Dies ist ein Archiv der ruprecht-Webseiten, wie sie bis zum 12.10.2013 bestanden. Die aktuelle Seite findet sich auf https://www.ruprecht.de

ruprecht-Logo Banner
ruprecht/Schlagloch-doppelkeks-Jubiläum
Am 13.10. feiern wir 25 Jahre ruprecht/Schlagloch und 10 Jahre doppelkeks [...mehr]
ruprecht auf Facebook
Der aktuelle ruprecht
ruprecht vor 10 Jahren
Andere Studizeitungen
ruprechts Liste von Studierendenzeitungen im deutschsprachigen Raum
ruprecht-RSS
ruprecht-Nachrichten per RSS-Feed
 Feuilleton
23.01.2008

Jenseits rein musikalischer Dimensionen

Die österreichische Komponistin Olga Neuwirth gewinnt den Heidelberger Künstlerinnenpreis

Eine Komposition wie ein Gewitter: Das Heidelberger Philharmonische Orchester führte Olga Neuwirths Stück "... miramondo multiplo ..." auf und kommunizierte dabei meisterlich mit dem Solisten William Forman.

Olga Neuwirth schockiert. Und zwar so gut, dass sie dafür den Heidelberger Künstlerinnenpreis bekam, wie beim vierten Philharmonischen Konzert in der Heidelberger Stadthalle geschehen.


Die Komposition der österreichischen Künstlerin stürmte gleichsam durch den Konzertsaal und durch die Köpfe des Publikums. In den Kontrast des Rahmenprogramms aus Händels Oper „Rinaldo“ und Mendelssohn Bartholdys „Schottischer“ Symphonie gespannt, erklangen nicht etwa melodische, barocke Klänge von mitunter ergreifender Melancholie oder tragende, romantische Weisen, die durch die neblige Landschaft Schottlands schweben. Im Gegenteil! Die Trompete des Solisten William Forman zerriss die Luft beinahe wie ein Donnerschlag.

Dieser holte das Publikum in das große Experiment Gegenwart zurück; weckte es auf, zwang es beinahe zu einer intellektuellen Auseinandersetzung mit den zunächst fremden, aber bald seltsam vertrauten (weil zeitgenössischen), Klängen und Tönen, die das Orchester im stetigen Diskurs mit Forman erschallen ließ.

Neuwirths Musik regt unmittelbar zur Interpretation an, so heftig wirkt das scheinbar wilde Tongewitter auf die Ohren. Der Dialog Solotrompete - Orchester bestimmt dabei das klangliche Geschehen, erscheint oftmals unharmonisch, die Grenze zwischen Klang und Geräusch auslotend. Mal übertönt die geballte Wucht des Ensembles das einzelne Instrument, mal lassen sich individuelle Stimmen ausmachen.

Mal gibt die Trompete eine Melodie vor, mal das Orchester, zwischendurch weht eine Händelvariation hinein. Im Zentrum des Stücks stehen die „verschiedenartigen Beziehungen zwischen dem Individuum und der Gruppe, nicht auf Wettstreit, sondern auf Kooperation, Demokratisierung und genauem gemeinsamen Zuhören basierend“, so Neuwirth.

Musik auf Begriffe gebracht. Begriffe, die ebenso gut einer Abhandlung über Ethik oder Politik entstammen könnten. Neuwirth setzt mit ihrer Komposition „… miramondo multiplo …“ eine deutliche Aussage jenseits rein musikalischer Dimensionen, indem sie sich dabei virtuos der Möglichkeiten des Mediums bedient. Ihre künstlerische Botschaft will die Vielfältigkeit der Perspektiven im Akt des Betrachtens der Welt aufzeigen. Und wenn dabei zuletzt der Solist das Wort hat, so triumphiert er nicht über das Orchester, vielmehr komponiert Neuwirth eine weitere Metapher: Respekt vor der Individualität jedes Menschen.

Neuwirths Schocktherapie wirkt und gewann zu Recht den Heidelberger Künstlerinnenpreis. Durch die glänzenden Leistungen Formans, des Dirigenten Dietger Holm und des Philharmonischen Orchesters der Stadt Heidelberg, die den musikalischen Sturm meisterhaft zwischen Händel und Mendelssohn Bartholdy einbetteten, bleibt die deutsche Erstaufführung in Heidelberg eine bleibende Impression.

von Armin Ulm
   

Archiv Movies 2024 | 2023 | 2022 | 2021 | 2020 | 2019 | 2018 | 2017 | 2016 | 2015 | 2014 | 2013 | 2012 | 2011 | 2010 | 2009 | 2008 | 2007 | 2006 | 2005 | 2004