann noch explosiver: Laut Koran haben die Christen sogar die Offenbarung Jesu verfälscht.

 

 

Die Dreifaltigkeit und die 99 Namen Allahs

 

Obwohl sich Christen zurecht beleidigt fühlen können, wenn sie der Mehrgötterei bezichtigt werden, macht Ljajic davor nicht halt, ihre Vorbehalte auszusprechen: „Mag sein, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen unseren Religionen gibt. Trotzdem sind da einige Dinge bei euch, die ich überhaupt nicht verstehe. Zum Beispiel die Sache mit der Dreifaltigkeit.“ Dass Ljajic diesen Satz mit den Gemeinsamkeiten beginnt, ist keine Randnotiz. Es ist viel mehr die Basis, um nach über 100 Seiten Text über diese heiklen Fragen sprechen zu können. ‚Ihr Christen betet zu Gott, dem Vater, zu Jesus, seinem Sohn, und zum Heiligen Geist. Dann sagt ihr, dass ihr wie wir an einen Gott glaubt“, so Ljajic weiter. Sie vermeidet es dabei, als überzeugte Muslimin das Christentum als Mehrgötterei abzuqualifizieren. Sie äußert lediglich, dass sie es nicht versteht.

 

Mühl erklärt ihr die Dreifaltigkeit mit einem Gleichnis: „Es gibt nur ein göttliches Wesen, das sich den Menschen in drei unterschiedlichen Personen nähern kann. Als der Vater, als Jesus, der Sohn, oder als der Heilige Geist. Du kannst dir die Dreifaltigkeit als Kleeblatt vorstellen. Es hat zwar drei Blätter, aber sie bilden miteinander einen Klee. Zu Gott, dem Vater, bete ich als meinem Schöpfer. Zu Jesus bete ich wie zu einem Freund, der mich durch mein Leben begleitet. Er war genauso Mensch, wie ich Mensch bin, und versteht mich deshalb in allen Lebenssituationen. In Jesus begegnet mir Gott sozusagen auf Augenhöhe. Zum Heiligen Geist bete ich als göttlicher Kraft und göttlicher Liebe, die mein Handeln und die Welt leitet. Er ist in mir, in meinem Herzen, wenn ich es zulasse.“

 

 

 

Das Gemeinsame in dem, was trennt

 

Ljajic knüpft daran an. Sie findet sogar was Entsprechendes im Islam: „Bei uns drücken sich die verschiedenen Beziehungen, die wir zu Allah haben können, durch Allahs 99 Namen aus.“ Damit werden im Islam alle Eigenschaften Gottes benannt, die den Menschen bekannt sind. Dazu gehören etwa „der Gnädige, der Barmherzige“. "Alle Beziehungen zwischen Allah und den Muslimen, die darin ausgedrückt sind, gelten ebenso für die Beziehungen zwischen Gott und den Christen", so Mühl daraufhin.

 

Gerade in diesem Kapitel zeigt sich: Man darf sich nicht auf Unterschiede versteifen. Denn wenn man nur diese sucht, wird man in dem, was scheinbar für immer trennt, etwas finden, das verbindet – ohne dabei seine eigene Religion zu verfremden, wie auch Mühl im Nachwort betont. 

von Ziad-Emanuel Farag
   

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