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 Feuilleton
30.01.2007

Inzest, Machtkampf, Tod!

„Oedipus auf Kolonos“ auf der StĂ€dtischen BĂŒhne

Macht, Schuld und Moral stehen im Zentrum von Sophokles‘ Tragödie „Oedipus auf Kolonos“, die auf der StĂ€dtischen BĂŒhne in einer Übertragung von Walter Jens gespielt wird: Zehn Jahre sind vergangen, seitdem sich Oedipus selbst blendete, nachdem er erfahren musste, dass er unwissentlich den eigenen Vater ermordet und seine Mutter geehelicht hat. Nun zieht er, von seiner Tochter Antigone gefĂŒhrt, als blinder Bettler ziellos durch die Lande, gebrochen an der Schuld, die er ohne Absicht auf sich gebracht hat.

Bild: StĂ€dtische BĂŒhne HDIn Kolonos angekommen, glaubt Oedipus endlich den heiligen Hain gefunden zu haben, an dem er in Frieden und Vergebung vor den Göttern sterben kann, so wie es ihm prophezeit wurde. Doch die BĂŒrger von Kolonos argwöhnen, dass Oedipus‘ Schuld ihrer Stadt Gefahren und UnglĂŒck bringt.

Die Angst des Volkes vor dem Fremden, dem Andersartigen wird zum Politikum: Soll man dem Schuldigen Asyl gewĂ€hren oder dem misstrauischen Volk nachgeben, das den Verfluchten nicht bei sich haben will? Theseus, der Herrscher von Kolonos, setzt ein Bleiberecht fĂŒr Oedipus durch.

In die Freude ĂŒber die neu gewonnene Heimat platzt die Nachricht, dass in Theben zwischen Oedipus‘ Söhnen ein Streit um die Herrschaft ĂŒber die Stadt entbrannt ist. Schon planen beide kriegerische Auseinandersetzungen. Ein neues Orakel verschĂ€rft den Konflikt: Es besagt, dass derjenige, der Oedipus bei sich hat, sei es nun lebendig oder tot, siegreich bleiben wird. Dies ruft Kreon, Oedipus‘ Schwager und neuen Herrscher von Theben, auf den Plan. Er will Oedipus zurĂŒck nach Theben holen, wenn nötig auch mit Gewalt...

In Theseus und Kreon grenzen sich zwei Herrschertypen voneinander ab: der eine gĂŒtig, vorausschauend und pragmatisch, der andere amoralisch und selbstgerecht. Sophokles‘ Standpunkt ist ĂŒberdeutlich: Nur der „gute Herrscher“ Theseus kann das misstrauische, anfangs fremdenfeindliche Volk fĂŒr sich gewinnen.

Zusammen mit den weitaus bekannteren Tragödien „Antigone“ und „König Oedipus“ aus Sophokles‘ Feder bildet „Oedipus auf Kolonos“ eine Trilogie, die sowohl das persönliche Schicksal der Figuren thematisiert als auch politische und gesellschaftliche Fragen aufwirft.

Walter Jens‘ Übertragung in modernes, leicht verstĂ€ndliches Deutsch lĂ€sst diese hochaktuell erscheinen. Dabei ist es Jens gelungen, die sprachliche Rhythmik der Originalfassung zu bewahren. Auch die Inszenierung unter Regie von Corinna Bethge spart sich jede Historisierung des Stoffes, so dass sich die in „Oedipus auf Kolonos“ verhandelten moralischen Fragen dem Zuschauer im Licht aktueller gesellschaftlicher Debatten stellen. Das BĂŒhnenbild, von Vinzenz Gertler in moderner Schlichtheit gestaltet, ohne dabei karg zu wirken, umrahmt den politischen Machtkampf auf der BĂŒhne ebenso zeitlos.

Christian Schulz brilliert in der Rolle des Oedipus, doch neben ihm verblasst die ĂŒbrige Besetzung stellenweise. Auf der StĂ€dtischen BĂŒhne wird der gesamte Oedipus-Mythos in der Bearbeitung von Walter Jens und jeweils gleicher Besetzung zu sehen sein: „König Oedipus“, im letzten Jahr stĂŒrmisch gefeiert, wird ab MĂ€rz wieder aufgefĂŒhrt, und im nĂ€chsten Jahr wird mit „Antigone“ die Geschichte zuende erzĂ€hlt.

von Helga Rietz
   

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