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 Meinung
15.05.2007

Freiheit und Sicherheit

Neuer Terrorschutz – bleibt der Rechtsstaat intakt?

Wolfgang Schäuble will Deutschland sicherer machen: Vor dem Hinter­grund einer realistischen Bedrohung durch Terroranschläge in Deutschland plant der Bundesinnenminister eine schärfere Sicherheitsgesetzgebung. Online-Durchsuchung, biometrische Daten und erweiterte Rasterfahndung sollen eine effektivere Terrorbekämpfung ermöglichen. Gleichzeitig sehen Datenschützer die Wahrung der Persönlichkeitsrechte durch die neue Gesetzesvorlage gefährdet.

Wolfgang Schäuble will Deutschland sicherer machen: Vor dem Hinter­grund einer realistischen Bedrohung durch Terroranschläge in Deutschland plant der Bundesinnenminister eine schärfere Sicherheitsgesetzgebung. Online-Durchsuchung, biometrische Daten und erweiterte Rasterfahndung sollen eine effektivere Terrorbekämpfung ermöglichen. Gleichzeitig sehen Datenschützer die Wahrung der Persönlichkeitsrechte durch die neue Gesetzesvorlage gefährdet.

JA

Wolfgang Bosbach,
Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Wenn der Staat auf neue Formen der Bedrohung unserer Sicherheit nicht angemessen reagiert, dann ist auch unsere Freiheit in Gefahr.
Die Menschen erwarten vom freiheitlichen Verfassungsstaat, dass er kein Nachtwächterstaat ist, sondern Sicherheit gewährleisten kann. Wem es ernst damit ist, dass das Grundgesetz stabil ist, dass es die Unterstützung der großen Mehrheit der Bevölkerung behält, dass der Extremismus, ob von links oder von rechts keine Chance in diesem Land hat, der muss dafür sorgen, dass der Staat Gefahren erkennt und – wo vorhanden – Schutzlücken schließt.

Dabei denkt keiner daran, auf deutschem Boden wieder einen neuen Überwachungsstaat zu etablieren, wie wir ihn gerade vor 17 Jahren abgeschafft haben. Man darf vor allen Dingen nicht Freiheit und Sicherheit gegenetinander ausspielen. Sicherheit ist Voraussetzung der Freiheit. Es gibt keine Freiheit ohne Sicherheit. Freiheit und Sicherheit gehören zusammen. Wo eines von beiden zu kurz kommt, wird man nicht gerne leben wollen. Wer Sicherheit ohne Rücksicht auf die Freiheitsrechte schaffen will, macht sich auf den Weg in die Unfreiheit.

Dabei ist es die zentrale Aufgabe des Rechtsstaates, die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten, damit sie in Frieden und Freiheit leben können. Hier liegt sein zentrales Bewährungsfeld. Versagt er hier, stellt er seine Legitimität in Frage.

Die Freiheitsrechte und das Grundgesetz sind nicht sicherheitsblind. Die Grundrechte des Grundgesetzes sind nicht schrankenlos, sondern immer ins Verhältnis zu setzen zu den Grundrechten anderer und sonstiger Verfassungswerte. Einerseits muss um der Sicherheit willen der Einzelne Beeinträchtigungen seiner Freiheit durch Überprüfungen und Kontrollen hinnehmen. Auf der anderen Seite muss der Rechtsstaat auf manche theoretisch denkbare, möglicherweise effektive Mittel der Verbrechensbekämpfung um der Freiheit willen verzichten.

Beispiel: „Online-Durchsuchung“. Hier geht es um die Nutzung von neuen technischen Möglichkeiten, die die technische Fortentwicklung mit sich bringt. Das Internet eröffnet völlig neue Formen der Kriminalität. Dabei sind Verbrecher den Sicherheitsbehörden oft voraus. Bei der „Online-Durchsuchung“ ist es völlig absurd, auch nur annäherungsweise den Eindruck zu erwecken, dass der Bundesinnenminister oder die Koalition planen würden, sich über jede Festplatte eines Bürgers zu beugen, um mitlesen zu können, was dort geschrieben wird.

Wie bei der Telefonüberwachung werden 99 Prozent der Bevölkerung niemals von einer solchen Maßnahme betroffen sein. Vielmehr geht es um die Sicherung sogenannter flüchtiger Beweise bei schweren Verbrechen und Terrorismus. Ein Mausklick genügt, und schon ist der Beweis vernichtet. Wenn erst komplexe Verschlüsselungsprogramme eingesetzt worden sind, ist es den Ermittlungsbehörden kaum noch möglich, die Daten auszulesen. Daher müssen wir den Behörden, denen wir unsere Sicherheit anvertrauen, die Instrumente geben, vorher entsprechend tätig zu werden, Gefahren zu erkennen und abzuwehren.

Dass wir dabei die Grenzen des Rechtsstaats beachten müssen – nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip muss jede Maßnahme notwendig und geeignet sein und hat sich an den Grundsätzen der Verfassung zu orientieren – ist dabei ganz selbstverständlich. Daher steht für mich völlig außer Frage, dass die Balance zwischen dem Schutz des Bürgers und ihrer Freiheit durch die geplanten Sicherheitsgesetze gewahrt bleibt.



NEIN

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion


Sicherheit entsteht nicht durch eine Vielzahl an Gesetzen, sondern durch ihre Wirksamkeit. Und das bedeutet eben nicht, jeden Tag neue Gesetzesverschärfungen vorzuschlagen oder umzusetzen. Diesen Weg beschreitet aber Bundesinnenminister Schäuble.

Mautdaten sollen zur Kriminalitätsbekämpfung genutzt und die Bundeswehr im Inneren eingesetzt werden. Am liebsten wäre es Wolfgang Schäuble, er könnte eine Vorratsdatenspeicherung von Fingerabdrücken einführen. Heimliche Online-Durchsuchungen privater PCs wurden auf einer unzulässigen Rechtsgrundlage durchgeführt und sollen künftig möglich sein. Die Liste des Schäuble-Katalogs wird jeden Tag länger und scheint jedes Maß zu verlieren. Immer mehr Eingriffsbefugnisse für Polizei und Sicherheitsdienste, die auf immer mehr Daten zugreifen können, mehr fiel der Regierung Schröder nach dem 11. September nicht ein. Stets wurde dabei beschwichtigt.

Bei der nimmersatten Datensammelwut des Staates wird immer von einer strengen Zweckbindung gesprochen. Nur wird die gerne beiseite gewischt. Vielleicht erinnern Sie sich: Die vor kurzem wirksam gewordene Regelungen zur Aufnahme digitalisierter Lichtbilder in den Passdokumenten konnte nur deshalb mit Mehrheit im Bundestag beschlossen werden, weil sie an eine Bedingung geknüpft wurde. Die Digitalfotos sollten nur der Fälschungssicherheit dienen und nicht in einer Zentraldatei gespeichert werden. Diese Bedingung für die mehrheitliche Zustimmung des Bundestages soll nach dem Willen des Innenministers jetzt ihre Gültigkeit verlieren.

Stattdessen sollen in Zukunft die biometrischen Merkmale aller Passinhaber gespeichert und dem automatischen direkten Zugriff zum Zwecke der Strafverfolgung und vielleicht zur Gefahrenabwehr den Sicherheitsbehörden zugänglich gemacht werden. Ein solcher automatisierter Zugriff ist gefährlich. Bei einer einzelnen Abfrage ist der immer größer werdende Datenbestand nicht ohne weiteres zugänglich – und damit auch stärker gegen Missbrauch geschützt. Wenn erstmal die zentrale Foto-Datei vorhanden ist, führt das in Zukunft wohl zu einer zentrale Erfassung der gesamten DNA aller Bürger.

Eine intelligente Sicherheitspolitik sieht anders aus.

Eingriffsmaßnahmen des Staates finden ihre Grenze an dem unantastbaren Kernbereich der Privat- und Persönlichkeitssphäre eines jeden Einzelnen. Das fordern das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgericht. Der Einzelne darf nicht zum Objekt staatlichen Handelns werden. Was nutzt die Datensammelwut und dauernd neue Gesetze, wenn nicht einmal genügend Polizisten vorhanden sind? Warum gibt es keine Strukturreformen der Polizei, der Kriminalämter der Länder und des Bundes, der Verfassungsschutzbehörden und des Bundesnachrichtendienstes? Solche Strukturreformen sind seit Jahren überfällig. Eine bessere personelle und sachliche Ausstattung ist dabei nur der Anfang.

Die politisch Verantwortlichen dürfen die Einführung von technischen Neuerungen wie des dringend benötigten Digitalfunks nicht länger verzögern. Vor diesem Hintergrund ist es um so fahrlässiger, immer mehr Polizeidienststellen zu schließen und gleichzeitig die Bundeswehr im Inneren einsetzen zu wollen. Internationaler Terrorismus und organisierte Kriminalität können unsere Freiheit bedrohen. Doch Freiheit ist nicht nur dadurch gefährdet.

Es sind oft die demokratischen Staaten selbst, die mit einer falschen Sicherheitspolitik schleichend Freiheitsrechte abbauen.


von Alexander Graf, Fabian Wennemer
   

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