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 Feuilleton
12.02.2013

„O du so wortreich licht und rein“

Buselmeiers Selbstfiktionalisierung in „Dante Deutsch“

2011 urplötzlich eine nationale Größe: Michael Buselmeier / Foto: Ingo Wilhelm

Wie Dante in seiner Göttlichen Komödie ist bei Buselmeier die Biographie im Text für den Leser präsent. Doch der Text und die Biographie stimmen genauso wenig völlig überein. Buselmeier spricht bei seiner Selbstfiktionalisierung vom „Ich und dem anderen Ich“.

Er setzt sich zu sich selber in Distanz, sein Ziel ist laut Nachwort „das Nahe fremd zu machen und das Fremde nah erscheinen zu lassen.“ Das Nahe ist für sprachliche Darstellung immer das konkrete Ereignis, es lässt sich einfach benennen, es hat den Anschein des Wahren. „Zur Straße schräg eingestürzt das Theatergebäude / geborsten die umliegenden Orte der sterblichen Götter / ein Brach- und Trümmerfeld Bombengelände grad / reißt der Kran ein dröhnendes Loch in den Turm“, lautet der Anfang in „Engelsbrot. Eine Klage“ Hier verarbeitet Buselmeier seine Erinnerung daran, wie die Bagger in Heidelberg vor seinen Augen „mein Theater plattgemacht haben“. Dass es um das Heidelberger Theater geht, lässt sich am Text selbst nicht unmittelbar belegen.

Das Ferne aber in der Sprache als einer immer allgemeinen, pauschalen, was eine Er-Innerung erst zu einer solchen macht, sind die subjektiven Sinneseindrücke, Gefühle und Gedanken. Im Gegensatz zu den konkreten Ereignissen sind diese aber wie in „Engelsbrot“ allgegenwärtig. Ein Gedicht wiederum soll also beim Leser zu etwas eigenem werden, eine eigene Erinnerung auslösen oder aber eine solche wieder ins Gedächtnis rufen. Insofern geht Buselmeiers Konzept auf: In seinem Lyrikband finden sich zu einer Fülle an Lebenssituationen wie dem Tod eines Freundes, einer Reise, dem Abriss eines Theaters oder einer lauen, bezirzenden Sommernacht Gedichte, die einen ansprechen, wenn man die jeweilige Grundstimmung auf sich beziehen kann.

Besonders beeindruckend in seinem Band aber ist das Gedicht „Paradies (4)“ aus seinem Zyklus „Dante Deutsch“: „O du so wortreich licht und rein / des Himmels Fels aus Quaderstein / Der strenge Berggrat abgesunken / mit Turm und Taube silbertrunken“. Dieses Gedicht schrieb Buselmeier von einer Dantelesung seiner Schwester gefesselt und spontan inspiriert, ohne den Dante selbst vorher gelesen zu haben. Hier zeigt sich eine kraftvoll-schwebende Leichtigkeit im vierhebigen Jambus. Erhabene, aber dabei schwungvolle Reime, so dynamisch und voller Kraft, wie selten heutzutage. Insofern ist „Dante Deutsch“ Buselmeiers lebensnahes Bekenntnis zur Subjektivität seiner Lyrik und zur Untrennbarkeit zwischen Biographie, Textverfertigung und Rezeption.


Michael Buselmeier. Dante Deutsch. Wunderhorn. 19,95 Euro.

von Ziad-Emanuel Farag
   

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