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 Heidelberg
17.06.2013

Salatkopf to go

Urbane GĂ€rtner bauen Obst und GemĂŒse an, das sich jeder mitnehmen darf – und soll

Auch vor den Breidenbach Studios wĂ€chst in Körben, SĂ€cken und Kisten frisches Obst und GemĂŒse zum Selberernten. / Foto: Marlene Kleiner.

Es ist ein Dienstagabend, einige Mitglieder der Gruppe Essbares Heidelberg sitzen schon im selbstverwalteten Studentenhaus der PĂ€dagogischen Hochschule, dem sogenannten Zep, zusammen.

Auf dem Tisch steht eine große SchĂŒssel Spaghetti, jemand hat selbstgemachtes BĂ€rlauch-Pesto mitgebracht. WĂ€hrend nach und nach die restlichen Teilnehmer der wöchentlichen Sitzung eintrudeln, erklĂ€ren die Anwesenden schon einmal allen Neuen und Interessierten, worum es geht. 

"Wir suchen im Stadtgebiet von Heidelberg nach ungenutzen GrĂŒnflĂ€chen, auf denen wir Obst und GemĂŒse anpflanzen können", erklĂ€rt Manuel und nimmt sich noch Nudeln. "Dass dann mitten in der Stadt plötzlich was wachsen kann, das finden wir toll!"

Doch es soll nicht nur wachsen – es soll auch jeder etwas davon haben, zumindest theoretisch. Das Prinzip Urban Gardening sieht vor, dass Passanten an den Beeten in ihrer Umgebung jederzeit ernten können und das auch tun. Der erste Salatkopf ist schon vom Beet verschwunden – eine Nachricht, die in der Gruppe Begeisterung auslöst. "Das ist der Idealfall: Jemand lĂ€uft vorbei, sieht unser GemĂŒse und nimmt sich was mit, einfach so!", freuen sich die HobbygĂ€rtner.

Um so möglichst vielen Menschen zu kostenlosem Salat zu verhelfen, sind sie stĂ€ndig auf der Suche nach neuen FlĂ€chen, auf denen sie ihre Idee verwirklichen können. Ist ein Beet gefunden und die Genehmigung vom Besitzer eingeholt, geht die körperliche Arbeit los. "Die meisten FlĂ€chen sind total verwildert und mĂŒssen zuerst mit viel MĂŒhe von Unkraut und GestrĂŒpp befreit werden – und wir sind ja alle keine GĂ€rtner", erklĂ€rt Manuel. Drei Beete hat die Gruppe aus Studenten, BerufstĂ€tigen und Rentnern dieses Jahr schon bepflanzt, weitere stehen in Aussicht. Erde, Saatgut und GartengerĂ€te sind zum grĂ¶ĂŸten Teil Sachspenden. Mit einem Waffelverkauf auf dem Wochenmarkt in der Weststadt haben sich die Mitstreiter von Essbares Heidelberg inzwischen zusĂ€tzlich eine finanzielle Grundlage geschaffen. Außerdem ist eine VereinsgrĂŒndung geplant, nach der dann auch ein Spendenkonto eingerichtet werden soll.

"Wir wollen die Menschen zum Nachdenken bringen"

Die RĂŒckmeldungen von Passanten sind ĂŒberwiegend positiv, die Idee des gemeinschaftlichen eigenen Gartens in der Öffentlichkeit kommt gut an. Nur vereinzelt Ă€ußern Skeptiker schwache Bedenken, ob das GemĂŒse denn ĂŒberhaupt essbar sei – immerhin liegen die meisten Beete nicht weit von stark befahrenen Straßen entfernt. Mit diesem Kritikpunkt kann die Gruppe offenbar gut leben, immerhin ist niemand gezwungen, ihren Ertrag zu konsumieren und viele private GĂ€rten haben Ă€hnliche Probleme. Auch der naheliegende Vorwurf der fehlenden Effizienz kann die Motivation und gute Laune der Gruppe nicht trĂŒben. "Effizientes Wirtschaften ist ĂŒberhaupt nicht unser Ziel. Wir wollen die Menschen mit unseren Beeten zum Nachdenken bringen."

Nachgedacht wird ĂŒber Urban Gardening in Heidelberg zur Zeit an vielen Stellen. Nicht nur verschiedene Initiativen wie die Solidarische Landwirtschaft, die gemeinnĂŒtzige GĂ€rtnerei Wildwuchs oder die studentische Lebensmittelkooperative Appel un‘ Ei arbeiten an neuen Konzepten, auch im Gemeinderat ist das Thema bereits angekommen. 

Dort haben Generation HD, GrĂŒne und Bunte Linke bereits im vergangenen Jahr einen Antrag gestellt, in dem FlĂ€chen fĂŒr Urban Gardening im Stadtgebiet von Heidelberg gefordert werden. Angedacht war ein Projekt am Großen Ochsenkopf, einer seit zehn Jahren brachliegenden FlĂ€che im Stadtteil Wieblingen, die frĂŒher bereits kleingĂ€rtnerisch genutzt wurde. Bei der Abstimmung im Dezember sprachen sich 18 Gemeinderatsmitglieder fĂŒr das Projekt aus, 19 dagegen, drei enthielten sich. GrĂŒnde fĂŒr die Gegenstimmen seien in erster Linie mangelndes Interesse der BĂŒrger und Angst vor einer Etablierung des eigentlich temporĂ€ren Projekts gewesen, die mittelfristig einer wirtschaftlichen Nutzung des GelĂ€ndes im Wege stehen könnte. Auch unter UmstĂ€nden anfallende Kosten fĂŒr die Stadt hĂ€tten viele abgeschreckt, so Stadtrat Derek Cofie-Nunoo von Generation HD, der den Antrag initiiert hat.

Ein Tropfen auf den heißen Stein

Am 24. Juli, nach Ablauf der benötigten sechs Monate, soll nun erneut ĂŒber den Antrag abgestimmt werden. Cofie-Nunoo hofft auf ein positives Ergebnis: "Wir haben sichtbar und erlebbar gemacht, dass Urban Gardening auch in Heidelberg gefragt ist. Außerdem sind wir inzwischen sehr gut vernetzt und haben viel positive Resonanz erhalten."

Die urbanen GĂ€rtner von Essbares Heidelberg wollen mit ihren Beeten helfen, das Interesse der BĂŒrger am Selbermachen und -ernten zu steigern. Inzwischen ist das BĂ€rlauch-Pesto leer, die Sitzung jedoch noch lange nicht vorbei. Auf der Liste steht unter anderem noch die Organisation von Wildobsttouren in den Stadtteilen, bei denen auf allerlei Essbares am Wegesrand aufmerksam gemacht wird.

In Sachen Nachhaltigkeit sind all die Beete und Aktionen natĂŒrlich nur Tropfen auf den heißen Stein, das ist auch den Mitgliedern von Essbares Heidelberg bewusst. Sie schöpfen ihre Motivation aus der Lust am Selbermachen, dem Spaß an körperlicher Arbeit nach einem langen Tag am Schreibtisch und der Hoffnung, den ein oder anderen Passanten zum Nachdenken zu bringen. So können sie vielleicht doch etwas bewegen – sei es auch nur im Kleinen.

von Marlene Kleiner
   

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