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 Feuilleton
18.06.2013

Irritation, part of life

Ausstellung "Right Brain Problems" im Heidelberger Kunstverein

Babette Mangolte, Stuart Sherman: "The Eleventh Spectacle (The Erotic)", 1978. / Foto: Babette Mangolte, Courtesy of the Artists and Broadway 1602, New York.

Schon beim Betreten der Halle vernimmt man das anstrengende Geräusch einer Autohupe, das alle zehn Minuten für 30 Sekunden ertönt.

Sieben Fernseher stehen verteilt im Raum, an den Wänden hängen Fotos und Collagen. Aus dem hinteren Teil der Halle dringen Musik und Sprachfetzen aus drei verschiedenen Filmen.

 

"Right Brain Problems" ist, der Avantgarde- und Performance-Kunst entsprechend, keine gewöhnliche Ausstellung – und keine, die leicht zu verarbeiten ist. Stuart Shermans Videos sind der Hauptgegenstand der Ausstellung, die neben anderen Arbeiten des Künstlers auch denjenigen Platz bietet, die sich auf ihn beziehen oder stark von ihm beeinflusst wurden. Die daraus folgende Heterogenität erzeugt bisweilen Verwirrung, doch eines ist den meisten Werken gemein: Ein verschrobener, trockener Humor, ein komisches Spiel mit Alltäglichem.

 

So kopflastig Shermans Kunst ist, ist sie doch immer spielerisch, musikalisch oder selbstreferentiell. "The Discovery of the Phonograph" zum Beispiel besteht zu einem Großteil aus Chansons und und alten Popsongs, gepaart mit Aufnahmen von Großstädten, bei denen die Kamera sich wie eine Schallplatte dreht. Wenn die visuelle Nadel abspringt und die Kamera aufhört, herumzuwirbeln, läuft der Künstler selbst ins Bild und "hilft" dem Kameramann, das Video wieder in Gang zu bringen.

 

In "Berlin Tour", dem zweiten der beiden längeren Filme, die in einem der hinteren Räume laufen, werden verschiedene Menschen (unter ihnen Sherman selbst) durch die damalige Hauptstadt der DDR gefahren. Sie singen ein Lied über Berlin mit von Sherman geschriebenem Text. Im zweiten Teil erzählt jeder Schauspieler, was er von Berlin hält, dabei wechseln sich Schauspieler mit einer Erzählstimme aus dem Off ab. Nach und nach steigert sich das Ganze zu einer audio-visuellen Kakophonie, Kommentaren zum "dynamischen, weltoffenen Berlin" und der "freien Entwicklung" der Stadt werden triste Bilder von Pflastersteinen unterlegt. Der präzise abgestimmte Kurzfilm zeigt, nicht wenig beeindruckend, Shermans Sicht auf die "Mauerstadt der Gegensätze".

 

Viele der kürzeren Videos sind sogar noch konzeptueller und erinnern teilweise an die Experimentalfilmerin Maya Deren. Surreale, simplifizierte und dadurch unlogische Schlussfolgerungen – dem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung ist kalt, nachdem das Telefon für fünf Minuten im Kühlschrank gelegen hat – sind lustig, teilweise auch gewollt kindisch. Oft genug sind die Videos jedoch einfach trocken humorvoll. In "Cheers!" erklärt Sherman das Konzept des gerade laufenden Videos; in "Don't hang up on me, I'm freezing" erwähnt er nebenher, wie seine Kunst zu verstehen ist: "Diese Verwirrung, sie ist ein Teil des Lebens." Ebenjene Verwirrung lässt sich allerdings meist nicht deuten, Shermans Kunst wirkt mitunter willkürlich und milde verstörend.

 

Bedauerlicherweise können sich die Werke der übrigen Künstler nicht mit dem Vorbild messen. Bisweilen fehlt der Bezug, manches erschließt sich dem Besucher nicht, der sich nicht ausgiebig mit Shermans Kunst auskennt. "Tuning", eine Installation von Serge Baghdassarians und Boris Baltschun, kombiniert einen herumliegenden Rundballon mit einem Video, in dem sich ein solcher Ballon in einem Auto so weit aufbläst, bis er die Hupe betätigt und kurz darauf zerplatzt. Sie stützt sich auf das Repetitive in Stuart Shermans Kunst, lässt dabei jedoch den Sinn für Entertainment und Dialogizität vermissen, der sich entspannend durch seine verkopften Filme zieht.

 

Abgesehen von den Videoinstallationen zeigt "Right Brain Problems" auch einige Kunstwerke in anderen Formaten: Babette Mangoltes Fotografien von Shermans "Spectacles", Scripts und Collagen sowie minimalistische Zeichnung ähnlich denen von Piet Mondrian. Die Collagen sind gewitzt und teilweise noch besser als das restliche Werk des 2001 an Aids verstorbenen Künstlers. Das Oeuvre Shermans bleibt im Ganzen vorwiegend auf konzeptueller Ebene und implantiert die "Right Brain Problems" in die Köpfe der Zuschauer. Schafft man es, die vermeintlichen Probleme zu lösen, findet man in seiner Kunst wenn schon nicht Befriedigung, so zumindest Unterhaltung.

 


Right Brain Problems

Heidelberger Kunstverein

Hauptstraße 97

Noch bis 23. Juni 2013

Eintritt: 2 Euro

von Philipp Fischer
   

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