28.01.2008
Heidelberger Verhüllung
1969 verpackte Christo das DAI und musste bald einpacken
Im Mai 1969 gab es in Heidelberg eine lang vergessene Premiere: Der Verpackungskünstler Christo verhüllte das Deutsch-Amerikanische Institut. Seine erste Gebäudeverhüllung war ebenso umstritten, wie die des Berliner Reichstags.
Ende der 60er Jahre fand in Heidelberg eine mittlerweile in Vergessenheit geratene Premiere statt: Der Verpackungskünstler Christo verhüllte im Mai 1969 das Deutsch-Amerikanische Institut (DAI) in der Sophienstraße. Der gebürtige Bulgare ist in Deutschland eher durch seine Reichtagsverhüllung 1995 bekannt. Die DAI-Aktion war jedoch seine erste Gebäudeverhüllung, die ebenso umstritten war wie jene in Berlin.
Ebenso wie der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl wehrte sich die Stadt Heidelberg lange gegen das Projekt, ein altehrwürdiges Bauwerk zu verhüllen. Christos ersten Vorschlag, den Glockenturm des Heidelberger Schlosses zu verhüllen, lehnte der Gemeinderat kategorisch ab. Der "junge Wilde" musste sich eine Alternative suchen. So kam es am 15. Mai 1969 im Rahmen der vom Heidelberger Kunstverein organisierten Alternativveranstaltung Intermedia 69, zur Verhüllung des DAI.
Doch die künstlerische Premiere stand unter keinem guten Stern. Der damals noch unbekannte Christo war auf ehrenamtliche Helfer angewiesen, die das Haus in einer 24-Stunden-Aktion verhüllen sollten. Zwar hatten sich fast 30 Studenten auf seinen Aufruf gemeldet, am entscheidenden Tag jedoch erschienen lediglich fünf. Die meisten Beteiligten glaubten, dass Aktion scheitert, doch Christo blieb entspannt. Zu Recht, wie sich bald herausstellte. Wenige Stunden später hatte sich eine Schulklasse mit ihrer Lehrerin in der Sophienstraße eingefunden, um für die treulosen Studenten einzuspringen.
Eine nicht ungefährliche Arbeit, da die meisten Schüler ungesichert auf dem Dach der Villa herumkletterten. Erst im Nachhinein fiel den Veranstaltern auf, wie fahrlässig die Aktion auch für das DAI war: Die Dachverkleidung hielt dem 24-Stunden-Dauereinsatz der Schüler nicht stand. Das Herumlaufen mit normalem Schuhwerk beschädigte die Dachverkleidung und verursachte letztlich mehrere tausend D-Mark Sachschaden. Allen Widrigkeiten zum Trotz hatten Christo und seine Helfer die Villa mit mehr als 1900 Metern schwerentflammbaren Gitterfolienbahnen eingehüllt und diese mit Nylonseilen und Spezialklebeband stabilisiert.
Die Nacht-und-Nebel-Aktion zog mehrere hundert Schaulustige an, die am Tag danach vor dem weiß verhüllten Gebäude über den Sinn der Verhüllung diskutierten. Viele verglichen diese – nicht ganz unberechtigt – mit einem auf die Schnelle angelegten "Notverband". Die heftigste Kritik kam überraschenderweise nicht von alteingesessenen Heidelbergern, sondern von Studenten. Kurz nach Vollendung beschmierten einige die weiße Folie mit Parolen wie "Amis raus aus Vietnam". Dabei kam es sogar zu Handgreiflichkeiten zwischen Studenten und DAI-Angestellten, weshalb Christo die Aktion bereits nach drei Tagen beendete.
Auch die Feuerwehr konnte nach drei Tagen Dauereinsatz aufatmen. Diese hatte anfangs mit dem Schlimmsten gerechnet und daher mehrere Wasserrohre im Inneren des Gebäude verlegt. Bis heute spricht Perfektionist Christo ungerne über die völlig chaotische abgelaufene Aktion, die Kenner seiner Arbeit als die schlechteste Verhüllung seiner Karriere bewerten.
von Elena Eppinger