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 Heidelberg
28.01.2013

„Ein lebbares Vorbild“

Das unsichtbare Andenken an den Heidelberger NS-Gegner Emil Gumbel

Droht vielfach gewĂŒrdigt in Vergessenheit zu geraten: Emil Gumbel. / Foto: Foto: UniversitĂ€tsarchiv Heidelberg, Signatur: UAH Pos I 01131, Jahr der Aufnahme und Fotograf unbekannt.

Vor 80 Jahren musste  der jĂŒdische Mathematik-Professor und Pazifist Emil Julius  Gumbel nach Frankreich ins Exil gehen. Obwohl er 1991 rehabilitiert und geehrt wurde, ist eine Debatte darĂŒber, wie man die Erinnerung an ihn bewahren kann, bitter nötig. Doch wer war eigentlich Emil Gumbel?

Geboren wurde Emil Gumbel am 18. Juli 1891 in MĂŒnchen. 1913 legte er dort sein Diplom in Mathematik und Nationalökonomie ab und erlangte ein Jahr danach den Doktorgrad. Wenige Tage spĂ€ter meldete er sich als Freiwilliger fĂŒr den ersten Weltkrieg. Dadurch  wurde er zum ĂŒberzeugten Pazifisten und Sozialisten.

1922 erscheint sein Werk „Vier Jahre politischer Mord“. In diesem weist er nach, dass politische Morde von rechts in 324 von 356 FĂ€llen seitens der Justiz nicht geahndet wurden, im Gegensatz zu vier von 22 Morden von links.

Daraufhin werden gegen ihn drei Verfahren wegen Landesverrats eingeleitet.  1923 erhĂ€lt er dennoch die Lehrbefugnis an der UniversitĂ€t Heidelberg, die Verfahren werden 1924 wieder eingestellt. Kurze Zeit spĂ€ter ruft er am zehnten Jahrestag des Kriegsbeginns dazu auf, „zwei Minuten zu schweigen“, um der Toten des Ersten Weltkriegs zu gedenken, die nicht „auf dem Felde der Unehre, aber auf grĂ€ĂŸliche Weise gestorben sind“. Der vorwiegend nationalsozialistische AStA ist empört, Gumbel wird daraufhin vorlĂ€ufig vom Dienst suspendiert, 1930 aber Gumbel aufgrund seiner LehrtĂ€tigkeit vom Kultusminister zum außerplanmĂ€ĂŸigen Professor fĂŒr Statistik ernannt.

Am 27. Mai 1932  Ă€ußert Gumbel. eine KohlrĂŒbe eigne sich besser als Denkmal als eine leicht bekleidete Jungfrau mit einer Siegespalme und bezog sich auf den Winter 1917/18.Damals erlitten 700?000 Deutsche den Hungertod. Die KohlrĂŒbe war in dieser Zeit Hauptnahrungsmittel. „1932 hatte daraufhin die UniversitĂ€t Heidelberg auf Druck rechtsradikaler Studenten Gumbel die außerplanmĂ€ĂŸige Professur fĂŒr Statistik entzogen“, so Micha Brumlik, von 1991 bis 2000 Professor fĂŒr  Erziehungswissenschaft in Heidelberg, aktuell in Frankfurt mit einem Schwerpunkt in der Aufarbeitung des Nationalsozialismus tĂ€tig.

Gumbel begab sich daraufhin nach Frankreich ins Exil. Am 7. MĂ€rz 1933 wird nach der „Machtergreifung“ gegen ihn ein Haftbefehl erlassen, sein Haus geplĂŒndert und sein Vermögen beschlagnahmt. So war er, lĂ€ngst im Exil, 1933 auf der ersten AusbĂŒrgerungsliste.

Gumbel verließ 1940 endgĂŒltig Europa und begab sich in die USA.  â€žBesonders beschĂ€mend ist fĂŒr die UniversitĂ€t Heidelberg, dass sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht in der Lage sah, Gumbel, der nach Deutschland zurĂŒckkehren wollte, eine Professur anzubieten“, so Brumlik.  Immerhin erklagte er sich ab 1956 die Pension eines Ordinarius. Emil Gumbel starb 1966 als Amerikaner.

Als Wissenschaftler rehabilitiert wurde Gumbel  1991 auf der GedĂ€chtnisfeier anlĂ€sslich seines 100. Geburtstages. Auch in zahlreichen Publikationen wird Emil Gumbel vielfach erwĂ€hnt.

Das Problem ist aber: Nichts an der UniversitĂ€t weist auf Gumbel hin, weder eine Ehrentafel noch etwa ein Hörsaal, wenn man nicht ohnehin schon von ihm weiß.  Hierzu Brumlik: „Ich glaube, dass es der UniversitĂ€t Heidelberg gut anstehen wĂŒrde, in diesem  Jahr, 2013, Emil Julius Gumbel an einem prominenten Ort eine gut sichtbare Ehrung und Erinnerung zu widmen. Zumal heute, nach den  NSU-Morden, die eine rechtsextremistische Gefahr fĂŒr diese Demokratie darstellen, ein Gedenken an Gumbel die SensibilitĂ€t und Aufmerksamkeit der Studierenden auf diese Thematik schĂ€rfen wie ihnen ein lebbares Vorbild fĂŒr Zivilcourage vermitteln kann.“

Marietta Furhmann-Koch, Leiterin der Abteilung Kommunikation und Marketing, signalisiert hierzu: „Weitere Formen, an ihn zu erinnern, sind denkbar. Dies sollte jedoch nicht zentral vorgegeben werden, sondern aus der Mitte der UniversitĂ€t heraus getragen werden. Mitglieder der Ruperto Carola, wie die Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeiter oder Studierenden mĂŒssten hier die Initiative ergreifen. Eine weitere WĂŒrdigung ohne einen solchen Konsens wĂŒrde Emil Gumbel nicht gerecht.“ Nun bleibt zu hoffen, dass Mitglieder der UniversitĂ€t diese Chance nutzen.

von Ziad-Emanuel Farag
   

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