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14.06.2007

„Irgendwann muss man mal raus!“

Die letzten Indianer der Republik - Die Sorben

„Gibt es in Deutschland noch Indianer?“ fragt Jadwiga Mahling in der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) in die Runde. Es ist Mittwoch, Vortragsabend. Jadwiga Mahling und Simon Weber sind gekommen, um vor dem bunt zusammengewürfelten Publikum die letzten Mohikaner der Republik vorzustellen.

„Gibt es in Deutschland noch Indianer?“ fragt Jadwiga Mahling in der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) in die Runde. Es ist Mittwoch, Vortragsabend. Jadwiga Mahling und Simon Weber sind gekommen, um vor dem bunt zusammengewürfelten Publikum die letzten Mohikaner der Republik vorzustellen.

Die Rede ist von den Sorben, einer slawischen Volksgruppe, die ihre Heimat in der Ober- und Niederlausitz hat, in einem Gebiet zwischen den Städten Bautzen und Cottbus. Das Volk ist, inoffiziell geschätzt, mit seinen 20.000 Vertretern kleiner als die Zahl der Heidelberger Studenten und dennoch zweigeteilt in die Ober- und Niedersorben, die jeweils ihre eigene Sprache sprechen.

Jadwiga ist Obersorbin. Zu Hause spricht sie obersorbisch, eine mit dem Tschechischen verwandte Sprache, doch ebenso akzentfrei spricht sie deutsch. Sie war auf dem obersorbischen Gymnasium in Bautzen und hatte Sorbisch und Physik als Leistungskurs. Auf die Frage aus dem Publikum, warum sie denn nicht Sorabistik in Leipzig studiert hätte, erwidert sie schlagfertig: „Irgendwann muss man ja auch mal raus!“

Für Simon ging es vor anderthalb Jahren erst einmal darum „reinzukommen“. Eigentlich Student der Judaistik, lernt er seit anderthalb Jahren Obersorbisch im Selbststudium, was für ihn mehr ist als nur ein Hobby. Sorbisch zu können, heißt, sich irgendwann auch als Sorbe zu fühlen und das Germanentum ein wenig hinter sich zu lassen. Die Frage, ab wann genau man Sorbe sei, wird an diesem Abend heiß diskutiert. Es sei womöglich „ein Gefühl“, sagt Jadwiga, denn einen Hinweis im Pass gibt es nicht.

Dass Jadwiga sich für ein evangelisches Theologiestudium entschieden hat, führt sie wahrscheinlich wieder in ihre Heimat zurück. Als einzige evangelische Theologiestudentin ihres Clans ist sie zugleich Hoffnungsträgerin für das Fortbestehen evangelischer Gottesdienste in sorbischer Sprache.

Dabei ist es keineswegs üblich, dass junge Sorben sich nach dem Studium für eine Rückkehr in ihre Heimat entscheiden. Die hohe Arbeitslosigkeit in den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands trägt das Ihre dazu bei. Hinzu kommt die Expansion der Braunkohle-Tagebaue in „Sorbistan“, dem ganze Dörfer zum Opfer fallen. Jadwiga bemängelt den geringen Zusammenhalt ihrer Stammesgenossen, wenn es um den Protest gegen den Bagger geht. Doch ist nicht zu verkennen, dass ihr der Erhalt des Sorbischen eine Herzensangelegenheit ist, die sie vielen Leuten mitteilen möchte.

von Cosima Stawenow
   

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